Helmut Heißenbüttel: Was ist das Konkrete an einem Gedicht?

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Helmut Heißenbüttel: Was ist das Konkrete an einem Gedicht?

Heißenbüttel-Was ist das Konkrete an einem Gedicht?

VORTRAG ÜBER:
WAS ALLES PLATZ HAT IM GEDICHT

Die Frage, von der ich ausgehe, ist nicht von mir gestellt worden. Sie wurde mir von außen aufgegeben. Das heißt, sie bezeichnet nicht ein Problem, mit dem ich mich beschäftigt habe, folgt nicht als Name dem, was ich benennen will. Das Problem hat sich vielmehr, wenn ich so sagen darf, erst an der Frage entwickelt. Diese Fragestellung erscheint auf den ersten Blick vielleicht auch allzu einfach. Ich habe sie angenommen, weil, so meine ich, die Einfachheit und Voraussetzungslosigkeit der Frage mehr Offenheit und mehr Variabilität im Spielraum versuchbarer Antworten garantiert. Doch nicht nur das. Wenn heute im Verständnis neuer und neuester Literatur Schwierigkeiten entstehen, so oft deshalb, weil diese Literatur so völlig mit der Tradition (und das heißt auch mit der bis heute zu den Bildungsgrundlagen zählenden kulturellen Überlieferung) zu brechen scheint. Tut die neue Literatur das tatsächlich?
Was wie ein völliger Bruch aussieht, beruht auf einer Veränderung der literarischen Prinzipien und einer Veränderung der Perspektive in der Beurteilung. Diese Veränderungen aber sind nicht über Nacht vom Himmel gefallen, sie sind nicht einmal plötzlich in den zwanziger Jahren erfunden worden. Sie haben sich vielmehr seit langem untergründig in der traditionellen Literatur vorbereitet. Es kommt darauf an, diese Vorbereitung zu erkennen. Das gelingt jedoch nur, wenn man auch die traditionelle Literatur in einer veränderten Perspektive sieht und manches, das für ihre Beurteilung als selbstverständliche Voraussetzung galt, fragend und kritisch prüft. In der fragenden Öffnung des allzu selbstverständlich gewordenen, allzu Eingewöhnten verliert dann auch das Befremden des Neuen und Neuesten ein gut Teil an Befremdlichkeit. Und hier nun hilft nicht die Fragestellung des Spezialisten, des Kenners oder des Theoretikers; einen Ansatz bietet weit eher die Frage, die dem Bereich des unvoreingenommenen Redensartlichen entstammt. Die Frage lautet: Was hat alles Platz im Gedicht? Was hat alles Platz in einem Gedicht? Die Frage setzt nun zweierlei voraus: 1 eine Übereinkunft darüber, was unter einem Gedicht zu verstehen sei und 2. eine Vorstellung davon, was in diesem Zusammenhang Platz haben bedeute. Ich könnte es mir, um gleich mit dem zweiten Punkt zu beginnen, leicht machen und sagen: daß etwas Platz hat, das sagt man von Sachen; ein Gedicht jedoch besteht aus Wörtern und Wortverbindungen, in denen Sachen nicht Platz haben können. Ich könnte aber auch sagen: da das Gedicht aus Wörtern und Wortverbindungen besteht, ist von Platz-haben zu reden in diesem Zusammenhang nur sinnvoll, wenn man sagt, daß man nicht Sachen, sondern Wörter meint. Wörter aber haben, ihrer Art nach, alle Platz in einem Gedicht: erhabene, feierliche, gefühlvolle, technische, ordinäre, obszöne, gedruckte, gesprochene, Tabuwörter, Fremdwörter, erfundene Wörter. Ihrer Zahl nach haben natürlich jeweils nur soviel Wörter in einem Gedicht Platz wie dieses Gedicht Wörter enthält, und das können wenige sein (Eugen Gomringer hat einmal gesagt, das ideale konkrete Gedicht besteht im Grunde aus nur einem einzigen Wort; und der flämische Schriftsteller Paul van Ostaijen hat, wie ich nicht nachlassen kann zu wiederholen, versichert, das Wort Fisch sei für ihn poetischer als alle Gedichte zum Thema Fisch); ein Gedicht kann aber auch aus einer großen Menge von Wörtern bestehen, und wenn man sagt, daß die Göttliche Komödie ein Gedicht sei, so hat allerdings eine große Zahl von Wörtern in ihm Platz.
Aber ganz so leicht möchte ich es mir nicht machen; und ich habe es ja auch schon schwerer mit der ersten Voraussetzung, der, was man eigentlich unter einem Gedicht versteht. Vielleicht erscheint es auf den ersten Blick übertrieben: zu sagen, ich habe es schwerer damit. Jeder, der zur Schule gegangen ist, kennt ein paar Gedichte und weiß infolgedessen, was er ganz allgemein unter einem Gedicht versteht. Aber wenn ich dann, ohne gleich ins problematische 20. Jahrhundert vorzudringen, ein paar Verse zitieren würde wie etwa diese:

Ein Negerknabe ging so still
am Nil dahin. Plötzlich erblickt er
ein unverhofftes Krokodil.
O wie erschrickt er!!

und sagen, das ist für mich ein charakteristisches Gedicht aus dem Ende des 19. Jahrhunderts, so würde doch mancher zweifeln und entgegnen: das ist gereimt, aber ein Gedicht? Ernsthaft: ist dies Gedicht von Wilhelm Busch ein Gedicht?
Oder ist dies ein Gedicht?

Die Uhr schlägt 12 –
Gott allen braven Lesern helft
Die Uhr schlägt 1 –
Das Zentrum handelt, Hilferding redet… jeder seins.
Die Uhr schlägt 2 –
Wenn England einen Raufbold braucht: Deutschland ist allemal dabei
Die Uhr schlägt 3 –
Es lebe die Republik! ist ein zu nichts verpflichtendes Geschrei.
Die Uhr schlägt 4 –
Es war einmal ein republikanischer Reichswehroffizier.
(Uhr bleibt vor Angst stehn.)
Die Uhr schlägt 5 –
In Deutschland ist man viel zu vernünf-
tig, sich wegen jeden juristischen Drecks
– die Uhr schlägt 6 –
zu erregen. Laßt uns lieber in die Zuchthäuser abschieben
– die Uhr schlägt 7 –
wer etwas Kommunistisches in die Straßen macht –
die Uhr schlägt 8.
Gleich darauf schlägt die Uhr 9 –
Sollte das ein Fehler im Uhrwerk seun?
In Deutschland kann doch nichts vor-, da muß alles zurücke gehn –
die Uhr schlägt 10.
Die Uhr schlägt 11 –
Ausnahmezustand ist ein Zustand und ein schöner Notbeh-11.
Die Uhr schlägt 12 –
Gott immer noch allen Lesern helft!
Es war einmal ein Sozialist, der tät die Arbeitgeber reizen –
da schlug die Uhr 13!
Die Uhr schlug 14, 15, 16, 17, 18, 19 und 20…
Wir wollen die deutschen Brüder in Danzig befrein, wer aber nicht will, ist Danzig.
So schlägt die Uhr bei Tage und bei Nacht,
denn dafür ist sie Uhr und als solche auf dem Turm angebracht.
Großfressig nach außen – und nach innen verprügeltes Zivil –:
das ist das deutsche Glockenspiel.

Das hat Kurt Tucholsky geschrieben. Ist es ein Gedicht? Ist Tucholsky ein Dichter? Hier bin ich bereits im 20. Jahrhundert, aber man könnte doch noch mit der herkömmlichen Unterscheidung und Einstufung kommen und sagen, dieses Gedicht von Tucholsky sei ein politisches Gedicht, und ein politisches Gedicht sei von politischen Tagesfragen abhängig und infolgedessen – worauf ich lediglich zurückfragen könnte: Ist ein politisches Gedicht einfach ein Gedicht oder ist es eine niedrige Art Gedicht und als solches nicht vergleichbar? Muß ich, wenn ich dieses Gedicht etwa mit einem Gedicht von Rainer Maria Rilke, Stefan George, Rudolf Borchardt oder selbst Bertolt Brecht vergleiche, immer erst als Entschuldigung einfügen, dies sei eben nur ein politisches Gedicht? Das ist vielleicht überspitzt ausgedrückt, aber nur so erkennt man, wo die Schwierigkeit liegt. Schlimmer wird es allerdings, wenn ich etwa die besondere Problematik des 20. Jahrhunderts berühre und nun etwas zitiere, was der Hannoveraner Kurt Schwitters als Gedicht bezeichnete.

