Der Mund sei, schreibt Novalis, »nur ein bewegliches und antwortendes Ohr«; jedes Sprechen wäre demnach sekundär, ein Nachsprechen von Gehörtem nur. Doch wem oder was wird nachgesprochen. Spricht das Kind der Mutter nach … oder der Sprache. Nimmt das Ohr Laute oder Worte wahr … spricht der Mund Worte oder Laute aus. Ist die Antwort des Munds auf das vom Ohr Gehörte ein Echo, eine Übersetzung. Macht, wer spricht, das Hörbare hörbar durch Sprache; so wie der, der zeichnet oder malt, sichtbar macht, was sichtbar ist.
Und wer schreibt.
Wer schreibt, beschreibt, wie er geschrieben wird. Der Akt des Schreibens findet im Passiv statt. Autorschaft ist, jenseits aller Romantik, eine Leideform; vielleicht wird deshalb soviel geschrieben, so wenig gelesen.

 

aus: Felix Philipp Ingold: Freie Hand
Ein Vademecum durch kritische, poetische und private Wälder

 

 

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