Münchner Reden zur Poesie

Mashup von Juliane Duda zu der Kategorie „adhoc“

adhoc

Mit dem Umzug des Münchner Lyrik Kabinetts im Frühjahr 2005 in den eigenen „Gedichtneubau“, wurde auch eine klassische Buch- und Veranstaltungreihe von Ursula Haeusgen und Frieder von Ammon ins Leben gerufen: Die Münchner Reden zur Poesie. 12 erhabene Hefte sind bisher gedruckt und 13mal wurde auf Facebook eingeladen. Ann Cottens Beitrag Lyrik als naher Felsen ist noch nicht erschienen. Wir werden nach und nach in eigenen Artikeln Auszüge dieser Reden vorstellen. Wer sie ungekürzt im Originalton hören will, sei auf poetenladen.de verwiesen. Auf der angenehm übersichtlichen Seite sind  sie  abhörbar. Leider gibt es ab 2010 keine Fortsetzung. Die Zusammenarbeit von poetenladen.de und Lyrik Kabinett sollte wieder aufgenommen werden.

Das Selbstverständnis der Herausgeber

definiert sich in jedem Heft so:

Warum Reden?
Als Ergänzung zu ihren Dichterlesungen bietet die Stiftung Lyrik Kabinett seit 2005 ein Forum für die historischen, ästhetischen, theoretischen und poetologischen Positionsbestimmungen der Poeten, will Kompaß sein für ihr Navigieren auf stolzen Schiffen im unabsehbaren Ozean der Literatur (auf dem auch die Bergungsboote von Kritik und Wissenschaft umhertreiben). Tatsächlich Reden: und nicht etwa Vorreden, Traktate oder Essays – „dramatische Akte“ also zwischen dem Redner und seinem Publikum, durchaus in der Tradition von Goethes Frankfurter „Rede zum Schäkespears Tag“ von 1771, die alle Regelpoetik wegfegte, in derjenigen von Schillers 1784 in Mannheim gehaltener Rede „Was kann eine gute stehende Schaubühne eigentlich wirken?“, und auch in der Tradition Rudolf Borchardts seit seiner Göttinger „Rede über Hofmannsthal“ von 1902. Mit Gottfried Benns Marburger Rede „Probleme der Lyrik“ von 1951 und Elias Canettis Münchner Rede „Der Beruf des Dichters“ von 1976, mit der Büchner-Preis-Rede Paul Celans und den Frankfurter-Vorlesungsreihen Ingeborg Bachmanns und Ernst Jandls hat sich eine Form etabliert, die es lebendig zu halten gilt. Denn nur in der öffentlichen Rede läßt der Autor seine Zuhörer am Prozeß seiner Poesie unmittelbar teilhaben – und an sich selbst, innerhalb und außerhalb der ihn umgebenden, ihn lähmenden oder inspirierenden Gemeinschaft.

Warum (nur) zur Poesie?
Und nicht zur Literatur in ihrer Gesamtheit? Weil für die Lyrik als einem Randphänomen des Randphänomens Literatur die Notwendigkeit der Selbstvergewisserung in einem besonderen Maße besteht.
Als „Muttersprache des Menschengeschlechts“ (Johann Georg Hamann) ist sie die Kerngattung aller Literatur, „die höchste Form menschlicher Rede in jeder Kultur“ – „die einzig verfügbare Versicherung gegen die Vulgarität des Herzens“ (Joseph Brodsky). Als solches kommt ihr eine grundlegende und übergreifende Bedeutung zu.

Warum in München?
Diese Stadt steht synonym für den Aufbruch der Moderne um 1900, mit so extremen Polen wie Stefan George und dem Kabarett der Elf Scharfrichter, der Vollendung des hohen Tons also und der Meisterschaft der leichtgeschürzten Muse, der Verachtung alles Etablierten und der Aufmüpfigkeit gegenüber allem Hergebrachten. Könnte es einen Ort geben, der dafür geeigneter ist als das Münchner Lyrik Kabinett? Hier hat man sich der Poesie aller Zeiten und Regionen verschrieben und öffnet ihr seit fünfzehn Jahren die Räume – geradezu symbolisch in der topographischen Lage zwischen Universität und den Schwabinger Künstlerkneipen, inmitten also von Gelehrsamkeit und Kreativität. Dieses im Grunde undenkbare „Haus für Gedichte“, wie Martin Mosebach es bei der Eröffnung des neuen Gebäudes im März 2005 genannt hat, ist ein utopischer Nichtort – als Ort für die Poesie genau das Richtige.

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