GEDICHT 25      

elementar      

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aaa26, 26, 27
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31, 33, 35, 37, 39
42, 44, 46, 48, 52
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aaaa6, 6, 6
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aaa4, 4, 4
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aaa4, 4, 4
aaaa1/2 4
aaaa4, 4
aaaaa4
aaaaa4
aaaaa4  

Ist dieses Gedicht von Kurt Schwitters ein Gedicht? Erweitert es nicht sogar meine Feststellung, im Gedicht hätten nur Wörter Platz, dahin, daß auch Zahlen im Gedicht Platz haben, ja ein ganzes Gedicht, wie etwa dieses Gedicht von Kurt Schwitters, nur aus Zahlen bestehen kann, ein Gedicht also auch für nichts anderes als Zahlen Platz haben kann?
Gewiß wäre auch hier, und das will ich gleich vorwegnehmen, die Antwort leicht, die mir entgegenhielte, das Gedicht von Kurt Schwitters habe zwar den Namen Gedicht, sei aber als Antigedicht gemeint und als solches nur unter der Voraussetzung zu betrachten, daß zu bestimmten Zeiten und in bestimmten Situationen ausnahmsweise auch soetwas wie ein Antigedicht möglich sei. Darauf könnte ich nur wiederum rückfragen, ob ich dann bereits mit einer zweiten Art von niederen Gedichten rechnen müsse? Und könnte im 20. Jahrhundert zu Lautgedichten, von Raoul Hausmann bis zu Ernst Jandl, zu den „Calligrammes“ von Apollinaire, zu typografischen Gedichten von den „Parole in libertá“ des italienischen Futurismus bis zu den Typrogrammen Franz Mons, Diter Rots, Franz Gappmayers und vieler anderer, zum „Poème objet“ von Breton, in dem nun neben Wörtern tatsächlich Sachen Platz haben, weitergehn; oder ich könnte rückwärts nach Kinderreimen, Nonsense-Versen, Epigrammen und Festgedichten fragen, oder, noch weiter von unserer gegenwärtigen Situation entfernt, nach Beschwörungsformeln, Zaubersprüchen und Kriegsgesängen.
Sind das alles Gedichte? Wäre es nicht sogar vorstellbar, daß jemand die Vorstellung vom Gedicht und die Funktion des Gedichts im allgemeineren Sprachgebrauch ableitete aus den archaischen Formen der Beschwörungen, Zaubersprüche und anfeuernden Gesänge? Könnte man sich nicht vorstellen, daß er damit sogar den, von Goethe oder Eichendorff her gesehen, Abirrungen des 20. Jahrhunderts gerecht zu werden versuchte? (Und ich habe das alles schließlich nur gesagt und gefragt, um vorauf anzudeuten, was bereits an den Voraussetzungen als problematisch bezeichnet werden müßte, wenn man danach fragt, was alles in einem Gedicht Platz hat.)
Offenbar hängt die Beantwortung dieser Frage tatsächlich davon ab, was ich Gedichte nenne und wie weit im den Begriff des Gedichts ausdehne, was ich in ihn hineinzunehmen versuche. Offenbar hängt aber das wieder davon ab, wie weit ich das Gedicht zu dem in Beziehung setze, was außerhalb des Gedichts vorhanden ist. Denn wenn ich etwa das Gedicht als etwas definiere, das auch da, wo es von Rosen, Mondschein und Vogelarten spricht, auf die gesellschaftlich-politischen Verhältnisse, innerhalb derer es entstanden ist, antwortet, wenn ich also als das Bewegende des Gedichts seinen politischen und soziologischen Gehalt ansehe (und nicht etwa seinen theologischen oder philosophischen), müßte ich folgerichtig das politische Gedicht zum Paradigma erklären und aus ihm erst Natur-, Liebes-, Bekenntnis- oder didaktische Lyrik ableiten.
(…)

 

 

 

„… wenn man methodisch sich weiterbewegt…“

– Klaus Ramm im Gespräch mit Helmut Heißenbüttel. –

Zu diesem Gespräch mit Helmut Heißenbüttel war es im Sommer 1982 bei einem meiner Besuche in Borsfleth gekommen, ohne daß wir allerdings an eine mögliche Veröffentlichung gedacht hätten. Ich hatte es nur deshalb auf einem kleinen Tonbandgerät mitgeschnitten, weil ich für meine Heißenbüttel-Vorlesung im Wintersemester 1982/83 auf Materialsuche gewesen war.
Nach nun 24 Jahren habe ich die leicht gekürzte Transkription nur widerwillig den Zwängen einer Druckfassung unterworfen: der Syntax und Zeichensetzung sieht man den Konflikt mit dem ungeschminkten Tonfall des Gesprächs noch an. Das Vorläufige der Formulierungen aber entspricht durchaus der unorthodoxen methodischen Programmatik Heißenbüttels, der immer unter dem Risiko des Widerrufs gedacht und geschrieben hat. Allenfalls also markiert dieses Gespräch einen Durchgangspunkt nach dem Ende der Alternative, nach dem Ende der Arbeit an den drei Büchern des Projekts Nr. 3 – „na ja, und dabei steht es jetzt“.  

K. R.

Klaus Ramm: Wenn wir über Deine Bücher reden, haben wir die Schwierigkeit, die Probleme theoretischer und methodischer Art, die sich mit dem Schreiben von Literatur stellen, abzuklären und zugleich etwas Informatives auch über die Bücher zu sagen. Die Literatur, die Du geschrieben hast, hat sicherlich in Bezug auf das, was sie mit literarischem, mit sprachlichem Material gemacht hat, wesentlich bewußter gearbeitet als das, was man gemeinhin die Mainstream-Literatur nennt, und zwar von den fünfziger Jahren bis heute. Ist das schon in den fünfziger Jahren ein programmatischer Ansatz bei Dir gewesen?

Helmut Heißenbüttel: In gewisser Weise ja. Das hängt aber damit zusammen, daß natürlich den Büchern, die veröffentlicht werden, schon etwas voraufgeht – und da liegt eigentlich die große Schwierigkeit, den Anfang zu beschreiben: daß ja etwas da ist, aufgrund dessen man schreibt, und daß der Punkt, an dem was veröffentlicht wird – entweder läuft es so weiter wie das, was man davor gemacht hat, oder es ändert sich etwas.
Für mich war dieser Punkt eigentlich der, daß ich bewußt etwas gemacht habe, und zwar methodisch bewußt. Die ersten Dinge, die in Zeitschriften und dann als Buch veröffentlicht wurden, fingen damit an, daß ich nicht mehr – wie bis dahin – Gedichte in Versform und Reime gebracht habe, sondern so stehengelassen habe, wie ich sie notiert hatte, das heißt, das sprachliche Material nicht in traditionelle Regeln gezwängt habe, so wie ich es zu der Zeit gelernt hatte, sondern daß ich versucht habe, mit dem, was für mich damals in dem Material drinsteckte, weiterzuarbeiten, also Bruchstücke, Sätze – Sätze, die in keinem Zusammenhang und die ohne Übergang sind – so stehenzulassen und eher dieses „ohne Übergang“ noch zu verschärfen.

Ramm: Das klingt jetzt so, als sei das ganz beliebig, dabei wirken schon Deine ersten, Mitte der fünfziger Jahre veröffentlichten Bücher, Kombinationen und Topographien, zwar nicht gerade regelhaft, aber doch ungeheuer methodisch.

Heißenbüttel: Ja. Nein, nicht beliebig, sondern ich habe zu der Zeit – ich weiß, ich erinnere mich noch – eines Morgens kein Papier gehabt und auf eine Brötchentüte geschrieben; die Verfremdung durch die Brötchentüte hat dazu geführt, daß ich das so stehengelassen habe, und daraus wurden einige Strophen der ersten Kombination. Und dann habe ich das weitergemacht, habe sozusagen einen Trick gefunden, mit dem mir das Schreiben auch mehr Spaß machte; das hatte den Anreiz, und das war wieder nicht unbeeinflußt durch Dinge, die ich von der Musik gehört habe, also daß man die Pausen mitsprechen läßt, daß man das Schweigen mit hineinnimmt und so weiter.
Es war jedenfalls etwas, was sich bewußt gegen die Literatur wendete, die für uns überliefert war. Literarisch steckte natürlich auch damals schon etwas drin, was ich bei Ezra Pound gelesen habe: diese Brüche, dieses Gefälle, diese Übergänge. Obwohl ich das nicht voll verstanden habe zu der Zeit, hat es doch als Methode und als Klang, vor allen Dingen auch als Klang, auf mich sehr gewirkt.

Ramm: Aber heute wirkt das natürlich so, als hättest Du das auch gegen die herrschende Literatur der fünfziger Jahre, wenn man das mal so grob sagen soll, geschrieben. Wenn man sich da an die Kontroversen erinnert, werden Franz Mon und Du immer auf der einen Seite gesehen und auf der anderen Seite die Literatur, die sich bis heute als marktkonforme durchgesetzt hat. War der Bruch auch in den fünfziger Jahren schon so stark wie er heute wirkt?

Heißenbüttel: Ja – nicht ganz im Bewußtsein: also ich erinnere mich zum Beispiel, daß ich manches gelesen habe, mit dem ich durchaus einverstanden war, was ich aber nicht so machen wollte. Und ich hatte natürlich auch einen gewissen Überdruß an den Dingen, die überliefert waren, und suchte nach Neuem. Ich habe zu der Zeit sowohl Literatur von Schwitters entdeckt wie auch Gertrude Stein; ich habe 1955 Gertrude Stein gelesen – alles, was ich von ihr kriegen konnte –, und da kommt wieder eine andere Sprachmelodie herein, die mich sehr beeinflußt hat, die mich beeindruckt hat. Ich weiß nicht, ob das schon damals kontrovers war zu der Literatur – es kam auch auf die Leute an: es war kontrovers ganz sicher gegen Holthusen, aber zum Beispiel nicht kontrovers gegen Max Kommerell, den ich während des Krieges gelesen habe, oder nicht kontrovers gegen George, dessen Wertschätzung ja durchgegangen ist bis heute, oder nicht kontrovers gegen Rudolf Borchardt, der ja in meinen allerersten Gedichten schon im Zitat vorkommt.
Da ist ein Unterschied zu Franz Mon, der in diesen Dingen rigoroser war. Das war ja auch so um 1960 unser erstes Gespräch – und meine Zuneigung und auch mein Verständnis von dem, was Franz Mon macht, fing damit an, daß er mir seine Artikulationen erklärt hat also auch das, was er mit dem Tonband gemacht hat, mit vorformulierten Artikulationen, also ehe sie richtig formuliert sind. Das hat mir sofort eingeleuchtet, und von daher habe ich dann auch das übrige, was er gemacht hat, verstanden. Von Gleichaltrigen haben mich damals beeindruckt die frühen Gedichte von Claus Bremer zum Beispiel, die Poesie, dieser kleine Band, und dann war ein Punkt auch Gomringer: daß man sowas Gedicht nennen kann, das war auch ganz wichtig gewesen.

