RUMOR
es liegt mir auf der zunge, das will heißen
noch kann es zünden, eh ichs ganz vergesse
ich weiß nicht was, ein etwas heißes eisen
glimmt auf im fast erloschenen interesse
für wortgefechte einen vers zu schmieden
wie stichfest oder doppelschneidig auch
was ich ersinne zwischen drei vier zügen
fällt mit der asche oder führt im rauch
den schatten eines flüchtigen beweises
daß ich noch bei der sache bin zu nichts
ich qualme für die quadratur des kreises
die glut entfacht im radius des gerüchts
den block der finsternis in meiner hand
für eine grelle mich verkohlende betrachtung
‚der rote faden, ist er endlich abgebrannt?
wer lichtet jetzt die gräserne umnachtung‘?
es liegt nur an der zunge, soll das heißen
es mündet eben dort, wo’s auch entspringt?
vielleicht läßt sich die sonne nicht begreifen
vielleicht ist es der herzschlag der uns linkt
treten uns in der Maske des Janus entgegen, der des alten römischen Gottes, dem es gegeben ist, gleichzeitg noch in die Vergangenheit zurückzuschauen, wie ihm bereits der Blick in die Zukunft gestattet ist, während er selbst sich in der umstrittenen Gegenwart befindet.
Der Autor hält kenntnis- und erfindungsreich noch enge Tuchfühlung zur deutschen Lyrik von der Klassik bis zur Moderne zwischen Scheerbart und Benn; aber er weiß natürlich, daß ihm so zu sprechen eigentlich verweht ist, weil er aus einem ganz anderen Daseinsgefühl heraus ganz anders empfindet und denkt. Er nimmt also die guten alten Versatzstücke her. „Opas Metrik“, die schöne Strophe, das „kreuzbrave Gereimtsein“ – um sie akkurat mit ihren Mitteln ans Kreuz oder ihnen auch nur ein kritisches Schnippchen zu schlage. Er schaut sich sozusagen beim Verseschreiben selbst bedenklich oder ironisch über die Schulter, „um das interesse an der kunst per überschematisierung zu konkretisieren“; es gerät ihm zum heiteren oder bösen Spiel, aber plötzlich – und nun weiß man nicht, ist das noch bewußt oder ihm selbst unerwartet – ergreifts ihn und uns, denn er zeigt uns sein offenes, betroffenes Gesicht:
in den erfahrungsräumen ist der ofen aus
Ihm gelingen da Gedichte, die, scheinbar noch in literarischer Maske daherkommend, die ganze Skala der kaum auf schlüssige Begriffe zu bringenden gesellschaftlichen Konfliktlage treffen – „zeichen, daß der gesamten einheimischen ‚letterlage‘ eine empfindliche änderung bevorsteht“.
Das ganze Spannungsfeld zwischen Anpassung und Ausgrenzung, von Verweigerung bis zum Widerstand, zwischen Weggehen und Hierbleiben, dem sich vor allem junge Leute hier konfrontiert sahen, bringt dieser Dichter in die Stringenz eines unaufhaltsamen Ablaufs von Zustandsbildern, deren Summe genau die Konsequenz ausmacht, mit der sich die tatsächlichen Ereignisse seinerzeit im Oktober 89 entladen haben. Er nennt das Gedicht bescheiden „addition der differenzen“. Bitte lesen sie auch bei den anderen Gedichten, jeweils den wirklichen – oder Ihren eigenen – Untertext mit. Erst dann haben Sie an Andreas Koziols Gedichten Ihr rechtes Vergnügen.
Gerhard Wolf, Klappentext, 1991
DIE A. KOZIOL
Die A. koziol ist eine Papageienart mit einer außerordentlich leicht lösbaren Zunge. In der Regel genügt schon das Zeigen eines spitzen Gegenstandes. Trotzdem läßt sie sich ziemlich schwer halten, was teilweise daran liegt, daß es in den meisten Wohnungen viele spitze Gegenstände gibt und sie darum zum unaufhörlichen Sprechen neigt, wobei sie Aufgeschnapptes und Eingetrichtertes mit frei Erfundenem in einem melodischen Krächzen verschrotet, welches entfernt an alte Bänkellieder erinnert. Sie fliegt gewöhnlich nachtsüber und landet nur, indem sie auf halber Höhe wie ein Stein abstürzt. Wir wissen nicht, warum sie auf diese selbstmörderische Weise angewiesen ist, um Hall unter die Krallen zu kriegen. Bemerkenswert ist noch, daß sie auf die Federn, die sie beim Aufprall lassen muß, nicht verzichtet, sondern sie wie Trophäen in ihr Nest schleppt, nachdem die herbste Benommenheit verflogen ist.
