Henning Ahrens’ Gedicht „Montag, du“

HENNING AHRENS

Montag, du

Die Maus liegt da, von der Falle erschlagen.
Das Kätzchen schleckt die Milch vom Teller.

Ich schau auf dem Boden nach, suche im Keller,
durchstöbere Schuppen und Wäschekammer,

aber du bist verschwunden. Die Puschen
im Flur sind noch fußwarm, dein Mantel

riecht regennass, und in der Dusche
liegen drei dunkle Haare. Das Kätzchen,

inzwischen gesättigt, schlüpft schnurrend
in mein Bett – o Mann, mir wird immer

blümeranter… Ich lösch die Lampen,
stolpere unterbelichtet durchs Zimmer,

ahnend: Man kann nicht alles ergründen.
Aber am Freitag werd ich dich finden.

nach 2000

aus: Henning Ahrens: Kein Schlaf in Sicht. S. Fischer Verlag, Frankfurt a.M. 2008

 

Konnotation

Dieses Gedicht macht nicht viel Aufhebens von sich. Es liest sich wie ein Notat aus dem Diarium eines Verlassenen. Das einsame Ich erstellt einen Zwischenbericht und sammelt die Spuren eines auf unabsehbare Zeit verschwundenen Du. Der Lyriker und Erzähler Henning Ahrens (geb. 1964) hat der langen Literaturgeschichte der Liebe und des Verlassenwerdens ein weiteres kleines Kapitel hinzugefügt.
Eine dergestalt kolloquial angelegte Lyrik, die sich in einer gewissen Lässig-, ja Zutraulichkeit ihren Lesern nähert, läuft Gefahr, sieb vorbehaltlos einem entspannten Parlando-Ton zu überlassen. Hier wird die Schwermut aber kunstvoll hinter ironischen Beschwichtigungsgesten versteckt: „o Mann, mir wird immer / blümeranter…“: Es wird als leichter Schwindel ausgegeben, was das Subjekt in Wahrheit tief erschüttert hat. Poetische Leichtigkeit und Zuversicht gelten als bewährte Gegenmittel gegen die drohende Verzweiflung.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009

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