Ramm: Aber zum Beispiel die Anthologie movens, die Mon 1960 gemacht hat, die hat noch – eben unter diesem Signum des Experimentellen, des Modernen – Autoren wie Grass und Peter Weiss und eben Heißenbüttel und Mon versammelt, und sowas scheint mir heute absolut undenkbar zu sein.

Heißenbüttel: Aber da war ich ja auch damals der Meinung, daß diese Anthologie zu breit angelegt war; ich habe in der Deutschen Zeitung eine Kritik darüber geschrieben mit dem Titel „Versuch, das Kind im Bad zu ersäufen“. Das richtete sich gegen dieses Alles-Hineinnehmen – aber ich sehe das heute völlig anders: für mich heute ist das sozusagen eine ganz wichtige Schwelle gewesen.

Ramm: Ich glaube auch eher, daß die Literatur, die damals etwa Grass oder Weiss gemacht haben, und die frühen Sachen von Mon und auch von Dir viel näher beieinanderlagen als heute – und daß die Konsequenz, mit der Ihr bei der Literatur selbst geblieben seid, korrespondiert mit der Konsequenz, mit der die anderen Autoren sich dann eher auf den Markt und auf das herrschende literarische Klima bezogen haben: das erst hat die Schere viel stärker geöffnet als es in den Texten von damals angelegt war.

Heißenbüttel: Ja, und mit gewissen Entscheidungen: Ich erinnere mich an dieses große Streitgespräch zwischen Grass und Mon, wo eben Mon betont hat, wie nahe es beieinanderliegt, und Grass davon nichts wissen wollte. Der Widerstand ging von Grass aus, und das war der Weg, der ihn dann doch bewogen hat, mehr, na, verkäufliche Literatur zu machen als auf bestimmte methodische Dinge einzugehen. Und das ist bis heute ja so geblieben – wobei bei Grass und mir das eigentlich nie einen Streit gegeben hat, wir uns aber gegenseitig kaum lesen.

Ramm: Nach den Kombinationen und Topographien kamen dann die Textbücher.

Heißenbüttel: Wobei ich aber auch sagen würde: Die Frage ging damals ja auch von bestimmten theoretischen Überlegungen aus, die zum Teil durch Max Bense beeinflußt waren. Der Begriff des ,Textes‘ war einerseits etwas, was Bense eingeführt hatte, methodisch, als das Übergreifende: daß es keine Gedichte oder keine Romane oder keine Geschichtchen mehr gibt – von Hänsel und Gretel, wie er immer sagte –, sondern Texte. Heute etwas in Vergessenheit geraten, daß dieser Begriff des Textes gleichzeitig auch eine allgemeinere Wirkung hatte, daß nämlich bei der Tagung der Gruppe 47 1960 ein Kritiker anfing, von „Texten“ zu reden, und es sofort auf die anderen überging: alle redeten von Texten, obwohl es dann – ich weiß nicht – eine ganz normale Geschichte von Siegfried Lenz oder Christian Ferber war. Es wurde aber als ,Text‘ kritisiert, das war so ein Reizwort. Auf der anderen Seite war es natürlich ein programmatisches Wort, und das ist nicht ohne Einfluß von Bense gewesen.
Der Begriff des Textbuchs stammt eigentlich von Andersch. Als ich bei Andersch anfing und er dann anfing, etwas von mir zu lesen, was er bis dahin nicht getan hatte, sagte er:

Eigentlich, wenn Sie richtig konsequent wären, dürften Sie Ihre Sachen doch nur noch unter dem Titel Textbuch veröffentlichen.

Das habe ich dann überlegt; und dann kam natürlich der Reiz dazu, daß es ,Textbuch‘ gibt bei der Oper und ,Textkritik‘ bei der Germanistik und so weiter, daß man also einen versachlichenden oder in eine andere Richtung führenden Bedeutungshintergrund mit reinschreiben konnte. Das hat dann dazu geführt, daß ich gesagt habe, gut, ich mache jetzt Textbücher, numeriert. Das war der Punkt, wo ich gleichzeitig auch von vornherein die Vorstellung hatte, gewisse methodische Felder abzustecken.

Ramm: Könntest Du über die noch ein bißchen was sagen?

Heißenbüttel: Das waren beim Textbuch 1 speziellere Probleme, die also traditionellerweise vom Gedicht ausgegangen sind und sich einerseits auf Reduktion bezogen und andererseits auf die Syntax. Das Entscheidende waren eigentlich die „Einsätze“, in denen ich versucht habe, den Zusammenhang, den es bis dahin gegeben hatte, sozusagen zusammenzudrücken und einen Supersatz mit mehreren Satzteilen – also verschiedendeutigen – zu machen, während in Textbuch 2 das Feld ganz anders war. Das Textbuch 2 liegt in der Entstehung ja zum großen Teil vor Textbuch 1; das waren Versuche, von der Parabel ausgehend sozusagen rein grammatische Stücke herzustellen – wie „Politische Grammatik“, wo auch dann der Titel programmatisch ist –, also aus Parabelzusammenhängen Texte herzustellen, die sich aus der Grammatik ergaben, aus bestimmten Abfolgen syntaktischer und grammatischer Art – natürlich mit bestimmten Inhalten.
Das hat sich dann fortgesetzt in Textbuch 3 und 4; das sind ja beides gemischte gewesen, darunter auch spezielle Dinge wie das „Gedicht über die Übung zu sterben“: das war ein Versuch, über ein Jahr Sachen zu sammeln und dann zu sehen, wie das in einen großen Bogen kommt, wobei aber diese Sammlung doch relativ stark bearbeitet ist. Ich habe inzwischen die beiden Notizblocks, in die ich die Notizen eingetragen habe, wiedergefunden, und es hat einen gewissen Reiz, die einmal unverändert, so wie ich’s notiert habe, zusammenzuschreiben. Das ist ungefähr doppelt so lang dann.
Dann kam mit Textbuch 5 noch einmal ein Versuch, diese Parabel-Struktur mit der grammatischen Struktur in einem breiten Feld abzustecken, wo auch das Thematische erkennbar ist: also einerseits das politische – damit fängt es an, politisch-historisch –, dann das erotische und dann auch das autobiographische Element. Textbuch 6 ist dann der erste Versuch, eine andere Linie weiterzuziehen, die sich aus der Benutzung der Collage von Zitaten und so weiter ergeben hat. Textbuch 6 sind sechs verschiedene Beispiele für Collagen, wobei das erste auch noch persönlich ist – deswegen auch der Titel „quasiautobiographisch“, weil das noch Notizen über die Person mit enthält –, und das letzte eben methodisch eigentlich am weitesten geht, weil der Text oder die Textbruchstücke, die montiert sind, ständig unterbrochen werden durch das Aufsagen des Abc. Dabei hat gleichzeitig noch ein anderes methodisches Element eine Rolle gespielt, das des Zufalls. Die gesammelten Zitate und Notizen sind alle nicht in der Form, in der sie aufgeschrieben sind (auch nicht in einer bearbeiteten Form), endgültig notiert worden, sondern arrangiert nach Zufallsprinzipien mit einer bestimmten Methode.

Ramm: Wenn ich die Textbücher heute lese – ich glaube, ich habe sie auch damals schon ähnlich gelesen –, dann fallen natürlich diese Begriffe, die Du gebraucht hast, wie Grammatik, Syntax, Zitieren, Methode und so weiter ins Auge, aber in erster Linie lese ich sie merkwürdigerweise beinahe als Geschichts- oder zeitgeschichtliche Bücher, unabhängig vom Thematischen. Wo steckt für Dich die in diesem Sinne historische Dimension von Grammatik, von Syntax, von Methoden?

Heißenbüttel: Ich glaube, man kann nicht sagen, daß es sich um die historische Dimension der Grammatik oder der Syntax handelt, sondern es geht darum, daß bestimmte Erfahrungen jetzt in einer Form gesagt werden sollten, die widerstandsfähig war. Da war eben die Frage, ob das nicht widerstandsfähiger und dauerhafter gemacht werden kann, wenn man sich nicht mehr auf die grammatischen Sonderformen – Poesie – verläßt, sondern auf die Grammatik selbst zurückgeht. Wenn Du willst: das historische Moment steckt in der Reduktion, eigentlich, und in dieser Reduktion steckt natürlich auch wieder etwas vom Thematischen, weil die Reduktion ja zu dem Ganzen gehörte, was damals Existenzialismus hieß.
Nur, bei Existenzialismus denkt man heute vor allem an Themen, an bestimmte Inhalte und so weiter oder an Sartresche Phänomenologie, während man nicht daran denkt, daß in dem auch etwas Methodisches steckte. Philosophisch gesehen liegt das – würde ich heute sagen – auf einer Linie, die eben zwischen Heidegger und Wittgenstein liegt. Das steht auch – ich glaube – im Textbuch 1:

vergeblich streckt der Miró seine Arme von Heidegger bis Wittgenstein

Das Zeitgeschichtliche war: Registrieren (das ist im Textbuch 1 klar, das ist im Textbuch 2 klar, ist dann im Textbuch 5 klar, im Textbuch 6 auch), aber keine politische Literatur machen, die sich als Agitation benutzen läßt – da war ja der Widerspruch.

Ramm: Deshalb ist das ja auch nie als politische Literatur begriffen worden; das war ja einer der Streitpunkte, nicht nur 1968, sondern auch schon vorher. Wie würdest Du unter politischem Aspekt argumentieren, wenn Du sagst: keine Agitation in der Literatur. Wo steckt das politische Moment?