H. Gurwizz
Andreas Koziols Gedichte treten uns in der Maske des Janus entgegen, des alten römischen Gottes, dem es gegeben ist, gleichzeitig noch in die Vergangenheit zurückzuschauen, wie ihm bereits ein Blick auf Künftiges hin gestattet ist, während er selbst sich in dieser umstrittenen Gegenwart befindet.
es liegt mir auf der zunge, das will heißen
noch kann es zünden, eh ich’s ganz vergesse
ich weiß nicht was, ein etwas heißes eisen
glimmt auf im fast erloschenen interesse […]
(„rumor“)
Die durch äußere, auch literarische, Vorkommnisse erregte Unruhe schlägt in innere Beunruhigung um, die sich aussprechen will. Koziol sieht sich einer Zeit konfrontiert, der alles über die Lippen geht, was schon gedacht und geschrieben wurde, und was darauf noch folgen kann. Eine produktive „Zwangslage“ – am tisch im meer der möglichkeiten – über das gesamte poetische Inventar frei verfügen zu können und mit ihm – außer in Momenten skeptischen Zweifels – nach Belieben zu verfahren: respektvoll adaptierend, empirisch sondierend, gewichtig und beziehungsreich, spielerisch und ausgelassen-assoziativ – und das alles wie in einem Vollzug von Versperioden über Strophen hinweg, daß man seine Lust daran hat.
aus dem bett und gleich kein land mehr sehn:
da wären wir; und eine stimme sagt: bist du’s?
dann sackt sie weg und ich steh unbequem
mit allem einerlei auf griechisch-deutschem fuß […]
(„an den genius niemandslands“)
Koziol schaut sich beim Verseschreiben selbst bedenklich oder ironisch zu, nichts, was es da gab und gibt, scheint ihm fremd – „das ,lyrische rheuma‘ ist seiner prophetischen natur nach eine alterskrankheit im larvensystem der gesellschaft“ – falsche künstlerische Pose oder politische Präsentation sind ihm verdächtig; „es war nicht schwer“, notiert er, „eine staatsbürokratie anhand ihrer selbstzitate ad absurdum zu führen, kritisch wurde es erst, wo ventilation schon überwindung hieß, in einer sprache der enthaltsamkeit, die als ziererei mittlerweile in aller stille an einer universalgeschichte der abwehrgebärden wirkt“; Postmoderne wird akzeptiert und zur Disposition gestellt.
sie karren spielbesessen unter toten geistern
ein neues menschenbild mit dem geheimnis ab,
wie sie in dreistigkeit die zweifel meistern
an jedem satz vom glück, der auf der linie lag.
sie wechseln worte – jeden irrsinn umzumünzen
der sich als groschenweisheit nicht verkaufen läßt,
sie decken einfalls reich mit heimgezahlten zinsen
für die verspielte utopie den eignen wunschinzest […]
Es mag scheinen, daß diesen versierten Poeten, der so souverän mit Vers- und Reimvarianten umzugehen versteht, manches nur zum artistischen Spiel reizt, und sicher läßt er dieser Leidenschaft manchmal die Zügel schießen. Aber jäh und unerwartet – und nun weiß man nicht, ist das noch vorbedacht oder unwillkürlich, ergreifts ihn und uns, denn er zeigt, und genau im rechten Moment, sein offenes, betroffenes Gesicht, die Furie hinter der Floskel –
ein mordversuch, sich selbst auf ein
gedicht zu reduzieren […]
Koziol, der bei aller Beredsamkeit immer dem Umgang mit Worten mißtraut, hat in Übermut und Akribie zur Travestie die ihm bekannte Zunft der Literaten in einem grandiosen Bestiarium Literaricum Revue passieren lassen:
im Tiervergleich, einem der ältesten Tricks der Menschheit und zur Zeit vielleicht der einzigen unschuldigen Utopie.
Er macht da vor der eigenen Person nicht Halt, sieht sich als alter ego im Gefieder des sprachversierten Papageis, den schon die geringste Erschütterung der Umgebung zum Sprechen erregt.
„Ich wollte in keinem Fall“, kommentiert er seine parodierenden Porträts, „daß die ,Schere zwischen Innen und Außen‘ verstummt. Es handelt sich bei jeder beschriebenen Art um die Reste eines Traums, den ich von den betreffenden Dichtern hatte. Verschiedentlich sind mir dieselben in späteren Träumen als völlig andere Wesen erschienen.“ Wer in Koziols Versen zu lesen versteht, wird hinter ihren Wortspielen und -masken etwas von diesen verborgenen Visionen entdecken:
hohe dunkelziffern der entflammbarkeiten
für das wortspiel gehn mir auf den docht
die sache lief ich hielt sie ungern fest
nun steht sie zwischen schrei und palimpsest.
