Parujr Sewak: Poesiealbum 223

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Parujr Sewak: Poesiealbum 223

Sewak/Mrkttschjan-Poesiealbum 223

IM KLEINEN OHR DES GROSSEN KAMELS

Vor langer Zeit war es, weit
Vor uns, daß Leute, die keiner mehr kennt oder
aaaaanennt,
Sich in Gedanken und Polster versenkten, um zu
aaaaabefehlen:
Dies hat einer zu tun,
Das hat keiner zu tun,
Dies gilt als wahr,
Und das ist verwerflich ab nun, −
Irgendwer setzte die Rangfolge fest,
Nach der sich die Ehre, die Pflicht nennen läßt…

Und auch heute gehen wir unbewegt
Durch dieses Museum des Unsinns, und wenn
Wir auch unsre Kleidung schonen – unentwegt
Reißen wir die Seelen uns wund
Und haben in ihrem Grund
Schon zu ertragen ein unerträgliches Ding
Wie spitze Steine in unseren Schuhn,
Wie Splitter unterm Fingernagel.

In späteren Jahren noch läuft
Ganz in der Schallspur, am Schallplattenrand
Solch eines Lebens Abtastsystem
Nur immer im Kreis der alten Platte
Und quält das alte Lied, das zu lange bekannt,
Noch länger verfasserlos ist. Ungenannt
Bleibt, die dahinter steht,
Und scheint unanfechtbar: die Autorität!

Und eine unsinnige
Überaus seltsame Lust wie ein Brand
Flammt in mir auf
Und treibt mich am hellichten Tag:
Ich möchte (und das an eurer Stelle) jetzt
Nicht mehr grunzen, blöken oder schnurrn,
Sondern wie ein Tiger durchdringend brülln
Und wenn’s sein muß beißen auf Granit
Oder in den Tisch, daß er zerfetzt.
Nein, ich hab kein Mitleid, ich verachte nur
Jene Tiere, die, dem Unglück ausgesetzt,
Noch die Haustiermarken wie Medaillen tragen
Und das Brandzeichen als Rang des Generals.
Aber dazu sage ich:
Brandmale sind Schandmale allemal!
Ihr bevorzugt das gewaltige Kamel?
Aber ich zieh vor, und ganz im Ernst,
Die Maus, die Ratte sogar,
Die nicht zahm geworden sind bis auf den Tag…

Und fühlt ihr euch im schönsten Schlaf entsetzt,
Weil Ratten durch ihn wimmeln,
Dann überlegt im Hochfahren, ob es sich
Lohnte, jahrhundertelang der Zeit zu entfliehn:
Zu schlafen im kleinen Ohr des großen Kamels…

Übertragen von Wilhelm Bartsch

 

 

 

Er liebte die Heimat

nicht nur mit der Liebe des Sohnes sondern auch der des Herrn; vielleicht erklärt sich damit auch der Beigeschmack von Bitterkeit in vielen seiner Gedichte. Ungewöhnlich stark empfand er sich als untrennbarer Teil seines Volkes und fühlte sich deshalb weniger als alles andere zur Duldsamkeit geneigt, wenn ihm in seinem geliebten Volke etwas nicht so erschien, wie es sein sollte.

Wasgen Petrosjan, Verlag Neues Leben, Klappentext, 1986

Parujr Sewak

ein feinfühlig denkender, ein philosophischer Poet. Er ist kompliziert, aber nicht vorsätzlich komplizierend, ein Neuerer, aber nicht ultramodern, er besitzt einen originalen Geschmack, nie verläßt ihn das Gefühl für das Maß.
Möglich, daß dies von seiner „antiken Intuition“, seiner angeborenen Kultur herrührt. Sewak – ein Sänger des Gedankens, der Freiheit und der Menschlichkeit.

Eduardas Mieželaitis, Verlag Neues Leben, Klappentext, 1986

Parujr Sewak

Diese Gedichte entführen nicht in das Wunderreich aus Tausendundeiner Nacht, doch ist die orientalische Kultur dem Armenier Parujr Sewak vertrauter Boden. Und wie um den Preis des eigenen Lebens scheinen seine Gedichte geschrieben: in ihrer rastlosen Wahrheitssuche, ihrem drängenden Ernst, ihrem Stolz. Faßt seine Dichtung den Moment, so trägt sie den Aufbruch vergangener Generationen in sich und hat ihren Ursprung in der Frage nach dem Woher und Wohin. Sein hochgestimmtes Lied ist ganz irdisch, ganz gegenwärtig, und nur einem Wunder zollt es Tribut: dem Menschen, der sich zur Freiheit und Würde erhoben hat.

Aus: Kerstin Hensel: Poesiealbum 222, Verlag Neues Leben, 1986

 

 

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