2007-03-24

Habe mir antiquarisch Bertolt Brechts Arbeitsjournal besorgt, das ich nie zuvor in der Hand hatte; späte Entdeckung aus Mangel an Interesse für diesen Autor. Nun sind viele hundert Seiten gelesen, bin beeindruckt von der Disziplin des Aufzeichnens, der Präzision der Formulierung, der Intelligenz der Argumentation, der Fähigkeit Brechts, über der Arbeit völlig von sich abzusehn und ausschliesslich bei der Sache, beim Problem zu bleiben. Sachlichkeit, man weiss es, war seine Art unmenschlich zu sein.
Brechts Verachtung für Hollywood, die dortigen Arbeitgeber und Arbeitsbedingungen ist eklatant; aber derweil ist Hollywood überall, und was Brecht damals (1943!) zum Skriptschreiben notierte, gilt heute für literarisches Schreiben generell: «… man muss so gut schreiben, als man kann, und das muss eben schlecht genug sein.»
Aufschlussreich auch die Notiz über Arnold Schönberg, der unablässig von seinem vermeintlich gefährdeten Nachruhm schwafelt; Schönberg zu Brecht: er finde seine eigenen Werke «mitunter scheusslich klingend», und nachdem er sie niedergeschrieben habe, verstehe er selber sie nicht mehr, müsse sie immer wieder «mühsam studieren»; also ist wohl auch diesem strengen Macher mitunter manch Unvorhergesehnes unterlaufen, das seine bis ins Letzte geplante Arbeit transzendierte und ihn vor Probleme stellte, die ihm erst nachträglich überhaupt bewusst wurden.

 

aus: Felix Philipp Ingold: Gegengabe
zusammengetragen aus kritischen, poetischen und privaten Feldern

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