RAPHAEL URWEIDER
die vier hauptwinde sind
der nordwind der südwind
der ostwind der westwind
seit heute morgen hat der wind
sich mehrmals geändert der
regen hat den staub gelöscht
es war ungeheuer staubig
das barometer ist gefallen
das barometer ist gestiegen
die sonne wirft ihre strahlen
senkrecht herunter man muß
bei diesem wetter nicht ausgehen
1997/98
aus: Raphael Urweider: Wohin geht das Gedicht. Hrsg. v. Roman Bucheli. Wallstein Verlag, Göttingen 2006
Die ersten lyrischen Welterkundungen des jungen Berner Lyrikers Raphael Urweider (geb. 1974) zeichneten sich durch unterkühlten Witz und eine ironisch nuancierte naturwissenschaftliche Intelligenz aus. Statt für romantisierende Gefühlsaufladung interessierte sich Urweider mehr für die Möglichkeiten und Grenzen menschlicher Wahrnehmung und für physikalische Paktizitäten: für Windgeschwindigkeiten, Wolkenbildung, Teilchenbeschleunigung, Zustände des Wassers, Veränderungen des Lichts.
Eins der frühesten Urweider-Gedichte, das noch nicht in einen Gedichtband des Autors aufgenommen wurde, scheint nur von Himmelsrichtungen und meteorologischen Gegebenheiten zu sprechen. In der scheinbar schlichten Aufzählung von Windbewegungen bleibt die Existenz des Menschen eine Randerscheinung. Er ist in seiner Endlichkeit und Hilflosigkeit eine Fußnote der Schöpfung. Was wirklich bleibt, sind die Elementarkräfte: Wind, Sonne, Licht, Regen und Staub.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008
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