Felix Philipp Ingolds Skorpioversa – Dichtung als Schwarzkunst (Teil 14)

Dichtung als Schwarzkunst

Teil 13 siehe hier

Ins Religiöse, ins Kosmische erweitert Wolfdietrich Schnurre (in «Gospel», 1964) den symbolischen Einzugsbereich der Farbe Schwarz, wenn er sie – in Assoziation mit Trauer, Nacht, Vergessen und Schatten, konkret mit Mutterschoss und Grab – als eine Eigenschaft Gottes ausweist; unter dem definitorischen Titel und mit dem mehrfachen Refrain «Gott ist schwarz» wird ausgeführt:

Nichts ist schwärzer als Gott;
alles, was schwarz ist,
hat seine Schwärze
von ihm:

Die Trauer,
der Russ im Lampenzylinder,
die Nacht. […]

Gott ist schwarz.

Wir beten zu seiner Schwärze:
Erwähl dieses Haupt dir zum Haus.
Nichts ist schwärzer als Gott;
alles, was schwarz ist,
hat seine Schwärze
von ihm.

Genau so gut könnte man mit Ernst Jandl sagen, Gott sei «rot» oder, mit Johannes Poethen, er sei «weiss»; denn welche Farbe dem Unendlichen und Allgegenwärtigen zukommt, ist nicht auszumachen und ist übrigens auch ohne Belang, da ein allgegenwärtiger und unendlicher Gott nicht auch noch Eigenschaften haben kann.

… Fortsetzung hier

© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik

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