Heißenbüttel: Das politische Moment steckt im Bewußtmachen, im Umsetzen in Sprache – und zum Umsetzen in Sprache gehört einerseits das Ausformulieren von bestimmten Dingen, die da drinstehen, die man wortwörtlich lesen kann –, aber auch im Methodischen, weil das traditionell Methodische allzu schnell mißbraucht und infolgedessen mißverstanden werden kann. Es war ja eigentlich eine Art Restauration, wenn damals die agitatorische und die direkt benutzbare Literatur wieder in Schwung kam. Da trat ja auch so eine späte Reaktion noch ein gegen die Adenauer-Zeit als Fortsetzung des Nazismus.
Für mich ist es so, daß in dieser Zeit das Bewußtmachen natürlich nicht mit aktiver Politik zusammengehangen hat. Die politische Beteiligung in dieser Zeit war für mich reaktiv – und das war ja nun für viele so: ich fühlte mich eher als Beobachter denn als Akteur. Durch die Kontroverse zwischen der agitatorischen Literatur und der mehr methodischen Literatur hat sich da etwas verändert, da ist was anderes reingekommen. Ich glaube, daß ist von Anfang an eher deutlich geworden in allen Ländern und Staaten, wo die Literatur mehr unter Druck war: daß dieses reaktive Aufnehmen in die Literatur sich verwandeln kann in etwas, was aktiv wird. Das ist bei uns eigentlich erst nach 1965, also schon vor 1968, aber nach 1965, vor 1965 nicht.

Ramm: Und hat das für Dich dann unter diesen etwas veränderten Bedingungen wieder eine neue Rolle gespielt?

Heißenbüttel: Ich würde heute sagen, daß es direkter in die politische Diskussion eingreift, aber gespalten ist, so daß ich auch heute noch sagen würde: Wenn ich so etwas machen will, dann muß ich auf der einen Seite mich – ich weiß nicht – journalistisch verhalten oder teilnehmen an irgendwas und auf der anderen Seite literarisch. Es ist aber sehr wichtig, daß ich immer den Zusammenhang zwischen beidem durchsichtig halte, daß ich mich nicht zurückziehe und sage, auf der einen Seite mache ich jetzt Kommentare oder Kritik, und auf der anderen Seite mache ich Literatur, und das hat nichts miteinander zu tun, sondern diese beiden Dinge hängen immerzu miteinander zusammen, es sind nur zwei verschiedene Wirkungsweisen.

Ramm: Könntest Du die spezifisch literarische Wirkungsweise noch näher beschreiben?

Heißenbüttel: Die hängt, meiner Ansicht nach, auch mit der Entwicklung zusammen. Dieses Widerstandsfähig-Machen durch Reduktion von Vers, Strophe und so weiter, von Sonderformen, von dem ganzen Ballast, der damit zusammenhing, auf die Grammatik selbst – auf die Sache selbst, könnte man sagen –, hatte in sich ja eine Art Optimismus: daß man dort etwas neu lösen kann, daß man etwas neu begründen kann, also dasselbe, was in der bildenden Kunst etwa beim Konstruktivismus der Fall war. Dieser Optimismus hat sich nicht erfüllt. Die Modelle, die hergestellt wurden, waren zwar wirksam, aber keine Lösung. Das hängt meiner Ansicht nach damit zusammen, daß man nicht einfach an die Stelle dessen, was traditionell gemacht worden ist, das Gegenteil setzen kann und dann sagen kann: so, jetzt ist die Sache erledigt, jetzt machen wir das immer so weiter – so wie in der bildenden Kunst: jetzt male ich eben immer Quadrate, Kreise und so weiter –, sondern die Sache ist viel komplexer, und sie ist noch komplexer in der Sprache, weil ja in dem Moment, wo ich zurückgehe, wo ich montiere, wo ich Collagen mache, der Sprachstand sich auch wieder mit ändert.
Das war für mich dann die Idee, daß ich mir gesagt habe: ich möchte mal versuchen, so etwas wie eine Summe zu ziehen aus diesem allen, und dann auf breitester Front Material aus einem bestimmten Zeitraum gesammelt habe, von 1968 an. Das wurde dann zu dem Projekt Nr. 1 D’Alemberts Ende, mit dem ja eigentlich so etwas wie ein Brevier beabsichtigt ist – noch viel mehr als in Franz Mons herzzero, das auch Brevier-Charakter hat für mich. Das ist, glaube ich, nicht so recht erkannt worden, daß hier einfach etwas aufgenommen wird, historisch, politisch, gesellschaftlich, aber auch von der Vorstellung, von der Phantasie her, das dann mit Hilfe einer Methode eingemauert wird, festgemacht wird, und sich dabei – scherzhaft oder auch ernsthafter – einer äußerlich gebliebenen traditionellen Methode bedient, nämlich der ständig wieder neu sich parodierenden Erzählform – so wie schon in Textbuch 6 äußerlich durch den Drucker eine Strophenform hergestellt wurde, die aber in der Textstruktur selbst nicht enthalten ist, die aufgesetzt ist, die aber damit spielt, daß das noch dasselbe ist.

Ramm: Aber trotzdem enthält ja auch D’Alemberts Ende, wenn man sich die Texte je einzeln und auf ihre Einzelheiten hin ansieht, starke Elemente von Reduktion. Die würde man, glaube ich, überall nachweisen können: in der Behandlung der Figuren, in der Art und Weise, wie die Quergespräche zusammengestellt sind, in der Reduktion des Materials der Quergespräche, in der Reduktion von bestimmten Erzählformen, etwa „Nachmittag eines Kapauns“ oder ähnliches. Also das Moment der Reduktion, an dem Du eben auch das Politische festmachen wolltest, ist ja nicht aufgegeben worden trotz der veränderten Einsichten.

Heißenbüttel: Aber vielmehr, als in allem vorher – außer vielleicht in einzelnen Stücken von Textbuch 5 – verbindet sich das Moment der Reduktion mit der Parodie. Aus diesem Grund habe ich ja damals – ich habe da wirklich lange überlegt – dieses Motto von Thomas Mann davorgenommen über die Parodie, weil in dem Satz bei Thomas Mann die Parodie verbunden wird mit dem Begriff des Halluzinatorischen: daß man nämlich jetzt, indem man so eine Bestandsaufnahme macht, auch eine neue Welt aus Sprache macht, die dann den, der das liest, versetzt in einen anderen Zustand. Da liegt, glaube ich, dieses völlig andere als bei den Textbüchern: dieser Versuch, mit Sprachteilen, die ja auch zum größten Teil nicht von mir stammen, doch keinen Zusammenhang herzustellen – der Zusammenhang ist immer scheinhaft und an der Außenseite –, aber einen Komplex herzustellen – einen Komplex, der in sich zusammenhält und nach ganz verschiedenen Seiten ausstrahlen kann.

Ramm: Erstaunlich ist ja, daß das in der Kritik oder in der Öffentlichkeit so gut wie gar nicht bemerkt wurde, daß da erst bei Deinem Projekt 3 gesagt wurde, jetzt macht er etwas ganz anderes, während Du ja eben gezeigt hast, wie anders D’Alembert schon gegenüber dem Vorhergehenden war.

