L

LEBEN
(vgl. BUCH,
FEUER)

(vgl. TOT-
LEBEN)

LITERATUR

Gogol beschreibt die Welt, als ob sie »wirklich« wäre (überscharf wie ein immenses Präparat unterm Mikroskop) – und weist sie (wie auch sein Leben) umso klarer als Schein aus; nur als Literatur schlägt die Welt und schlägt auch das Leben des Autors zu Buch: indem Gogol sein Buch dem Feuer übergibt, bringt er sich ums Leben.1Am 21. Februar 1852, um acht Uhr früh, stirbt Gogol in Moskau; vom Frühjahr 1851 bis zum Herbst 1850 weilt er, nach einem kürzeren Aufenthalt in der Wüste Optina, »lebend in Odessa«; Anfang 1848 unternimmt er eine Pilgerfahrt nach Jerusalem; 1844 gründet er einen Hilfsfonds »für notleidende junge Studenten«; 1848 bis 1842 lebt er im Ausland; am 9. Mai 1840 lernt er Lermontow kennen; 1840, 1839 hält er sich wieder in Rußland auf, 1839 bis 1836 arbeitet er in Westeuropa; im Wintersemester 1835/1834 liest Gogol als Assistenzprofessor für allgemeine Geschichte an der Sankt-Petersburger Universität, muß jedoch, wegen häufiger Zahnschmerzen, zahlreiche Sitzungen, ja sogar die Schlußprüfungen ausfallen lassen; im Mai 1831 Bekanntschaft mit Puschkin; 1830 amtliche Tätigkeit als Departementsschreiber; Ende 1828 übersiedelt Gogol nach Sankt-Petersburg; 1828 bis 1818 Grundschul- und Gymnasialausbildung in Poltawa; am 20. März 1809 wird Gogol, Nikolaj Wassiljewitsch, in den Großen Sorotschinzen (Kleinrußland) geboren. »Leben« … das ist Gogols permanente Krankheit zum Tod, »Kunst« – seine permanente Therapie; doch dürfte der Prozeß der Gesundung niemals durch ein Stadium der Gesundheit abgelöst werden: Gesundheit hätte das Ende der Kunst zur Folge und, für den Autor, das Ende des Lebens. (Dennoch betrieb Gogol das Schreiben nicht zur Gesundung seiner selbst, er schrieb »für die Ewigkeit«, er schrieb, ständig leidend und als Hungerkünstler »von Stunde zu Stunde« sich verzehrend, um die absolute Gesundheit zu erreichen, jenen Nullpunkt, an dem das Schreiben überflüssig würde – den Tod:) »Wer verliert, gewinnt.«2»Aber«, so gibt Michel Foucault (Schriften zur Literatur, Frankfurt-Berlin-Wien 1979, S. 12) zu bedenken, »da ist noch etwas anderes: ›Die Beziehung des Schreibens zum Tod äußert sich auch in der Verwischung der individuellen Züge des schreibenden Subjekts. Mit Hilfe all der Hindernisse, die das schreibende Subjekt zwischen sich und dem errichtet, was es schreibt, lenkt es alle Zeichen von seiner eigenen Individualität ab; das Kennzeichen des Schriftstellers ist nur noch die Einmaligkeit seiner Abwesenheit; er muß die Rolle des Toten im Schreib-Spiel übernehmen.‹«