Matthias Buths Gedicht „Weit“

MATTHIAS BUTH

Weit

Und Du ziehst Dich
In Dein enges Ich zurück
Um in dieser Dunkelkammer
Eine neue Ebene zu sehen

Der Regen stellt eine graue Schieferplatte
Ans Fenster

2005/2006

aus: Matthias Buth: Zwischen mir und vorbei. Landpresse Verlag, Weilerswist 2007

 

Konnotation

Gedichte kann man auch als Mittel der Verinnerlichung längst historisch gewordener Zustände auffassen. In diesem Sinne erlauben sie den Gebrauch als anthropologische Erkenntnisinstrumente. Über die Versenkung in poetisches Sprechen können vergangene Menschenalter und sogar Erdzeitalter vor dem inneren Auge wiedererstehen. Vermutlich ähnlich „weit“ wagt sich der Blick vor in dem Gedicht von Matthias Buth (1951 in Wuppertal geboren, lebt in der Nähe von Köln).
In Buths Gedicht scheint die Versenkung in die Dunkelkammer des eigenen Ichs das Subjekt in die Lage zu versetzen, Wahrnehmung auf neue Weise zu erleben. Der Vorgang folgt dem Paradox mystischer Weltschau, erst die vollständige Reduktion sinnlicher Wahrnehmung führe zu einer Einsicht in das Wesen der Welt. Das Wort „Ebene“ scheint in seiner Vieldeutigkeit daher bewusst gewählt zu sein. Es deutet sowohl auf eine neue Qualität des Sehens hin, als auch auf eine andere Landschaft, die aus dem Dunkel der geschlossenen Augen hervorscheint.

Norbert Lange (Gedichtkommentar) Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010

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