Verlag Blaue Äpfel

Verlag Blaue Äpfel

Mashup von Juliane Duda zu der Beitragsserie „Im Delta der Lyrikverlage“

Im Delta der Lyrikverlage

Will ein Teil der hier vorgestellten Verlage eher der Subkultur zugerechnet werden? [Die Frage, ob es noch Sinn macht, in den 1960/70er Jahren demonstrativ getrennte Strömungen wie Mainstream (Establishment) und Subkultur (Underground) im Delta deutschsprachiger Lyrikflüsse zu isolieren, ist so verzwickt geworden wie die Grenzziehung zwischen Begriffen wie Moderne, Avantgarde/n, Post- und Postpostmoderne. Dennoch will ich die anachronistische Frage wenigstens in den Raum stellen. In Kaltland Beat (Ithaka, Stuttgart 1999) gibt es übrigens eine Reihe stimulierender Klärungsversuche.] In Zeitungsartikeln und Buchhandlungsregalen werden Sie jedenfalls auch die originellen (in wohlfeilen Normal- und exquisiten Vorzugsausgaben publizierten) Bücher aus Michael Groschopps Magdeburger Verlag Blaue Äpfel kaum finden. Unter den mit Bildern oder Grafiken bereicherten Lyriktiteln, die der Verlag mit dem bildschönen Namen seit 1994 herausgebracht hat, findet sich mit Holger Benkel z.B. ein sehr ernster Dichter, dessen u.a. durch den versierten Zeilensprung bewirkter dichterischer Duktus in kindheit und kadaver (1995) bemerkensWERT ist. Kein Mainstream und Lyrik – also kaum verkäuflich? Viele Menschen scheuen den Umgang mit zeitgenössischen Gedichten, erwarten vormoderne „Verständlichkeit“. Die Magie des Wortes (nicht nur) im Frisiersalon legt Ralph Grüneberger in Dieselbe Strasse, ein anderes Land (1996) frei. Der nichts beschönigende Titel Sackgesicht (1997) sagt bereits alles zu den süffig-herben, robust zupackenden Parlando-Gedichten von Dirk Bierbaß – genauso wie der plastische Titel Sandspuren (1995) von Rita Linkes Buch feinkörnige, kristalline Gedichte ahnen läßt. Keiner dieser aus dem Verlag Blaue Äpfel vorgestellten Gedichtbände ist nach 2000 erschienen. Ich habe mich bei der erneuten Lektüre gefragt, ob diese Bücher heute anders geschrieben würden, ob sich beispielsweise die Prosodie verändert hat. Nein, stelle ich fest, der Sprung über die Jahrtausendmarke ist der poetischen Sprache und Thematik nicht anzumerken. [Was bedeuten schon fünf oder zehn Jahre für die Lyrik, zumal in einer Zeit, in der es im deutschsprachigen Raum keine einschneidenden gesellschaftlichen Veränderungen gegeben hat?] Je weiter wir zurückgehen, um so größere Zeitabschnitte komprimieren wir auf einen einzigen Begriff. Im Falle von Sackgesicht muß ich allerdings sagen, daß ich diesen Band stärker und durchweg überzeugender finde als den nach 2000 von Dirk Bierbaß publizierten, den Sie in Ameisenjagd finden.

Erschienen in: Theo Breuer – Aus dem Hinterland, Edition YE, 2005

 

Fakten und Vermutungen zum Autor und Buch + Würdigung

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

0:00
0:00