Heißenbüttel: Ja, aber das liegt daran, daß das Reduktionsprinzip oder das Zitatprinzip oder das Collageprinzip und so weiter immer noch weiter vorangetrieben wurde. In den Hörspielen und den anderen Texten – Das Durchhauen des Kohlhaupts –, ist es ja so, daß da eigentlich manche Dinge am weitesten getrieben sind, weil es sich da im Grunde nur noch um die Bewegung von Textmassen handelt, die auch wiederum in ihrem statistischen Wert benutzt sind, die also zwar immer ein Thema haben, aber wo zwischendurch das Thema aus dem Auge verloren wird und die Dinge sich um sich selbst drehen und selbständig werden: wenn ein Dialog durchgenudelt wird durch verschiedene Permutationen, dann macht sich da etwas selbständig. Und das hat ja dann zu einem Ende geführt, wo es nicht weiterging.
Der erste Plan, den ich danach gehabt habe, war, das Brevier – das von D’Alemberts Ende – sozusagen aufzuknacken auf etwas, was auch drinsteckt, nämlich auf den autobiographischen Kern, der aber verschlüsselt bleibt, der völlig verschlüsselt bleibt, immer, und der auch nicht aufschlüsselbar sein soll, und jetzt etwas zu machen ohne Verschlüsselung und einfach mal loszuschreiben, direkt. Das habe ich 1976 angefangen und bin damit gescheitert; das hat bis zu 110 Seiten handschriftlich geführt – und nichts mehr. Von einem Seitenzweig her, nämlich von einem Beitrag für eine Anthologie, kam etwas ganz anderes: nämlich den Materialbegriff zu erweitern und als Material der Sprache nicht nur Syntax, Grammatik, aber auch die Vorstellung, die in der Sprache aufbewahrt ist, die Imagination und so weiter, sondern auch traditionelle Formen als Material zu nehmen: bestimmte Floskeln, bestimmte Erzählformen, auch bestimmte Inhalte, wo das Element der Parodie von Fall zu Fall immer stärker aufkommt.
Und dann habe ich eben angefangen, eine solche Art von Geschichten zu schreiben. Natürlich lag es da nahe, daß das leichter von der Kritik aufgefaßt werden konnte, weil da natürlich das, was witzig daran ist oder was offen Parodie ist, leichter auffällt – die Parodie in D’Alemberts Ende ist, glaube ich, niemandem aufgefallen (im dritten Teil ist sie ja auch immer vorhanden). Aber ich weiß auch nicht – da sind ja auch bestimmte Zwänge, daß die Kritik sehr leicht etwas sieht, was sie einfach sich selbst eingeredet hat, daß man da in einer Blickrichtung liegt und daß diese Blickrichtung ganz schwer umgebogen werden kann – und daß man das auch nicht aufbrechen kann.
Natürlich lag bei den drei Bänden, die ich dann gemacht habe, auch ein gewisser Spaß beim Schreiben darin, das immer wieder zu benutzen, zu umspielen oder dagegenzugehen und auch unter Umständen Quatsch mitzuschreiben. Dabei hat sich nebenbei noch etwas entwickelt: daß ich einige solcher Rumpferzählungen hatte, mit denen ich nichts anfangen konnte, und die habe ich dann immer weiter verkürzt und dann eine Standardformel hinten angehängt und sie dann Herbste genannt. Das hat sich aber eigentlich aus diesem Ansatz der Benutzung von traditionellen Formen als Material mit ergeben. Wobei man auch sagen kann, daß diese Herbste von der Tradition her so ein Zwischending zwischen Aphorismus und Anekdote sind, wobei im Lauf der Zeit das Aphoristische sich verstärkt hat. Das Anekdotische ist in Eichendorffs Untergang am stärksten; dann spielt es noch in Das Ende der Alternative eine Rolle, wo ich etwas anderes versucht habe, nämlich diese Kurzformen aus konkreten Zeitungsmeldungen herauszuarbeiten, wobei auch in der Herausarbeitung dieser konkreten Zeitungsmeldungen wieder ein Element ist, was schon in D’Alemberts Ende eine Rolle spielte, nämlich in den großen Gesprächskapiteln.
Na ja – und dabei steht es jetzt. Die Herbste haben sich in einer Weise verselbständigt und auch an punktueller Wirkung gewonnen, und die andere Seite ist, ob man jetzt diese Frage der Benutzung von traditionellen vorgeformten Sachen, also zum Beispiel von Redeformen aus dem 19. Jahrhundert, von Erzählformen aus dem 19. Jahrhundert mit verwenden kann, verbinden kann mit dem Begriff der grammatischen Materialverwendung, dabei aber gleichzeitig wieder Parodie-Elemente herauslösen kann: das heißt einerseits etwas machen, was witzig ist, aber auch etwas, was einfach nur banaler Quatsch ist – daß ich also in einer historischen, höheren Redeform, die aber als historische erkennbar ist – die ich zurechtgemacht habe, aber die zitierbar ist oder vom Zitat historischer Redeformen her kommt –, mir gar keine Mühe gebe, jetzt noch irgendwelche Erzählzusammenhänge oder etwas Plausibles zu machen, sondern Blödsinn. Das ist aber nicht geklärt für mich, das ist der Punkt, den ich jetzt überlege.

Ramm: Aber zugleich kommt in diesem Blödsinnmachen oder in diesem Spiel mit dem ganzen Material auch so etwas wie eine psychische Dimension von Deinem methodischen Zugriff viel offener an die Oberfläche (der für mich eigentlich in den Textbüchern auch schon sehr stark vorhanden war, nur nicht an der Oberfläche erkennbar). Wie würdest Du dieses psychische Moment im Methodischen sehen?

Heißenbüttel: Das, was ich jetzt gerade gesagt habe, wie keine Rücksicht mehr nehmen, ob es Quatsch ist oder banal, ist natürlich etwas, was vor allen Dingen in der neueren amerikanischen Literatur inzwischen verbreitet ist: Der Quatsch wird benutzt, um Tiefenschichten bloßzulegen, um irgendwo einzubohren, was drunter liegt – und dann auch keine Rücksicht mehr zu nehmen auf Tabuformulierungen oder Tabuverbindungen. Gleichzeitig gibt es eine größere Möglichkeit, kombinatorisch: man kann also mehr spielen, in die Breite, man kann von allen Seiten was heranziehen, man kann auch auf ganz verschiedenen Ebenen sprechen. Und psychologisch, psychisch, psychoanalytisch – alles spielt eine Rolle – dient es dazu, die Strukturen, die ja inzwischen durch konservative Psychoanalytiker oder durch konservative Gegner der Psychoanalyse schon wieder sich verfestigt haben, nochmal wieder aufzubrechen und da von Fall zu Fall wieder querzuschlagen und zu sagen, das ist jetzt Quatsch, was ich da erzähle, aber wenn man es zum zweiten Mal liest, dann wird einem vielleicht klar: da steckt ein Punkt, über den lohnt es sich nachzudenken – und dann kann man noch ein Stückchen weitergehen.

Ramm: Rückwirkend interessiert mich natürlich an solchen Überlegungen, daß ja eine ganze Reihe von Autoren, die solche Literatur ähnlich wie Du in den fünfziger Jahren gemacht haben, davon ausgegangen sind, daß das ja nun eine Literatur sei, die im Grunde einer ganz objektiven Zielrichtung verpflichtet ist und sozusagen die subjektive Dimension austreiben wollte aus der Literatur zugunsten allgemeinerer, objektiverer und auch gültigerer Sprechweisen. Ich habe allerdings Deine Literatur, im Gegensatz etwa zu der von Gomringer, nie als Versuche von Objektivierung oder etwas Ähnlichem verstanden. Wie steht es mit der subjektiven Dimension der Textbücher oder Deiner anderen Ansätze?

Heißenbüttel. Es steckte ein Versuch zu objektivieren drin, und da war für mich auch ein bestimmtes Verhältnis zu Gomringer zum Beispiel – nur war das nicht das ausschlaggebende Element. Denn wenn man es so macht wie Gomringer – und das ist bei ihm ja nun inzwischen auch eingetreten –, dann führt das nach einer Weile zu einer sozusagen objektivierten Innerlichkeit, und die kann man eigentlich nicht mehr ertragen heute. Das andere ist ja: es wieder offen zu machen; das Methodische zwar durchzuhalten, aber zu versuchen, es immer rauh zu halten, daß es sich nicht verfestigt. Ich glaube auch, daß es da heute zwei Richtungen gibt: die einen, die dogmatisch daran festhalten (was man aber auch genauso in den Ableitungen aus dem Konstruktivismus in der bildenden Kunst sehen kann), und das andere ist, daß man es offen hält. Ich würde zum Beispiel sagen, alles was Franz Mon in den letzten Jahren gemacht hat, gerade da, wo er auch in ein anderes Element gegangen ist, zum Beispiel ins Hörspiel und in musikalische Formen, zeigt genau dasselbe: das Nichtfestlegen, das Offenhalten, das Nichtdogmatischwerden. Aber das ist ja auch schon eine Banalität: daß manches noch so berechtigt und noch so gut sein kann zu seiner Zeit, aber bestimmt falsch wird, wenn es dogmatisiert wird.

Ramm: Nun kam ja außer der Dogmatisierung noch hinzu, daß in diesem methodischen Umgehen mit Sprache Parallelen zu positivistischer Wissenschaft oder zu einer kritiklosen Technik-Gläubigkeit oder zu Ähnlichem gesehen wurden. Wie würdest Du diesen Vorwürfen begegnen?

Heißenbüttel: Ich habe nichts gegen Positivismus in einer bestimmten Weise; ich bin drauf gekommen zum Beispiel durch Adorno, der nach einer Lesung sagte:

Jetzt habe ich es verstanden: Sie wollen erstens positivistisch sein und dann noch den Positivismus parodieren – aber das geht nicht.

Ich meine, Positivismus kann ja auf eine Weise heißen: antimetaphysisch und antitranszendent; und da ich überzeugt bin, daß Metaphysik als etwas Lebendiges historisch geworden ist, also nicht mehr greift heute, nicht mehr lebendig ist, kann man damit nichts anfangen.

Ramm: Das wäre eine Begründung für die materiale Komponente Deiner Literatur, aber das Positivistische geht ja über das Materiale hinaus: das, was Du eben über die Offenheit gesagt hast, wäre jedem gestandenen Positivisten ja ein Greuel.

Heißenbüttel: Ja, aber da ist für mich eben nach wie vor noch das Muster Ludwig Wittgenstein, der ja für den Positivisten Russell auch ein Greuel war, und den wieder andere Positivisten wie die positivistische Philosophie in England heute ja mißverstehen – das sind ja Mißverständnisse. Ich glaube, an Wittgenstein kann man sehen, wo der Positivismus, dieser Positivismus hingeht: er geht nämlich dahin, immer weiter die Sprache zu befragen. Und es ist ja auch schon seit längerem erkennbar und bekannt, daß, wenn man heute noch eine Art Transzendenz gebrauchen und einsetzen kann, daß sie dann nur da liegt, wo die Sprache als das letzte Transzendente erscheint. Das ist ja auch noch nicht völlig ausgedacht, was das nun am Ende bedeutet, aber, würde ich sagen, wenn das Positivismus ist, daß ich nur das anerkenne, was in der Sprache aufbewahrbar ist: „wovon man nicht sprechen kann…“ – ich will nun nicht die bekannten Sprüche alle wiederholen –, warum dann nicht, bin ich durchaus dafür, Positivist zu sein.

Ramm: Nur dieser konsequente Weg ins Offene, der ließe sich ja mit dem Positivismus nicht mehr vereinbaren, aber der zeigt, wenn man ihn von dieser Seite her betrachtet, daß das überhaupt nichts mit Beliebigkeit zu tun hat, dieser…

Heißenbüttel: Nein, nein. Ich glaube, der Unterschied, den man da machen müßte, ist, daß das Offene nicht etwas ist, was jetzt unversehens irgendwohin stürzen kann, sondern das Offene ist ja ein Versuch, das Methodische anzugleichen an die sich mit der veränderten Methode verändernden Verhältnisse: es ist ein Anpassungs- und Assimilierungsprozeß, der nicht abschließbar ist, weil wir nichts fest einmauern können. Dieser Angleichungsprozeß, dieser Assimilationsprozeß ist etwas, was nur die Literatur – und vielleicht die Kunst – heute leisten kann.

