UWE KOLBE
Halle-Lureley 2
Ich weiß nicht, was soll aus mir werden,
wenn wir nicht beisammen sind.
Ich geh meine Weile auf Erden
tagtäglich allein und wie blind.
So sagt es die Muse, die gute,
im trostvoll leichten Jargon.
Doch ist es mir heute zumute,
als mischte sich Blut in den Ton.
um 2005
aus: Uwe Kolbe: Heimliche Feste. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 2008
Wenn die jungen Wilden der Poesie ein gesetzteres Alter erreichen, wechseln oft ihre poetischen Paradigmen. Aus Uwe Kolbe (geb. 1957), dem rebellischen Kopf einer expressionistisch erhitzten Dichter-Generation in der DDR, ist im 21. Jahrhundert ein feinfühliger Adept der romantischen Volksliedstrophe geworden. In den intensivsten Gedichten seines Bandes Heimliche Feste (2008) bricht Kolbe die Volksliedtone Heinrich Heines (1797–1856) mit seinem ureigenen „trostvoll leichten Jargon“.
Aus dem berühmten „Loreley“-Lied Heinrich Heines komponiert Kolbe hier eine eigene Sehnsuchtsmelodie, in der die ästhetischen Ambivalenzen zwischen Liebesleid, „trostvoller“ Leichtigkeit und finsterer Bedrohung des schöpferischen Subjekts integriert sind. Dies ist die Stärke dieser Gedichte: Ihr romantischer Grundton trifft auf ernüchternde Gegengesänge und hart desillusionierende Fügungen.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009
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