Gerhard Wolf, aus Gerhard Wolf: Sprachblätter Wortwechsel. Im Dialog mit Dichtern, Reclam Verlag, Leipzig 1992
auf fragen von egmont hesse
am anfang war sprache und antwort
um mit andreas koziol in ein gespräch zu kommen, fragte ich, in anlehnung an ingeborg bachmanns schlußfolgerung aus ludwig wittgensteins erkenntnis „wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen.“, HABEN WIR MIT UNSERER SPRACHE VERSPIELT, WEIL ES KEIN WORT MEHR GIBT, AUF DAS ES ANKOMMT? ich fragte nach dem, was bereits seit dem urschrei (angenommen, daß es ihn gab) existent ist; nach der angst des sprechenden vor dem verlust oder der wirkungslosigkeit des wortes, nach dem gott und dem götzen, denen wir uns ständig opfern für ein leben, das „in beziehung treten“ heißt. trotz vielfältiger erfahrung mit sprache blieb hier die verbindliche antwort aus. vielleicht, daß es eine jener fragen ist, die intelligenter erscheinen als ihre möglichen antworten und deshalb nur ein entweder-oder kennt, welches allein die entscheidende tat nach sich zieht. bekannt sind die täter. analysiert die konsequenzen. kleist ist verstummt, hölderlin erfand das pallaksch und mancher schreibt weiter. in drei richtungen ein weg erkennenden daseins und womöglich ausgangspunkt für einen diskurs, dessen antworten die frage ad absurdum führen.
ist es nicht so, daß, wenn wir uns unterhalten, wir die (obengenannte) frage schon beantwortet haben, bevor sie überhaupt gestellt werden konnte? und heißt das nicht auch, daß sie für uns gar nicht existiert, sooft wir auch neue ausdrucksformen unausweichlicher wirklichkeitsbewältigung finden und suchen? ersetzen wir nicht nur eine metapher durch die entlegenere nächste, schlagen noch einen haken mehr, um doch gefangen zu werden? was ist schreiben anderes, als der balanceakt neben dem seil, das zwischen ernst und spiel pendelt? würde man überhaupt schreiben, wenn man etwas zu sagen hat? setzt jede form von sprachbenutz sprachbesitz voraus, oder anders gefragt, besitzen wir noch die worte, die uns besetzen? hat das wort bereits die gesten verdrängt und ist als zeichen nur noch bezeichnendes?
diese fragen, die sich in freier assoziation oder logischer konsequenz aus wittgensteins endformel ergaben, waren eckpunkte im gespräch mit andreas koziol, das vor allem standortbestimmenden charakter hatte. erst in koziols text – einer art „lossprechverfahren“ – erfuhren sie ihre erweiterung bis hin zur manifestierenden beantwortung, die sich schon wieder selbst in frage stellt, um ihrer auflösung zu entgehen.? bewußtseinsströme, die in anbetracht ihrer quelle ins unbegrenzte münden. daß dabei unser gespräch verschwommen erscheint, möge man um so deutlicher verstehen.
bestimmt ist die frage gestellt, sie scheint einen schwarzen fleck im bewusstsein zu situieren, der sich schwer vom verdacht gewissensforschender schönfärberei reinwaschen lässt.
durchaus der wundeste punkt, wenn man bedenkt, wie wortreich mit sprachbenehmen umgesprungen worden ist, nur weil der zufall nie so spielte, wie seine verächter die wirklichkeit für erledigt hielten und sich im namen ihrer bewältigung ins abgelegene schickten.
ich verzweifle an der annehmbaren unterschiedslosigkeit zwischen dem „worauf es ankommt“ und dem „was wirklich geht“.
um nicht sinnig auszuufern, schlage ich vor, hier die überfragung anzuerkennen, dort die anschwärzungsgefahr zurückzuweisen. metaphern als solche sind ganz gewiss unersetzlich; wo sie vermisst wären: mummenchance ersten ranges für poetologen.
im ernst, ich weiss nicht, ob wer oder was in der sprache verspielt hat, und ich weiss nicht allein das nicht, sondern noch was passierte, wenn man sich die unvergleichliche gelegenheit eines freispruchs von altvorderen verdikten verdachts momentan durch die lippen gehen liesse: ein unglück als absprung vom chaos der sinne in die sehnsucht nach consens durch nonsens.
womit ich jede literaturform meine, die sich zur sinnhinterfraglosigkeit eignet, von der hummerquadrille bis zu dem unsäglichen intelligenzhaiku von timm ulrichs „lesen sie diesen satz nicht zu ende“. in der tat, was dieser verspricht, gereicht jener zum tanz.
mal glaubte ich, dass wo man sich trifft, sei zumindest ein platz für zwei. unvermittelt stellte sich aber heraus, dass der betreffende ort, welcher unfehlbar zwei oder mehr meinte, eine unhaltbare situation beansprucht, etwa wie ein blatt papier in der hand, worüber gerade der vogel läuft, den du mir wegen der anführung zeigtest.
nicht ungelegen traf es sich, dass, als wir uns just verfehlten, auch unsere sonstigen möglichkeiten nichts anderes taten, als weit weg vom schuss aufeinander einzugehen, späte erkenntnis des vogels, kein anflug von reue.
weil die wunden des propheten also nicht zugehen wollen unter den vorstreckverbänden durchbluteter floskeln, benimmt er sich eben des berges und verliebt sich in echo (worüber freilich die metamorphosen ganz anderes verlauten lassen), aber der weg des anklanglosen gedichtes ist etwas anderes als nur mythos, er ist mehr als verschleierte tatsache. oder was ist anderes, dass man feststellt, nie einer anderen stimme gehört zu haben, als der wie gehabten nach den massgaben von schweigepflicht und rederecht im betroffenheitsverhältnis von „abgelegen zu überlegen“ wie „sinnverlust zu formgewinn“… was ist anderes als brotlose kunst die markerschütternde einsicht, dass ob der latenten respektive verräterischen leibhaftigkeit christi, durch die auch gesinnungsgenüssliche transzendendisten auf granit beissen, kein hahn danach kräht, ob man seinen laut neuem testament letzten schrei verschweigt.