Ramm: Du hast ja des öfteren Literatur und Wissenschaft nebeneinandergestellt; wo würdest Du das Ähnliche und wo das Differente zwischen beiden sehen?

Heißenbüttel: Ähnlich eigentlich nicht – ich würde sagen, es sind Analogien vorhanden, die sich auf die Möglichkeit der Erkenntnis beziehen. Wissenschaft ist ja heute etwas sehr Komplexes. Nur ein Teil bezieht sich auf Erkenntnis, der andere Teil bezieht sich aufs Machen, und zwar schon fast in einem Sinne von mittelalterlicher Alchimie, nämlich immer teils wunderbarere, teils finsterere Sachen zu machen, zerstörerische Sachen. Diese Wissenschaft hat überhaupt keine Analogie in der Literatur, wohl aber die Wissenschaft, die sich um Erkenntnis bemüht. Auch da ist es ja offenbar so, daß in dem Moment, wo die metaphysische Grundstruktur endgültig nicht mehr zieht – also ich will jetzt mal so pauschal sagen: nach Hegel, Schelling, Schopenhauer und so weiter –, die Philosophie selber sich in Wissenschaft verwandelt. Die verschiedenen Leute, die für die Philosophie Gültigkeit haben – also ich nenne mal Frege als Erzpositivisten, Peirce auf der einen Seite, Freud auf der anderen Seite als die Nachfolger von Marx, Husserl mit allem, was danach kommt –, die haben sich alle als Wissenschaftler verstanden, und in diesem Sinne könnte man sagen, Teile der Literatur verhalten sich analog zu diesen Wissenschaften, phänomenologisch, psychoanalytisch, marxistisch, gesellschaftstheoretisch, politiktheoretisch und so weiter. Teils ist die Literatur auf ihre Weise aber auch so etwas wie eine Wissenschaft, und zwar in dem Sinne, wie auch wieder in einer anderen Wissenschaft, zum Beispiel im Strukturalismus, das wilde Denken apostrophiert wird. Oder: parallele Begriffe gibt es bei Benjamin und Brecht, was immer heißt, daß man nicht denkt in philosophischen Ableitungen, in logischen Ableitungen, sondern konkret, so daß eine philosophisch-wissenschaftliche Erkenntnis auch dann vorliegt, wenn man Anekdoten oder Parabeln oder so etwas erfindet. Aber auch, wenn man methodisch sich weiterbewegt.

Ramm: Wo steckt da die spezifische Erkenntnismöglichkeit für Literatur?

Heißenbüttel: Im Formulieren, in der Ausformulierung der Sätze, und die Ausformulierung hängt ab vom Methodischen. Ich glaube, daß Einfälle methodischer Art schon ein Erkenntnismoment haben. Aber wo die spezifische Erkenntnismöglichkeit der Literatur liegt, ist sehr schwer zu sagen, weil man natürlich nicht einfach übertragen kann und sagen, sie liefert Erkenntnis durch Ergebnis: dadurch, daß ich jetzt etwas schildere, erkenne ich etwas.

Ramm: Kurioserweise ist ja gerade eine solch zurückhaltende Literatur, die eben nicht durch Beschreibung Ergebnisse oder Erkenntnis vermitteln will, immer als avantgardistisch bezeichnet worden, also auch die, die Ihr gemacht habt seit den fünfziger Jahren – wenn überhaupt ein Begriff wie Avantgarde noch verwendet wird, taucht Ihr immer als Kronzeugen dafür auf.

Heißenbüttel: Ja. Der Begriff der Avantgarde gehört zu diesem ganzen Formelapparat, unter dem heute immer noch und eigentlich traditionellerweise die Entwicklung gesehen wird, und in der Entwicklung auch die Frage, welche Art Erkenntnis steckt drin über die Welt, in der wir leben. Aber der Begriff der Avantgarde hängt auch von dem linearen Geschichtsbewußtsein ab: daß man sagt, da ist etwas, was sozusagen als Vorposten schon bestimmte Positionen erkannt hat, und die anderen müssen es nachholen, und am Ende erreichen die Nachrennenden es überhaupt nicht, weil dann schon wieder ein neuer Vorwärtspunkt da ist.
Ich glaube, daß diese lineare Geschichtsauffassung heute nicht mehr zieht. Im Grunde ist auch eher Ratlosigkeit als etwas Neues vorhanden gegenüber dem, was jetzt da ist, und diese Ratlosigkeit kann natürlich sehr rasch beendet werden durch weltweite Katastrophen, dann wär das sowieso klar…

Ramm: … empirisch geklärt…

Heißenbüttel: … ja, empirisch geklärt. Dann wäre der Schnitt da, dann müßte man neu anfangen – wer weiß wo. Und das ist, glaube ich, eine der schwierigsten Fragen.

