Die Farbpalette der Dichtung
Eine kleine koloristische Poetik
Teil 18 siehe hier …
Die «finale Biologie» und das «Ganze des Organismus» hat schon Novalis in einem Frühlingslied (aus «Heinrich von Ofterdingen», 1799/1800) in Anspielung auf Zeugung, Schwangerschaft, Geburt hochgemut aufgerufen:
Auf grünen Bergen wird geboren
Der Gott, der uns in Himmel bringt,
Die Sonne hat ihn sich erkoren,
Daß sie mit Flammen ihn durchdringt.
Er wird im Lenz mit Lust empfangen,
Der zarte Schoß quillt still empor,
Und wenn des Herbstes Früchte prangen,
Springt auch das goldne Kind hervor …
Auf die klassische Tradition «grüner» Poesie nimmt – zweihundert Jahre danach – Felix Philipp Ingold explizit Bezug im Eröffnungsgedicht zu seinem Lyrikbuch «Jeder Zeit» (2002):
Jurassisch
»Und dieses neue Grün und diese Sonne
Bringt das Gefühl mir jener Zeit zurück.«
J. W. Goethe (Torquato Tasso)
Es ist hier heute
wie in einem früheren
Gedicht. Der Frühling prügelt
all dies Grün aus
all den abgetauten Hügeln.
Rist und Scheitel des gefällten
Riesen sind
wieder vereint und
beschreiben als ein fetter
Strich den tieferen
Süden. Während noch immer
der Wortspatz aus jenem Gedicht herüber-
tschilpt und sich
(»das hässlich zweideutige
Geflügel«) dreist am Leben hält
in diesem Gedicht.
… Fortsetzung am 3.2.2025 …
© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik
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