Heinrich Heines Gedicht „Lied“

HEINRICH HEINE

Lied

Du bist wie eine Blume,
So hold und schön und rein;
Ich schau dich an, und Wehmut
Schleicht mir ins Herz hinein.

Mir ist, als ob ich die Hände
Aufs Haupt dir legen sollt,
Betend, daß Gott dich erhalte
So rein und schön und hold.

1823/1824

 

Konnotation

Dieses zarte Liebeslied gehört zu den populärsten und erfolgreichsten Evergreens aus Heinrich Heims (1797–1856) Buch der Lieder (1826). Es wurde im 19. Jahrhundert über zweihundert Mal vertont und fand große Verbreitung in ganz Deutschland. Nach Auskunft von Zeitzeugen entstand der Text während Heines Aufenthalts in Lüneburg im Winter 1823/1824.
Der Vergleich der Geliebten mit einer Blume ist ein zentraler Topos in Heines Liebesgedienten. Die überlieferten Details zum biografischen Hintergrund dieses „Wehmut“-Lieds sind allerdings widersprüchlich. Einig ist sich die Heine-Forschung in der Mutmaßung, dass hier ein unglückliches jüdisches Mädchen die Rolle der angebeteten Frau einnimmt. Die „Reinheit“ der Geliebten wird in der zweiten Strophe mit einem sakralisierenden Appell bekräftigt. Der Dichter und Literaturkritiker Werner Kraft hat den Wunsch des Ich nach Handauflegung als jüdische Segensgebärde gedeutet.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010

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