Jürgen Beckers Gedicht „Meldung“

JÜRGEN BECKER

Meldung

Hier ist eingetroffen der plötzliche Sonnenstrahl,
zwischen den Pfützen, die seit Wochen
eine Seenplatte bilden vor dem Küchenfenster,
und jetzt hat sich ausgedehnt
der Riß in der schwarzen Front des Himmels.

2007

aus: Jürgen Becker: Dorfrand mit Tankstelle. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 2007

 

Konnotation

Alles, was der 1932 geborene „Augenmensch“ Jürgen Becker geschrieben hat – Prosa, Hörspiele, Gedichte –, ist durch Erfahrung gesteuert, die man mit sich selbst und seiner Umgebung macht: Wahrnehmungen und Erinnerungen an Orte der Kindheit, Gegenden. Sein Werk ist eine Autobiographie des Gesehenen, ein fortlaufendes Tagebuch. „Ich wäre am liebsten Landschaftsmaler geworden“, sagt Becker, aber weil er kein Talent zum Maler hatte, seien all die visuellen Erlebnisse Gegenstand von Gedichten geworden.
Auch in diesen leicht hingetuschten Versen (aus dem Band Dorfrand mit Tankstelle. 2007) wird ein zufälliger und zugleich besonderer, poetischer Augenblick eingefangen – „der plötzliche Sonnenstrahl“ nach langem Regen. Er ist immerhin eine „Meldung “ wert. Irritierend der sich ausdehnende „Riß in der schwarzen Front des Himmels“, als sei hier mehr als nur ein flüchtiges Naturphänomen gemeint.

Michael Buselmeier (Gedichtkommentar) Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010

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