Christian Geisslers Gedicht „es ist ein pfahl in meinem fleisch. …“

CHRISTIAN GEISSLER

es ist ein pfahl in meinem fleisch.
oder ein pfeil
in deinem.

mir schlagen sie den stachel nicht
nach innen dunkel ein
ich ziele gern genau
auch ganz allein
ins helle
auge
aus eis.

1997

aus: Christian Geissler: Klopfzeichen. Rotbuch Verlag, Berlin 1997

 

Konnotation

Dass Literatur eine moralische Anstalt ist, wenn sich ein Autor für die Widersprüche der Innen- wie der Außenwelt interessiert, hat der Hamburger Schriftsteller Christian Geissler (1928–2008) bewiesen. Die Aufrichtigkeit, mit der er das Schreiben betrieb, spiegelt sich auch in der Biographie Geisslers wieder, die von den Anfängen als protestantischer Theologiestudent über die Konversion zum katholischen Glauben zum politisch radikalen Dokumentarfilmer und Autoren führt.
In seinem 1988 erschienenen Roman Kamalatta setzte Geissler sich literarisch mit dem bewaffneten Widerstand der RAF auseinander. Ausgehend von der Kapitulation der Arbeiterbewegung im NS-Reich, einem Grundtrauma der Linken, so Geissler, habe sich kein Diskurs über den Kampf gegen ein als faschistisch verstandenes Regime bilden können. Auch dieses Gedicht zielt mit seiner Reflexion dahin, die durch dieses Defizit entstandene schmerzhafte Lücke offen zu halten.

Norbert Lange (Gedichtkommentar) Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

0:00
0:00