(das ganze dorf passte nicht in die kirche, wenn dem ganzen dorf die kirche passte.) (aber weil dem ganzen dorf die kirche doch nicht so angeht, passt das ganze dorf halt grade noch so in die kirche, wenn auch die gemeinde nicht gerade überzählige stühle aufzuweisen hat, braucht trotzdem niemand so lange zu stehen, bis ihm schwarz vor augen wird.)
das war wohl sumpf, auf dem holzweg circes vereinsamen ihre schweine und weiden sich homerischen gelächters an den entgeisterten augen ihres verführten führers.
wirklichkeitsbewältigung.
du hast dich z.b. wegen der domestizierung deiner extremitäten auf offener strasse nicht blicken lassen können, ohne dich jener solchen mangelerscheinungen vorbeugenden prothesen zu bedienen, wie sie von der service-versa-rezeption anbefohlen sind. du hast sie wie alle dir vom zufall zugespielten tatwerkzeuge im sinne ihrer betulichkeit verwendet. das fasst du nicht mehr zuhause, woran du dich vergreifst, sollst du hängen.
wo du wirklichkeit frequentierst, kann von bewältigung doch kaum das flatterhafte herrühren. oder war es das, als dir vormals von den dreharbeiten im dreischichtsystem die hände zu zittern anfingen, als wäre dein feierabend eine sprechstunde beim musterungsarzt? they’re coming to take me away, haha.
jetzt jedenfalls sind die nämlichen prothesen zu subkutanen personalien zusammengesumpft und fristen körpersprache, wenn du die schnauze voll hast, und verkörpern sprechfristen, wenn der schaum vor und nach dem „und“ davon zeugt, dass du selbst auf die eisen im feuer pisst, welches im versfuss der rastlose bundschuh an den satzbau legte.
ach wunder punkt, gedankenstrich – und wort und geste scheiden sich. pro these eine synthetizierende amputation, mit der du den sündhaft teuren aufenthalt in den fluxuscavernen der kommunikativen hirnchirurgie wider harmonische einsicht billigst.
an dieser stelle tun mir fürwahr diese fremdwörter leid, und einmal mehr, weil sie wohl das deutliche deutsch neutralisieren, oder wenigsteris auf ein germanistisches lippenbekenntnis herunterwirtschaften, wo ich es hinwiederum gut aufgehoben finde, wenn ich sehe, dass sprache so benutzt wird, um beschmutzung vorzubeugen, das heisst, auf die karre im dreck keinen zwiebelschnitz zu geben, damit sie nicht unnötig noch tiefer sackt, als es einem aufrechten verwässerer zu gesicht steht.
würde man überhaupt schreiben, wenn man etwas zu sagen hätte? kann man gleich überhaupt schweigen?
was ich dir zu sagen hätte, würde ich dir schon so sagen, was ich davon verschweigen müsste, wäre eh geschenkt. also. die abgegessene phrase, dass man doch nicht müsste, was man nur zu wollen glaubt, ist aufgrund ihrer unverdaulichkeit zu ihrer eigenen paraphrase geworden, die jedem, der sie so ohne weiteres nicht abschreiben mag, zum halse heraushängt. ist das nicht genug, gibt es jedoch noch abwegigere modalitäten, deren könner zwar so glücklich sind, dass ihnen ihr unstern schnuppe sein kann, wo’s auch immer ihnen beliebt, denen man aber doch den himmel auf erden wünschen sollte, schon deshalb, damit ihre erlösungsgedanken statt zum konjunktiv zum teufel gehen.
und wie gehts und stehts mit aufenthaltsgenehmigungen in lichten momenten? vom tod scheinen sie erteilt, ich könnt mich umbringen, wie er sich gibt, wenn er mich narrt.
aber ich suche ja dich, und das ist nun der vierte fall, in dem ich dich nicht aufsuche, sondern erfinde, weil die drei ersten verzweifelten verschreibungsversuche in dir nur unheil geweckt haben, bloss, dass ich nicht anders konnte, denn du hast dein bett gehütet, als gälte es, uns das beichten zu vergällen und nicht, uns drauf abfahren zu lassen.
schön, wir haben uns zum dritten gekränkt, den zweiten verdrängt, dem ersten kriegsspielzeug geschenkt, und schliesslich hat dein augenstern mein herz entzweit, das war nicht von schlechten eltern. brich, wenn die dir einfalln, den stab über uns, du bleibst doch in jedem fall meine. wortkarge. liebe. schwester.
würde man „du“ mit „mir“ schreiben? o nein. soll ich mit dir eierschalen aus mandeltorten klauben? naja.
