Ferdinand Hardekopfs Gedicht „Sich beschäftigen…“

FERDINAND HARDEKOPF

Sich beschäftigen…

Es ward zu blass, als Abenteuer,
Aus schönen Augen jenes Feuer.
Man blinzelte ins Weltgewoge
Und nahm die Politik, als Drogue.

Man brauchte aber mehr Gefahr,
Als daraus zu ersaugen war:
Man schlich, mit süss gepresstem Atem,
Cambriolierend, zu Privatem.

1921

aus: Ferdinand Hardekopf: Wir Gespenster. Dichtungen. Hrsg. v. Wilfried F. Schoeller. Arche Verlag, Hamburg/Zürich 2004

 

Konnotation

Den Menschheitsrettungsprogrammen seiner expressionistischen Dichterkollegen zog der Berliner Caféhausdichter Ferdinand Hardekopf (1876–1954) einen an französischer Lebenskunst geschulten Dandyismus vor. Der Sohn eines gescheiterten Warenhausbesitzers, der einige Jahre als Stenograf im Reichstag arbeitete, hielt sich von allen künstlerischen Cliquenbildungen fern und zelebrierte vor allem in Cabarets und Zeitschriften seine elegant-ironischen Großstadtpoeme. Dabei wollte er auf keinen Fall für „unvornehm halten, seriöseste Philosopheme zwischen Chansons und (zerebrale) Ulkigkeiten zu streuen“.
Antibourgeoisen Spott verband Hardekopf mit lässiger „Kammerspielkurzweil“. Statt weltanschauliches Pathos in Gedichte zu pressen, gab er lieber den einzelgängerischen Großstadt-Nomaden, der seinem „Spleen“ verfallen ist. So ist hier die Haltung seines „Abenteurers“, die er in seine „Privatgedichte“ von 1921 aufnahm, typisch für seinen Snobismus: Seine Ironisierung galt aber auch den individualistischen Geistern, die sich damit begnügen, „ins Weltgewoge zu blinzeln“ und „ins Private“ zu entschwinden.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009

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