WALTER HELMUT FRITZ
Biographie
Es krabbelt über den Boden. Es lallt, es kräht, es stammelt, es spielt, es stutzt, es schreit. Es tappt umher. Seine Lenksamkeit, sein Jähzorn, seine Schliche, seine Freude an rollenden Eisbuden. Es wird eine Plaudertasche. Es wird ein Hauptdarsteller. Später wird es sein größter Wunsch sein, den Gaurisankar zu besteigen.
1990er Jahre
aus: Walter Helmut Fritz: Das offene Fenster. Verlag Hoffmann & Campe, Hamburg 1997
In einem Gedicht über den Philosophen Hans-Georg Gadamer (1900–2002) hat der Lyriker Walter Helmut Fritz (geb. 1929) eine Haltung des Beobachtens und Schauens beschrieben, wie sie für seine eigene Dichtung typisch ist: Der Philosoph (wie auch der Dichter) suche eine „geistige Gespanntheit“, in der er „geduldig auf die Sprache des Anfangs horcht“. Diese ruhige Gelassenheit beim Blick auf die Phänomene und die Suche nach dem Anfang zeichnen auch Fritz’ Prosagedicht aus, das eine Lebensgeschichte auf wenige Zeilen zusammenzieht.
Das Kleinkind, das ins Leben hineinwächst, die Ausbildung der Charaktereigenschaften, die kleinen Freuden der Kindheit – all das wird hier lakonisch notiert. Und ebenso knapp wie die kindliche Sozialisation wird dann die Ausbildung des Selbstbewusstseins bis hin zur Größenphantasie einer Himalaya-Expedition („Gaurisankar“) benannt. Das gehört zu den schönsten Vorzügen der Poesie: Auf wenigen Verszeilen kann sie ein ganzes Leben ausbreiten.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009
Schreibe einen Kommentar