bin ich schon darin verstrickt, ausgerechnet die marionette zum kasper zu machen, die mir unser vater, der ein liebevoller spieler war, aus dem gewissen redete? haben sich die bretter, die ihm kein geld bedeuteten, noch nicht zum sarg für die gretchenfrage zusammenlegen lassen?
wer blöde fragt, bleckt öden antworten den stand seiner zähne ins gedicht. schlagzeile drüber, und alles war umsonst. (die zweite welt will verzogen sein, dabei drehte es sich um kohle für afrika.)
und wer allein vor solchem ruch aus babel türmen will, verlässt sich höchstens noch auf tote briefkästen, wenn er etwas zu sagen hatte, zerstreut, wie sie alle sind, müsste er doch am ende erst ihre wortschatzkammertüren in den himmel heben, ehe sie, die ja nicht wie gräber schweigen können, sich reinreden liessen.
um gottes willen.
abschweifung.
dann verlegten die gileaditer den ephraimiten die jordanfurten. sooft nun ein flüchtiger ephraimit sprach: lasst mich hinüber!, fragten ihn die männer von gilead: bist du ein ephraimit? wenn er dann sagte: nein!, so sprachen sie zu ihm: sage einmal schibboleth. sagte er dann sibboleth, weil er es nicht richtig aussprechen konnte, so griffen sie ihn und machten ihn an den jordanfurten nieder (richter 12, 5 und 6). bist du ein ephraimit, verlegen sie dir den jordan mit deinem eigenen falschen zungenschlag, bist du ein gileaditer, laufen sie dir ins kennwort.
und du verführst das gesetz zum grimassieren deines rituellen rückgrates, weil du einst um beide seiten kämpftest, spürst du den jordan in dir, wie er vereist.
du hast vergessen, schibboleth zu sagen.
und was über dich geht, ist der horizont des redakteurs, der dich um bearbeitung angeht, als wäre nichts geschehen.
nein, das wort hat die geste nicht verdrängt. immer dort, wo ein satzgebäude in der geste gipfelt, ist ihr wunsch der vater des gedankens an fundamentale erkenntnis und geht zurück auf den tod einer situation durch jedwede aus ihr für lebzeiten gezogene erfahrung. vormals half mir die entdeckung des doppelten sinns als ausdruckslesart über eine sprechkrise hinweg, deren erfahrungsstruktur jenem übermut entsprach, mit welchem ich glaubte zu wissen, wo der hund begraben liegt. mir lag er in einem wahrnehmungsriss begraben, worin mir z.b. der satz „ich liebe dich“ im gleichen atemzug seiner formulierung entging. also blieb übrig die geste, um überzulaufen den satz ohne grund in den objektiven boden deines körpers.
doch du verhieltst dich anders: artig. und ich schämte mich dieser bewegung und begann, begegnung nur noch zu entgegnen, statt zu machen. mit anderen worten, ich verlernte, in den augen zu lesen und aus der hüfte zu schreiben und fing an, wie in den ersten schultagen, das alphabet für einen rosenkranz zu halten. wer sich gegen den literaturverdacht der geste abkapselt, dem rinnt er aus den händen, wer ihn für ausgesprochen unsäglich nimmt, dito.
die geste löste zunächst das wort ab von dem ihm unterstellten verdacht, zuviel sand im getriebe lyrischer werften zu sein, verkörperte die differenz zwischen begriff und sache auf durch ihre anfälligkeit bedingte äusserst unzulängliche weise und verschied noch vor der zerstörung des musentempels durch die unversöhnlichen effektivitätsprediger an altarsschwäche, majuskelschwund und tabularischer rasanz. sie wurde in traurigen schönschriftzügen beigesetzt. die beerdigung hätte dir das herz gebrochen, aber du hast wohlweislich durch deine abwesenheit geglänzt, und es war mir schleierhaft, wieviele wege es zu geben scheint, auf seine kindheit zurückzukommen. und mir war lieber, den heutigen tag ohne noch abgemachtere umstände in zukunft perfekt zu verbringen, als vor der zeit so zu tun, als ob mein strengster nachtgedanke, lieber tot als schlaff, nur ein irrtum von amtswegen wäre.
aber jetzt, wo die frage nach dem sinn der poesie, und warum sie noch dunkler klingt als ihre lebenserklärungen, auf des messers scheide steht, liegt es wohl an jedem selbst, dem gesunden volksempfinden, oder was das kranken am mangel unpersönlicher meinungen sonst noch entäussert, heimzuleuchten. zur verdunklungsgefahr muss ich hinzufügen, dass der attributive hagel ideologiefreundlicher kennziffern, die immer so schön ins schwarze treffen, mich wie aus allen wolken hat fallen mir selbst überlassen.
nicht meine gedanken musste ich da durchschleusen, sondern die paar habseligkeiten, mit denen ich mich in der ahnung unternahm, dass man sie statt meiner als träger von einiger bedeutung erkennen möge, wenn man ihre verstreute anordnung mit den augen eines von vielen fehlschlägen desorientierten morgenlandverfahrers lesen würde.
