Ich wollte, ich könnte sagen, daß es kein Bild gibt von mir; keine Familienphotos, auf denen ich zu erkennen bin, keine Schnappschüsse von Parties oder aus dem Urlaub, keine Portraitaufnahmen, keine Fahndungs-, keine Röntgenbilder.
Nicht einmal Traven, weder Michaux noch Pynchon, auch Blanchot nicht … kein publizierender Autor seit Baudelaire hat, vermute ich, kein Bild von sich hinterlassen.

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Kein Bild von sich zu hinterlassen, ist ein nie zu realisierender Wunsch; der Wunsch als solcher würde für unmenschlich gehalten. Das Bild, das andere sich von mir machen, wird zu einem Faktum meiner Biographie, obgleich es doch immer das Bild eines Fremden ist; eines Fremden, der mich sieht, eines Fremden, als der ich gesehen werde.
Aber vielleicht verhilft mir allein das Bild … zunächst wohl das Spiegelbild … dazu, mich selbst zu erfassen und sagen zu können, ich bin’s.

 

aus: Felix Philipp Ingold: Freie Hand
Ein Vademecum durch kritische, poetische und private Wälder

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