Schreibheft, Heft 67, September 2006

Helmut Heißenbüttel 

Die Schriften von Helmut Heißenbüttel werden, neueren Sprachbräuchen zufolge, experimentelle Texte genannt. Auch haftet an ihnen die Fiktion vom Labor: darin stelle sie her ein mathematischer Kopf, als Versuchsobjekte, an denen die Autonomie des sprachlichen Materials zu erproben sei. Nichts ist damit gesagt. Schreiben, weil seiner Wege und Ausgänge nie gewiß, war stets ein Experiment, oder dies Wort schweigt auch heute über das Entstehen von Literatur. An Geschriebenem aber, das mit Recht den Namen Text trägt, ist nichts zu erproben und zu beweisen. Dies Nennwort – seine unbedachte Ausbeutung macht vergessen, daß es einen Unterschied ausdrückt – steht für sprachliche Gebilde, die den Bereich der literarischen Gattungen kaum mehr berühren. Es demonstriert das Dilemma der Gattungen selber. Es trägt den Zweifel aus, daß den Begriffen von Gedicht, Erzählung, Roman, noch die Notwendigkeiten einwohnen, die solche Begriffe hervorgebracht haben. In seinen theoretischen Schriften, vor allem in den Voraussetzungen, hat Helmut Heißenbüttel von den Sondermodellen gesprochen, die von der Literatur, von ihrer Geschichte, bereitgestellt worden sind; was sie vertreten haben, sei immer nur die jeweils gegenwärtige Situation gewesen. So erinnert Heißenbüttel daran, daß, umgekehrt, die gegenwärtige Situation es ist, die diese historisch gewordenen Sondermodelle, diese jedem Schreiber verfügbaren Formen des literarischen Ausdrucks, in den Stand des Verfalls setzt. An diesem Prozeß ist nur die Phase neu, in die er, gegenwärtig, getreten ist. Dennoch bewahren die tradierten Formen und Gattungen ihre Fiktion, brauchbar, am Ende gar zeitlos zu sein. Indem sie noch immer den Vorgang des Schreibens kanonisieren, stehen sie im Kontrast zu einer Literatur, die ihre Erneuerung nicht länger herbeiwünscht, sondern versucht. Solches Versuchen freilich fegt keine Tische leer. Veränderungen, Zerstörungen, bedürfen der dauernden Reflektion auf das, was verändert, was zerstört werden soll. Ein Impuls, der zum literarischen Sprechen zwingt, ist nicht realisierbar auf geschichtsleerem Feld. Das Gegenüber der bestehenden Formen nötigt zu Aktionen, die diese Formen zur Auflösung bringen. Ihre Muster bleiben dennoch dem literarischen Bewußtsein eingeprägt. Besetzt von vorgebildeten Figuren, die es für seinen Ausdruck selber schon hält, gelingt ihm keine Artikulation mehr, der diese Figuren nichts vormachten. Das Beispiel eines Schreibens, das in lyrischen Kategorien ansetzt, ohne in ihnen zum Zuge zu kommen, bieten Heißenbüttels frühe Gedichte in den Kombinationen. Als Bruchstücke, wie er sie nennt, sind sie solche der ruinierten Kategorie. Es genügt nicht zu sagen, daß sie, im Vergleich zu den metaphorischen Kreationen aus den mittleren fünfziger Jahren, ungeschickt konzipiert, zusammengeklittert, mißlungen sind. Diese Gedichte sind Rückerinnerungen an Heißenbüttel Gedichte. Zitathaft ahmen sie nach, was den Impuls, der zum Sprechen drängt und der unerlöst aus dem Gesprochenen hervorgeht, nicht mehr deckt. In lyrischen Figuren sucht das dichtende Ich zu vereinen, was ihm zersprungen und isoliert erschienen ist. Schiefsitzende Bilder, Risse zwischen reflektierenden und benennenden Redeteilen, der Wechsel von heiler und gebrochener Syntax: dies sind Symptome, an denen der Widerstreit zwischen lyrischen Kategorien und dem sprechenden Ich abzulesen ist. Das Mißlingen dieser Gedichte jedoch kündigt das Neue an Heißenbüttels späteren Arbeiten an. In den Kombinationen und in einigen Gedichten der Reihen – beides sind gleich den Bruchstücken offengehaltene Zyklen – wird eine Methode erkennbar, die das Gesagte auf sich selbst und zugleich auf das richtet, was ihm sich entzieht. Die Landschaft der Wörter zeigt Kombinationen die der Erfindung entzogen sind. Heißenbüttel hält hier den Bereich, der zu formulieren geht, überschaubar, aber in engen Grenzen. Was unbekannt ist, es machten es auch keine verbalen Erfindungen bekannt. Zugänglich ist einzig ein sprachliches Repertoire, das nicht mehr Worte enthält, als die Erfahrung abgibt. All diese Sätze. Das Inventar der Gelegenheiten. Vergiß nicht. Gerede von Schallplatten. Das Gedächtnis von Tonfilmstreifen die abgespielt sind. Diese Passage umschreibt die Methode des Speicherns; sie hat ihr Modell in technischen Reproduktionsverfahren. Zitiert werden sie, um an ihnen die Verläßlichkeit und zugleich die Fragwürdigkeit dieser Methode – dieser Erfassensweise – einsichtig zu machen. Und die Fragen sind die Sätze die ich nicht aussprechen kann. Und die Gedanken sind die Vögel die wegfliegen und nicht wiederkommen – lautet der Fortsatz. So: durch die Kombination des einen mit dem anderen, vermittelt Heißenbüttel zwischen dem formulierbaren Bereich und jenem, den seine Erfahrung nicht durchschritten hat. Indem er fixiert, was sich nur fixieren läßt, umreißt er zugleich, was außerhalb seines Repertoires bleibt. Jedes Wort wirft einen Schatten auf den Bereich, in den es nicht dringt. Aus jedem Satz kommt der Widerschein dessen, was er nicht sagt.
Die Frage, was sich sagen läßt, ist zugleich die Frage, was sich erfahren, was sich erkennen läßt. Sie stellt sich in allen Schriften von Heißenbüttel, ohne daß sie zur Ruhe käme. Denn Schreiben hat hier vor allem den Sinn, im Wort die Wirklichkeit erkennbar zu machen. Was zum Schreiben führt, ist weniger eine literarische Ambition, als eine Ratlosigkeit vor Geschehnissen, die ihrer Bestimmbarkeit zunächst sich entziehen. Vertrautes selbst ist fremd; das Vorverständnis der Wirklichkeit vermittelt nur eine Fiktion von ihr. Nichts weiß Heißenbüttel im vorhinein zum Bild zu sagen, das von der herrschenden Realität vor unseren Augen steht. Was sie zuerst hervorruft, ist sein Orientierungswille. Topographie heißt zu deutsch: Orts- beziehungsweise Lagebeschreibung. Indem er seinen zweiten Band Gedichte Topographien nennt, scheint er diese Gedichte als Beschreibungen auszugeben. In Wahrheit sind sie Versuche, innere und äußere Schauplätze erst beschreibbar zu machen. Bekanntes wird dabei nicht im Stande seiner Reproduzierbarkeit belassen. Es wird variabel gehalten oder Rekapitulationen unterworfen, und zwar in einer Weise, die das Bekannte verändert und fremd macht: ein kritischer Vorgang. Gleichen Sinn hat das tautologische Sprechen, das Heißenbüttel gelegentlich übt. Wessen es sicher wird, ist bloß der Schein von Identität, der an den Gegenständen haftet, und dessen Verdoppelung den Schwund der Identität evident macht. Ähnlich zu verstehen ist die Besetzung seiner Schriften mit Zitaten und Redewendungen: das schon Vermittelte, das Unauthentische, indem es noch einmal vermittelt wird, gibt seine Bedeutungen preis, seine Beziehungen; es gewinnt an Leere, deren Rekapitulation sie wiederum mit Bedeutungen auffüllt. Rekapitulierbares dies ist mein Thema: lautet programmatisch eine Zeile, die zweimal wiederholt, in die Wendung sich öffnet: nicht Rekapitulierbares. Ein Gedicht, das so endet, führt – entgegen einer verbreiteten Ansicht – kein Schreiben auf totes Geleise. Noch jede Arbeit Heißenbüttels demonstriert, daß Schreiben heute sein wortloses Verhalten, seinen stummen Fortsatz, sein Verschwinden implizieren muß: nur so, wird ein Dementi des Schweigens möglich und die Zukunft des Schreibens offengehalten. Rückzüge ins zunftbedachte Handwerk oder Fluchten in die artistische Kapriole erlösen Literatur nicht mehr von ihrem immanenten Gebot, sich selber aufs Spiel zu setzen, um ihrer Chancen inne zu werden. Es geht dabei am wenigsten um bloßen Fortschritt. Es geht darum, das subjektive Erkenntnisverlangen einzulösen und Licht ins verstörte Bewußtsein zu bringen. Davon kündet Heißenbüttels Schreiben. Sein aufklärender Zug tritt deutlicher noch in der Prosa hervor. Sie erscheint nicht in Verkleidungen, die erzählensrecht staffierten, was sie thematisch bewegt. Sie schildert keine Vorgänge, die solche der äußeren Wirklichkeit imitierten. Die Spuren von Anekdote, die Heißenbüttels Prosa noch abzulesen sind, führen in den Verlust des Erzählbaren. Im Textbuch 2 steht eine numerierte Folge von Sätzen, die ironisch den Titel trägt: Roman. Was der Text, der dieser Spezies nicht ferner sein kann, gleichwohl daran aufdeckt, ist jener Mummenschanz der Fiktionen, der das erzählerische Ich zum Objekt seiner Maskierungen macht. Ich erzähle nicht. Ich werde erzählt. Während ich erzählt werde erzählt sich das zu Erzählende. Heißenbüttels Prosa zieht es dagegen vor, Erfahrungen nicht anders zu demonstrieren, als die Wirklichkeit ist, die sie bestimmt. Denn Wirklichkeit ist gleich meiner Erfahrung: heißt es im „Mittwochsgespräch“, welcher Text das Heißenbüttel Übereinstimmen von Wirklichkeit und Erfahrung, subjektiver wie allgemeiner, gleichwohl in Frage stellt. Stets jedoch gibt die Erfahrung den Einsatz. Sie stellt die Zustände, Bewegungen, Situationen, Vorgänge, Lagen und Typen bereit, die in dieser Prosa ins Wort gesetzt sind. Die registrierenden und berichtenden Momente darin täuschen nicht drüberweg, daß in diesen Prosastücken Tastvorgänge stattfinden. Der Gegenstand des jeweiligen Textes ist selten so eindeutig, daß er seine verbindliche Formulierung zuließe. Einige Stücke nur – zum Beispiel der populäre Wassermaler, mehr aber noch Ein Zimmer in meiner Wohnung und Ich der Ermordete – werden von Einfällen bestimmt, die sie von Anfang bis Ende tragen. Hier weiß die Beschreibung, was zu beschreiben geht: modellhafte Situationen, denen eindeutige Erfahrungen des Schreibers abzulesen sind. Die Verbindlichkeit solcher Stücke steht freilich im Kontrast zur Anonymität dessen, worauf Heißenbüttel seine Recherchen richtet. Diese Anonymität verbietet Lokalisierungen, die ihre Ausdehnung, ihre namenlose Macht, leugneten. Dies ist die Art von Ding in der ich drin bin und ich weiß nicht was das für ein Ding ist: heißt es im Traktat, der die Lage realistisch beim anonymen Wort nimmt. Denn das Wort Ding zieht in sich zusammen, was in Begriffen nicht faßbar wird, was seiner Identifizierung stets widerspricht. Ding: das könnte vieles heißen: Land, Gesellschaft, Bürotrakt, Straßenbahn, Party, Partei – wäre an solchen öffentlichen Phänomenen das Besondere, das in seiner Individualität Erkennbare, nicht von vornherein kassiert worden von jenem aktuellen Prozeß, der das Besondere zum Ding macht, zum tauschbaren Bestandteil des eingerichteten Lebens. Scheinhaft, in den Verallgemeinerungen des Textbuches 3, zeigen Texttitel wie „Bildzeitung“, „schwarze Johannisbeeren“, „Hutmacher“, „Bienenvater“, auf Besonderes hin, das in den Texten selber nicht zu Wort kommt. Denn was diese, hypothetisch oft, darstellen, sind Bewegungen, Relationen, Gruppierungen, die nichts enthalten, was den besonderen Fall meint. Dennoch reflektieren sie Verhaltensweisen und Verhältnisse, deren Modelle in der gesellschaftlichen Realität zu suchen sind. So gilt nicht der mögliche Einwand, eine solche Literatur sei bar aller Kritik, trotte gar mit im Zug der Zeit. Heißenbüttel gibt bloß nicht vor, eine außerordentliche Position innezuhaben, die ihn zu kritischen Wahrsprüchen berechtige. Seinen Schriften allen ist Kritik implizit. Ihre Beschaffenheit selber macht sie untauglich zu jeder Solidarität. Sie halten auch kein Gehäuse mehr offen fürs räsonierende Ich. Weil eingewickelt in Maschen aus Meinung und Sprichwörtern und all solch Nachschleifendem, wird es nicht anders begriffen als die Realität, deren Teil es geworden ist. Das Subjekt, das aus Heißenbüttels Prosa spricht, steht nicht außerhalb dessen, was es erfährt. Sie haben mich konserviert und verbrauchen mich: sagt Ich der Ermordete. Wohin es schließlich mit der Unterscheidung von Subjekt und Objekt gekommen ist, sagt nicht dringlicher die Politische Grammatik: Verfolger verfolgen die Verfolgten. Verfolgte aber werden Verfolger. Und weil Verfolgte Verfolger werden werden aus Verfolgten verfolgende Verfolgte und aus Verfolgern verfolgte Verfolger. Und so fort. Hier, am Beispiel politischer Praxis, die nicht sonderlich unterschieden sein muß von jeder anderen, die das Individuum zum gesichtslosen Bewegungsobjekt macht, hier, in der Sprache, demonstriert Heißenbüttel die zusammengeschmolzene Welt, in der Eins das Andere nicht kennt und doch bedingt; in der es die Unkenntlichkeit ist, die Gesichter und Namen trägt und tauscht.
Der Erfahrung solcher Unkenntlichkeit möchte es die Sprache verschlagen. Helmut Heißenbüttel indessen ratifiziert in der Sprache, was seine Erfahrung ihr aufgibt. schwarze Wand Dunkelfach Dunkel flach Schwarzfach Wand flach Flachtuch Flachfetzen Wortlefzen Wortstelzen Sprung: Sprung Sprünge im Zuen Zungensprung eingesprengt eingeschwemmt Haftsprung einzuspringen zerspringen zu entsprengen verlassen : verlassen alles Allesverlassenheit Schwarztusch Entsetzen: Denaturierung Exzeß: zungensprang zungenschloß zungenspliß spleißen zerspleißen zerschleißen zerschlissen zer : ver : ent : zer – : so lautet Folge IV der „Einsätze“ im Textbuch 1. In diesem Text – und ebenso in „Cinemascope und „Achterbahn“, oder in den „Evergreens“ des Textbuches 3 – hat Heißenbüttel vollends mit den formalen Kategorien gebrochen. Rückblickend ist zu erkennen, daß in seinen Gedichten und Prosastücken diese Schreibweise, blind noch, sich vorbereitet hat. Die veränderten Erfahrungen der zeitgenössischen Realität liegen ihr je schon zugrunde. Was dieser Schreibweise jedoch bislang entgegengestanden hat, ist das System der Sprache selber gewesen. Es steht, seit es Werke der modernen Literatur gibt, in Frage. Theoretisch, wiederum in den „Voraussetzungen“, hat Heißenbüttel einsichtig gemacht, wie die Interpretation der Wirklichkeit vom Grundmodell unserer Sprache, das auf der syntaktischen Verknüpfung von Subjekt – Prädikat – Objekt beruhe, bestimmt worden ist: Dieses Grundmodell besagt, daß die sprachliche Auseinandersetzung mit der Welt unter der Voraussetzung geschieht, daß es immer etwas gibt, auf das sich alles bezieht, und etwas anderes, das diesem Bezugspunkt gegenübersteht, beides aber in Form von Aktions- und Verhaltensweisen miteinander verbunden ist. Stets wird dieses Beziehungssystem variabel bleiben und zur täglichen Verständigung die notwendigen Stützen, Rückhalte und Formeln bereithalten, ohne daß aufs Sprechen selber reflektiert zu werden brauchte. Dies wäre ohnehin eine Übung, die, öffentlich durchgeführt, der Welt nicht lange ihre herrschenden Ordnungen lassen würde. Mit einer Literatur jedoch, wie Heißenbüttel sie weiterführt, kommt ein Bewußtsein zum Zuge, das die gegenwärtige Wirklichkeit anders erfahren hat, als sie im geschichtlichen System der Sprache erscheint. Diesem Bewußtsein haben schon die literarischen Sondermodelle der Sprache nur auf Widerruf dienen können; der Prozeß jedoch, in den diese hineingezogen sind, gilt schließlich der Sprache selbst. Was immer noch sie leistet: dem zeitgenössischen Schreiber hält sie mit ihren Möglichkeiten zugleich die Fallen offen, dahinein diese Möglichkeiten führen. Denn, indem sie nur solche Verhaltensweisen vorschlagen, die unters herrschende syntaktische Gesetz fallen, prädisponieren sie den Schreiber für Aussagen, die seine Erfahrungen nicht decken. Seine Rede führt ins Übereinkommen, nicht aber ins wahre Verständnis der Wirklichkeit. Das Dilemma, in welches er also gerät, wird weder vom Schweigen gelöst noch vom Ruf nach Revolution. Heißenbüttel sucht keine Lösung. Aber er läßt dieses Dilemma wirksam werden, auf eine Weise, die ihn vor Restauration oder Veranstaltungen außerhalb der Sprache bewahrt. In den Einsätzen etwa demonstriert er den Zerfall des syntaktischen Gefüges und zugleich das Ergebnis, das dieser Zerfall hervorbringt. Die Energie, die solche Zerstörung braucht, treibt zugleich die Relikte und Splitter zu neuen sprachlichen Kontaminationen. Durchaus nicht bedeutet hier Schreiben das Operieren mit einem linguistischen Rohstoff, der im Lexikon lagerte, kalt oder heiß; vielmehr läßt sich Schreiben sowohl mit sprachlichen Vorformen ein, die es aufschlägt, als mit den Elementen, die es darüber gewinnt. So schleifen in Heißenbüttels Wortketten, die oft der puren Artikulation entspringen, stets noch Erinnerungen mit, die vom Einst der syntaktischen Wendungen zeugen. Grammatische Teile, ihrer Funktion beraubt, halten die Rede offen, anstatt sie in ihre alten Kanäle zu leiten. Freigesetzte Objekte, ohne daß sie ein Satzgefüge dirigierte, schließen sich zu Dinggruppen, die nun vollends ihre Bestimmbarkeit vereiteln. Die Worte selber halten sich an ihren Klang, an ihren materialen Reiz; zugleich geben sie zu, was daran vernutzt und schäbig ist. Das Stroh ihrer Bedeutungen macht sie leicht; schwer beweglich machen sie ihre Schäden. Keiner dieser Schreibvorgänge wird inhaltlich abgeschlossen; seinen jeweiligen Zusammenhang bestimmt das Bewußtsein für die Dauer, in der es spricht. Dagegen ist die Rede von der Autonomie solcher Literatur, von der Auswechselbarkeit ihrer sprachlichen Bestandteile, von der selbsttätigen Mechanik dieser Schreibe nicht wahr. In Heißenbüttels fortgeschrittenen Texten verläuft eine jede sprachliche Bewegung in einem Kurs, den die Erfahrung kontrolliert. Das Wohin und Woher mag dabei unbestimmt bleiben; in diesem Textbereich, den die Sprache passiert, wird jedes Wort seiner Verluste, seiner Ambivalenzen, seines Alters, seiner Leere, seiner Erneuerung inne. Für die Zeit, die der Text zu seiner Entstehung und zu seiner Wahrnehmung braucht, leuchtet seine Sprache auf; und was in ihrem Lichtfeld erscheint, sind sowohl ihre eigenen Schritte, Aktionen und Provinzen, als die Zonen des Wirklichen, die sie berührt. Dieses Erhellen gibt Heißenbüttels sprachlichen Unternehmen den Sinn. Sie brechen die kommunikativen Beziehungen nicht ab. Sie vermitteln zwischen Lärm und Stummheit, zwischen der Realität und dem Bewußtsein. Sie demonstrieren den Stand einer Literatur, die ihre Sackgassen zerstört hat. Helmut Heißenbüttel ist auf den Trümmern nicht sitzen geblieben. Seine Erfahrungen erneuern sich jeden Tag. Sie arbeiten seinen kommenden Schriften vor.