würdest du so gut sein, auf die faulen früchte des völligen überzeugt seins ihre sinnentsprechenden klamotten zu decken, liessest du ja dich lumpen, vermutlich wegen der zugeknöpftheit deiner paramilitärisch betuchten freunde, bei allen anhebungsaktionen ihres kollegialen unterbewusstseins ein besänftigendes wörtchen mitzureden? erzählt mir keine geschichten, ich habe gesehen, wie das ewige so tun als ob zu einer einzigen uniformalität wurde, in welcher ganze welten halbiert wurden, die ohne diesen denkwürdigen kunstgriff alle erst leibhaftig hätten aufgesucht werden müssen. und über die folgen derartiger notwendemanöver ist ja schon jede beschreibung als solche ein spott.
ich hoffe, du glaubst, dass die liebe zu solchen geschenkt ist.
früher, als alles auf den hunger nach dem jüngsten gericht hinauslief, war es kein spaziergang für den priester, seiner gemeinde klar zu machen, dass sie alle brennen würden, wie kerzen brennen, wenn er ihnen nur weiterhin mit seinen predigten auf den docht gehen darf, später, als alle diesen hunger nach erläuternder abspeisung wie wahre kinder des staates für das schwarze unterm nagel hielten, und weil die kurie vergessen hatte, oder nicht besorgt genug war, ihm den corpus christi, der jedem aus der seele sprach, aus dem kopf zu schlagen, ist er wirklich verrückt geworden. jetzt singt er nur noch, wenn die kurie ihn aufs kreuz legt.
sprach benutz ja, sprachbesitz nein.
ich denke, hier geht es um den modus beim lesen der zeichen. wer sprachbenutz benutzt, sieht, was er davon hat. und er besitzt diese sicht, solange ihm die lesart zwischen den zeilen der realität wirklich über ist. das wort schlägt sich auf den lippen des benutzers durch die moralische belagerung durch die befürworter seiner funktionalen zuverlässigkeit wohin? ins freie? der freiheit, den stein stein sein zu lassen, das werk werk, das zeug zeug?
eins merkte ich mir vor dem einschlafen, um es sofort nach dem aufstehen wieder aufzugreifen. so hätte ich es für den rahmen um einen traum gewonnen, verführerische möglichkeit, sich nicht an ihn, sondern ihn einfach nur in den zeitraum zu hängen, den er brauchte, von mir besitz zu ergreifen. er sprach die sprache sich selbst verzeichnender bilder. wozu worte lachen und weinen, spriessen und fliessen, überschwellen und untergehn. wenn gefühl nach sprache schreit und die zeit drängt, erfindet man das schweigen noch einmal so stark als empfindungsentsprechung und hat nichts zu verlieren. wenn das als argument nützt, mir über die vielen gedankensprünge hinwegzuhelfen, hab ich es nicht anders verdient.
ist das schon ein besitzanzeigendes unmutswort?
habe ich, als du mir sagtest, du fühlst dich an deiner allerempfindlichsten stelle getroffen, tatsächlich die leere verfehlt? verzeihung. sprachbesitz nein, aber eigentümlich sind sie schon, die tausendfältigen modi, mit derart überzeugung umzugehen, manchmal auch auf unerfindliche weise ausgesucht; man mühe sich, und sein innerer schweinehund sei sein zeuge, ideologien zu ideogrammen zu buchstabieren, behaupten die einen, bestreiten die anderen.
und: sind zeichen und bezeichnetes nicht so weit auseinander getrieben, dass z.b. meine base vor jahren den eisernen vorhang für einen feuerschutz in jedem ordentlichen theater der a oder b stufe hielt, wirklich, es war nicht die möglichkeit, und ich konnte nur beipflichten. und schrieb ein gedicht, worin es darum ging, dass vor einem vorhang von eisen ein geschehen aus zufall für heimat mit weltruf den stoff abgibt.
ich finde, das gedicht soll bewegung versuchen und abgehört zu werden an alphabeten übergeben.
es soll zeichen bewegen, bewegungen in zeichen setzen, aber bewegtheit zwecks überzeichnung langsam aus dem wege gehen.
gut, politisch gemeinte sind leider pornografisch, geworden durch penetrante unterschätzung ihres ausflussbereiches ins stimulationsgetriebe des verbraucherapparates. oder sie werden bedingt reflektiert wie ein debattierisches „hörthört“ von den vier wänden der behausungen absorbiert. was sich nie ganz rumspricht.
warum, z.b., sollen nicht, alter fotografie vergleichbar, seine belichtungszeiten (momente der innewerdung) über den wirklichkeitscharakter, den unsere augen ihm zusprechen, entscheiden?
wo das modell stand, steht manchmal eine rauchsäule, weil es aus dem dunstkreis des fotografen vor ablauf der vorgeschriebenen wartezeit verschwand, auf der bildfläche, wie ein zeitzeichen.
