Beim Übersetzen; zum Übersetzen ( I.23 )

Titelbild von Juliane Duda zu der Beitragsserie „Felix Philipp Ingold: Überzusetzen“

Ich übersetze, wenn ich übersetze, nicht bloß einen Text, ich setze den Autor über, dieser muss – in seinem Text – ausfindig gemacht und – aus seinem Text – geborgen werden.

Einen Autor übersetzen – sich in seinen Text versetzen; sich in seinem Text vergessen.

Ich setze diesen Autor in eine fremde Sprache über; in meine Muttersprache; sein Exil.

Ich muss die eigene Sprache hinter mir lassen, um sie dem Autor einzuräumen.

Je mehr ich mir diesen Autor aneigne, desto fremder wird er mir. Und erst noch verliere ich dabei meine Sprache; doppelter Verlust – des Eigenen wie des Angeeigneten.

Übersetzen ist Lesen und Schreiben zugleich; so wie lautes Denken nichts anderes ist als die Gleichzeitigkeit von Sich-Erinnern und Sich-Erfinden.

Nicht in der Übersetzung, im Leser der Übersetzung will der Autor überleben; zuerst also – uff! – im Übersetzer.

 

aus Felix Philipp Ingold: Überzusetzen
Versuche zur Wortkunst und Nachdichtung

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