Andrea Heusers Gedicht „WIR, wie alle sommer endet auch dieser mit einem gewitter…“

ANDREA HEUSER

WIR, wie alle sommer endet auch dieser mit einem gewitter
der ewigen jagd, die wolken zu fangen und den regen, der
weil er dieses eine mal warm war und tröstlich, nicht aufzuhalten ist
auch der schmetterling entkommt so dem netz, schlägt haut an haut
an der naht von himmel und wiese, ein intercity-express spiegelt
städtekokons, amseln kreisen über ihren schatten, über die felder kriechen
wolkengraue gehirne, das satellitenbild vom schnee

2008

aus: Andrea Heuser: vor dem verschwinden. Onomato Verlag, Düsseldorf 2008

 

Konnotation

Eine Poesie, deren Silben- und Klangspur sich „ins Ohr verleibt“ – auf diese vokabuläre Sinnlichkeit zielen die Gedichte der Lyrikerin und Literaturwissenschaftlerin Andrea Heuser (geb. 1972). Wenn die Autorin von Landschaften spricht, dann sind es primär Sprachlandschaften, die zu leuchtenden Bildwelten komponiert sind. Natur erscheint so nicht als idyllisches Refugium, sondern als Gewebe aus Wetterphänomenen und technischen Realien, die eine eigene Magie ausstrahlen.
Hier überlagern sich die klassischen Topoi des Naturgedichts mit den Ikonographien der Mobilität – das Bild eines Gewitters mit den Zeichen einer technischen Welt: dem alle in seine Spiegelung ziehenden Intercity-Express und dem Satellitenbild vom Schnee. Das Ende des Sommers ist nicht mehr wie bei Rilke ein großes metaphysisches Ereignis, sondern primär eine unmittelbar sinnliche Erfahrung.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010

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