(find ich gar nicht so ganz ohne.)
natürlich hinkt dieser vergleich, und zwar an seinem wunden punkt, der überschneidung von fläche und zeit.
aber die zeit hat ihre form, die sich nach der situation richtet, in welcher weitestgehend der überblick flachfällt, weil man im selben steckt.
fotografien, so unbeseelt sie an sich sind, sind spiegel, die jede empfindung von doppeltem sein belächeln.
es gibt eine differenz zwischen einstellung und intention des bildermachers. die wäre auszumachen, um seiner an den wahrnehmungsverlusten geformten verwirrtheit das anonyme zu nehmen. entweder zeigst du, was du zeigen willst, oder du zeigst sowohl was, als auch dich, wie du damit beschäftigt bist.
letzteres ist eine möglichkeit, den für jede vorstellung zwangsläufigen empiriovoyeurismus von seiner exhibitionistischen pathologie loszumachen und ihn gemeinsam mit den objekten der begierde einer gegenstandslosigkeit zu überantworten, die der frage nach dem sinn von einsamkeit entspricht.
wenn du redest, wie du es verstehst, so handelt es sich auch ganz nebenbei um unterworfenheit (subjektivität). damit kann ich dir nicht kommen, mich bannt ihr en vogue-sein. womit für mich das lügen beginnt. hinhalten ist zuhälterei. wenns dich unterhält, halt ichs aus. quälts uns aber, ist sense damit.
man stelle sich die indische affen dreifaltigkeit vor, wie sie ihre konsequenzen aus dem eigenen symbolwerk zieht: der nichts sieht, hört, wie der, der nichts hört, dem stummen alles zeigt. das lyrische subjekt – stehende wendung im verdacht der subalternität – kann sich ohne freisprechung nicht aus seiner idiomatischen zwickmühle rausreden. schuldig wäre, wer du sagt, ohne den atem des gemeinten zu spüren. er brauche ihn wie das tägliche brot. von diesem stirbt der mensch nicht allein. er lebt auch gegen die komödie der untragbarkeit dramatischer stoffe. wo die komödie nicht ist, ist pathos. du kannst ihn nicht billigen, geschweige denn mir abkaufen, du siehst ja, wie ich lebe. kein schluss ist nicht offen, aber schlüsse nur als schlussfolgerungen gehen ebenfalls nicht mit rechten dingen zu. ich ziehe daraus die inkonsequenzen.
erlaube ich mir melancholie, sei es ihrer verwandtschaft zur bürokratischen brutalität untersagt, mit mir deutsch zu reden. „aber türen können sie bauen, alle wetter!“
um dieses satzes wegen wollte ich ums haar einmal nach odessa fahren, wo er herkommt. ich konnte mich aber noch beherrschen. inzwischen sind die reisepläne selbst zur zweiten haut geworden und haben ihre namen und daten an worte erstens zum draus herausfahren und zweitens zum liegenbleiben verloren. wie sich fremde verliert und auch panik entführt, sind mir die nackten tatsachen vorläufig wieder am nächsten, und ich glaube, es ist gut, dass sie mir trotzdem schleierhaft vorkommen.
beweismaterialfehler
(nachträge zum protokoll vom august ’85)
ein blickpunkt meiner letztbesten einsicht in den sinn der frage, warum ich schreibe, ist der satz: weil es unmöglich ist, den allgemeinen fremdbestimmungsfaktor nicht mit der interessiertheit des lesers zu identifizieren, scheint mir die gebärde des schreibens, und wirklich nur die gebärde, der einzige zustand zu sein, der dem sinn des lesens nichts schuldet, außer der frage nach dem grund seiner absurden absolution. daraus folgt nichts, aber voran komme ich nur, indem ich, schreibend, darauf achte, wie dieser zug in der voraussetzungsgeschichte verschwindet.
möglich, daß die umschreibung meiner wesentlichen ratlosigkeit die eigentliche kunst ist, möglich, daß ein schutzbedürfnis so ausdauernd kultiviert wurde, bis es in der gestalt eines scheinproblems seine unerträglichkeit irreführt. möglich ist einiges mit der übergangsform vom verfolgten zum verfolger, nur, finde ich mich selbst darin, habe ich keinen anhaltspunkt. null zählt nicht.
das sogenannte poetische material ist nicht unbedingt die materie des schreibers. den fehlschlüssen hierbei sind die grenzen der phantasie über die erste berührung gesetzt. man ruft die insgesamte natur, und was kommt, sind dämonen. der bann des geschehens würde durch ignorieren des gesehenen gebrochen, wie ein versprechen, dessen bloße erfüllbarkeit durch den aufschub seiner einlösung zum bedrängnis wird. wenn es eine macht gibt, die meiner motivation bei der auseinandersetzung mit der prinzipiellen thematik sekundiert, dann ist es mein gefühl, daß die dichtung ihre eigene selbstverkennung hinhält, weshalb sie gezwungen scheint, sich so zu gebärden, als würde sie immerfort ihren anspruch besprechen. und genau diese gebärde, diese tragische gestalt der intimsten unfreiwilligkeit, sorgte dafür, daß neun zehntel aller von mir gelesenen verse spurlos in meiner erwartung verschwunden sind…
ich wünschte mir eine geduld, die bei jeder begegnung der sprichwörtlichen des papiers entspräche und nicht danach verlangte, vom letzteren beglaubigt, das heißt denunziert zu werden, oder aber so danach verlangte, daß dem verrat keine gelegenheit bleibt, mit redlichkeit verwechselt zu werden und endlich somit also der kompromiß auch freude macht. ich will kein opfer der „unmittelbarkeit“ werden, geschweige ein produzent des verlangens danach, indem ich zb behinderungen, die mir durch den kopf gehen, hintereinander aufliste, aber die neigung existiert, und ihr gegenstück ist eine ungeheuer leichte animierbarkeit zu allem, was geeignet aussieht, das „interesse“ an der kunst per überschematisierung zu konkretisieren. hier liegt auch ein sinn für das kreuzbrave gereimtsein fast aller gedichte, die ich nicht weggeworfen habe. ich unterstelle, daß die lähmende wirkung, die von unzulänglichkeitsgefühlen ausgeht, durch die karikierung tradierter vollendungsformeln ihre bestimmung verfehlt. reim dich oder ich hack dich, sagt der nagel zum apfel.
