N

N

 

NAME, NASE
(vgl.
Chillon)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

(vgl. GOGOL)

 

 

 

 

 

 

(vgl. ENG-
LÄNDER)

 

Name und Nase sind bei Gogol eins: Pseudonym, Simulacrum. Mag sein (man stelle sich vor!), daß Gogol zu Füßen des Gefangenen von Chillon seinen Namen mit der Nase in den Staub gezeichnet hat – ein Bild, das ebenso unvergänglich sein könnte, wie die Schrift vergänglich war … (Daß einer – ein R. – sich vor lauter Reinlichkeitsbedürfnis oder auch aus purer Scham die Nase aus dem Gesicht scheuert, kommt bei Gogol mehrfach vor und wird ein Jahrhundert später bei Canetti erneut registriert: »Vor ihm saß eine Uniform ohne Nase.«1 Und diese, versteht sich, fragte den Kien – oder Kein – zuerst nach dem Namen.) Einen Namen, eine Nase wollte Gogol ehrenhalber haben: »Schreib«, schrieb Gogol aus Paris an Prokopowitsch, »den Familiennamen recht leserlich, sonst gibt es bei der Post Mißverständnisse. Schreib mit lateinischen Buchstaben, einfach so, wie’s ausgesprochen wird: G O G O L.« Hört alle zu: »Was für eine Luft! Atmet man tief ein, so scheinen wenigstens siebenhundert Engel durch die Öffnungen der Nase zu schlüpfen. Ein erstaunlicher Frühling!« Dafür spricht auch die wiederholte (offene oder verkappte) Erwähnung seiner Eigennase (vgl. GOGOL wie auch seines Eigennamens in literarischem Kontext. – »… fliegt eine stolze Ente flott dahin…« – Wobei der Name Gogols (gogol’) für die Schellente (bucephala clangula L.), beziehungsweise diese für den Autor einzustehen hat. Von daher wird auch deutlich, weshalb Gogol immer wieder von seinem »Vogelnamen« spricht, um ihn der Nachwelt zu überliefern, den er allüberall »eingeritzt« haben will: »In der letzten Reihe, die schon im Schatten ist, wird dereinst ein russischer Reisender ganz unten meinen Vogelnamen entziffern, vorausgesetzt, daß nicht ein Engländer den seinen darübergekrakelt hat …« So, kann man sagen, kennzeichnet und wahrt die von Gogols »Nase« im Staub – oder im Schnee? – der Weltliteratur hinterlassene Markierung (seine Signatur) auch das Anwesend-gewesen-Sein des Autors in einem vergangenen Jetzt, das ein zukünftiges Jetzt bleiben wird! »Ich weiß, mein Name wird nach mir mehr Glück und Bestand haben …«

 

aus: Felix Philipp Ingold: Haupts Werk Das Leben
Ein Koordinatenbuch vom vorläufig letzten bis zum ersten Kapitel.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

0:00
0:00