Elfriede Czurda: (Un-)GlüxReflexe

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Elfriede Czurda: (Un-)GlüxReflexe

Czurda-(Un-)GlüxReflexe

16.8.1993
LITERARISCHES QUARTETT

signalisiere ich einem
gedicht sich zu zeigen
so schweigen die richter
erst still dann kriecht
ein reim aus einem loch
in der luft rein ist er
nicht aber reim das
reicht dann siecht der
reim still vor sich hin
so leidend und bleich
dass die gesichter der
richter bleich werden
auch und leidend vor
mitleid und geschrei
erheben: so ein gedicht
wollen wir nicht!
da kriecht der reim
wieder heim und die
richter kriechen in
ihre betten. so
grausig ist das
dichten.

 

 

 

Vorwort

Die Außenwelt trägt Bewegung aller Art an unsere Körpergrenze heran. Der Körper reagiert auf diese Anstöße zuallererst reflexhaft. Das Auge schließt sich automatisch, die Hand, der Arm wehrt gedankenlos ab. Hat die Sprache einmal ihren Ort im Körper bezogen, so stellt auch sie der Gedankenlosigkeit ein System von sprachlichen Reflexen als Antwort auf außer- und innerkörperliche Vorfälle zur Verfügung. Dieses gedankenlose Repertoire speist sich aus aller Sprache, die je den Körper als Sprachort erreicht hat. Es besteht aus dem Kanon und seinen Verwilderungen, aus seinem Schutt und Schrott. Es besteht aber auch aus seinen ritualisierten Litaneien, aus den phonetischen Verzeichnungen/Verzeichnissen unserer „Artikulationsfähigkeit“.

So wie die körperlichen Reflexgesten zuerst der Gefahrenabwehr dienen, so sind diese Sprachreflexe die lautbar gewordenen Bastionen gegen die lautlose Angst, gegen jene Gewalt, die im Verstummen Raum greift, den Tod.

Sprechen als reflexhafte Abwehr höchster Gefahr. Doch die Reflexe warten nur darauf, sich beim geringsten Anstoß über das Schutzschildhafte ihrer Existenz zu erheben: ionisiert, kehren sie als Reflexionen in die Welt der Bewegung und Bewegtheit zurück.

Falsche Töne? Diesen ethnografischen Selbstversuchen stehe nur ich selbst als Versuchsperson zur Verfügung. Ich kann nur meinem eigenen Sprachstrom nachspüren, wenn er aus dem Prokrustesbett der Kontrolle befreit zu seinen Anfängen zurückkehrt und sich frischere/rohere Auswüchse sucht: es aus mir heraus reimen zu lassen wie es einmal in mich hineingereimt hat ist wirklich das Letzte! Und das Erste ist es auch.

Elfriede Czurda, Wiepersdorf, 3.4.1994, Vorwort

 

 

Fakten und Vermutungen zur Autorin + Archiv 1 & 2 + KLG
Porträtgalerie: Keystone-SDA

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