das wort klartext (schreibe doch klartext) ist eine trübsinnige tautologie. der tod, wenn du so willst, als das lesende auge. „was steht, laß stehn, doch vom liegenden nimm.“ mein gesetz ist vielleicht nur ein ton, eine farbe, aber letzten endes arbeitet es ohne ausrufung. klartext: selbsterkenntnis sagt überhaupt nichts. man vergißt es nur immer wieder, logisch. man tut eine voraussetzung nach der anderen als falsch ab, bis man merkt, daß die hierarchie der eigenen sinne dabei draufgeht, erschrickt, gibt den axiomen die schuld (nichts hören, sehen, sprechen) – und muß lachen.
der ernst der lage / soweit er sich erliegt / kommt nicht in frage / es sei denn als rhetorische… lautet ein gedichtanfang, der für mich ein beispiel geworden ist, wie eine wendung über ihren schatten springt, indem sie ihr pathos anschwärzt… es war nicht schwer, eine staatsbürokratie anhand ihrer selbstzitate ad absurdum zu führen, kritisch wurde es erst, wo ventilation schon überwindung hieß, in einer sprache der enthaltsamkeit, die als ziererei mittlerweile in aller stille an einer universalgeschichte der abwehrgebärden wirkt. mein satzbau ist der schlafendste beweis. der traum ist drüber und hinüber und der geschmacklosigkeit nicht nur ausgesetzt, sondern vorübergehend sogar angeglichen.
was man immer auch dagegen vorbringt, wird es die traurigkeit nicht erfassen, mit der das gespenst einer zu tode diskutierten relevanzfrage ihren anspruch auf ein dauerbegräbnis verdeutscht. man sollte nicht von „überlebtheit“ sprechen, vielleicht ist „untotsein“ das geeignete wort, von einem gewissensbiß zu zeugen, der die stilbildungsbürgschaft für die wunderlichsten inkonsequenzen verursacht. ein wort zum verbalisierten amok, dem schriftlauf einer unausgesetzten schuldabweisung: ich habe angst vor generellem mißverstehen, wenn meine vermutung, daß es zur behauptung von kommunikationsgesetzen dient, deren geltung selbst die notwendigkeit, jene anzuzweifeln, in einen kreislauf schaltet, der mein integrationsvermögen lediglich braucht, um seine fragwürdigkeit zu vollenden… keinen ausweg duldet.
ein problem, so alt wie die neugier darauf, wie weit man gehen darf, ohne sich zu erübrigen.
meine haut ist nicht der text, und es gibt zwar gründe für die überidentität von deutschen im ausland, aber ohne visum kein anlaß. das wäre ein satz, den ich nicht kontrollieren kann, ohne ihn entweder gleich zu vernichten oder zu einer reise durch seine mögliche wirkungsgeschichte zu relativieren. aber ich schreibe deswegen noch keine prosa. ich tue gar nichts von beiden, abgesehen von der schufterei, sich dahindurch zu bewegen.
den begriff gebärde fasse ich vom impuls her, dem zentrum eines labyrinths, aus dem ich rauswill, nachdem mir klar wird, daß eine einzige zeile noch kein gedicht macht, und das ist dann eben eine vertikale bewegung. wie gesagt, meine haut ist nicht der text, und das verlangen nach überschaubarkeit etwas anderes als ein ventil. es läßt sich nichts hindurchpumpen.
zwar hat mich niemand gebeten, meine kompromisse beim schreiben schreibend zu kompromittieren, aber es sind die ruinen methodischer instanzen gemeint.
Dieses Gespräch wurde im August 1985 geführt.
Erschienen in: Egmont Hesse (Hrsg.): Sprache & Antwort. Stimmen und Texte einer anderen Literatur aus der DDR, S. Fischer Verlag, 1988.
Henryk Gericke liest am 28.6.2023 im Baiz.Berlin seinen Andreas Koziol-Nachruf „Inschrift“ und Robert Mießner schließt sich mit Andreas Koziols „Nachschrift“ an.
Andreas Koziol liest 3 Gedichte zur Autorenlesung der Literatur- und Kunstzeitschrift „Herzattacke“ am 28.1.2016 im Roten Salon der Volksbühne.
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