August von Platens Gedicht „Licht“

AUGUST VON PLATEN

Licht

Licht, vom Himmel flammt es nieder,
Licht, empor zum Himmel flammt es;
Licht, es ist der große Mittler
Zwischen Gott und zwischen Menschen;
Als die Welt geboren wurde,
Ward das Licht vorangeboren,
Und so ward des Schöpfers Klarheit
Das Mysterium der Schöpfung;
Licht verschießt die heilgen Pfeile
Weiter immer, lichter immer,
Ahriman sogar, der dunkle,
Wird zuletzt vergehn im Lichte.

um 1825

 

Konnotation

Die Romantik war die Hochzeit der Nacht-Verehrung. In Friedrich von Hardenbergs (1772–1801) Hymnen an die Nacht ist die Nacht nicht der Ort des Numinosen und Gefährlichen, sondern der Raum der Neugeburt und der Liebe, zuletzt gar der Teilhabe an einem höheren Sein. Fast wie ein Gegenprogramm zur romantischen Verklärung der Nachtseiten des Daseins liest sich die lyrische Betrachtung August von Platens (1796–1835), des großen Formkünstlers unter den Spätromantikern.
Hier wird zunächst der biblische Schöpfungsmythos im Gedicht nacherzählt, die Priorität des Lichtes bei der Erschaffung der Welt. Am Ende wird aber eine Figur aus der persischen Mythologie eingeführt: Ahriman, der Geist der Finsternis. Wenn hier also christliche und persische Quellen vermischt werden, so hat das Methode bei einem hochgelehrten Dichter wie Platen, der elf Sprechen erlernte, um die Lyrik der großen Weltkulturen im Originaltext lesen zu können.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009

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