Jürgen Becker, aus Schriftsteller der Gegenwart. Dreiundfünfzig Porträts. Herausgegeben von Klaus Nonnenmann, Walter-Verlag, 1963

 

Thomas Combrink: Keine Elite, keine Auserwählten, keine Bescheidwisser. Über Helmut Heißenbüttel, Merkur, Heft 697, Mai 2007

 

AUS WÖRTERN EINE WELT
Für Helmut Heißenbüttel I

Aus Wörtern eine Welt. Es stiftet das Gelände,
erahntes Jeverland, zitiertes Wilhelmshaven,
dem Analytiker, dem strengen Topographen
grammatische Textur, syntaktische Legende.

Er spricht. Der Ingenieur zieht auf die große Blende:
es rauscht im Äthermeer, wo sich die Wellen trafen
des neuen Radio, des alten Telegraphen,
und niemand hindert mehr den Sender, daß ers sende.

Er meidet die Chaussee, den Rilkepfad, den Stormweg,
er geht im freien Feld, er spricht mit Heinrich Vormweg
und wendet seinen Schritt zur Donizettistraße.

Dort setzt er sich zu Tisch zu seinem Leibgerichte,
schreibt eine Rezension zur Detektivgeschichte
und hört Barockmusik zu seinem eignen Spaße.

Ludwig Harig

 

 

Heinz Ludwig Arnold: Meine Gespräche mit Schriftstellern

 

Zum 60. Geburtstag des Autors:

Jörg Drews: Weil der Versuch die einzige Gewähr ist
Merkur, Heft 397, Juni 1981

Zum 100. Geburtstag des Autors:

Ulf Stolterfoht: Wie ich Helmut Heißenbüttel einmal fast begegnet wäre
Stuttgarter Zeitung, 18.6.2021

Peter Mohr: Poet im Sprachlabor
literaturkritik.de, Juni 2021

Willi Winkler: Erschreckend modern
Süddeutsche Zeitung, 20.6.2021

Paul Jandl: Die deutsche Sprache kam ihm immer spanisch vor
Neue Zürcher Zeitung, 21.6.2021

Beate Tröger: Ein Radikaler
der Freitag,  2.7.2021

 

 

 

„Sage ich Du zu mir oder Sie?“ Happy Birthday Helmut Heißenbüttel! am 26.6.2021 im Literaturhaus Stuttgart

Fakten und Vermutungen zum Autor + KLGIMDbFacebook +
DAS&D + Georg-Büchner-Preis 1 & 2 + Archiv 12 +
Internet Archive + Kalliope
Porträtgalerie: Autorenarchiv Isolde Ohlbaum + Keystone-SDA +
 Brigitte Friedrich Autorenfotos

 

Bild von Juliane Duda mit den Texten von Fritz Schönborn aus seiner Deutschen Dichterflora. Hier „Heißenbüttelose“.

 

Fernsehdokumentation von Urs Widmer aus dem Jahre 1967 über den experimentellen Schriftsteller Helmut Heißenbüttel (1921–1996). Der Titel: Zweifel an der Sprache. Helmut Heißenbüttel, ein Portrait.

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