Ferne Zeitgenossen (XII)

Im Feld mit Botho Strauss

Ich erinnere mich an einen langen Spaziergang mit Botho Strauss in der Umgebung seines uckermärkischen Gutshofs. Gespräch über dies und das; über die schwindende Bedeutung politischer Parteien, die wachsende Notwendigkeit einer Partei parteiloser Intellektueller und Künstler; über reaktionäres Denken (Rosanow, Valéry, Cioran); über den Bildungswert der lateinischen Sprache usf.
Seit längerer Zeit schon kreiste im Tiefflug ein kleiner Flieger und versprengte eine wabernde Wolke von irgendwelchen Düngstoffen, als Strauss plötzlich stehen blieb und zum Himmel schrie: Der gehört abgeschossen! Abgeschossen ein für allemal! Los, schiesst ihn endlich ab!

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Nicht der Dünger, der die Luft verdunkelt und verpestet, stört den Fussgänger, es ist der Lärm, der bald an-, bald abschwellend von der Maschine ausgeht, den Vogelgesang unterschlägt, das Rauschen in den Hecken verwischt.
Der Lärm löst hier als zivilisatorisches Störgeräusch mörderischen Zorn aus, während er dort − zum Beispiel bei John Cage − nicht nur als unvermeidlich akzeptiert, sondern als Musik wahrgenommen und künstlerisch genutzt wird.
Ob damit der Unterschied − der Gegensatz − von Reaktionär und Progressiv getroffen ist?

 

aus Felix Philipp Ingold: Endnoten
Versprengte Lebens- und Lesespäne

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