NIKOLAUS LENAU
Frage
O Menschenherz, was ist dein Glück?
Ein rätselhaft geborner,
Und, kaum gegrüßt, verlorner,
Unwiederholter Augenblick!
1834
Sein privates Lebensglück hat der aus dem ungarischen Teil der Habsburger Monarchie stammende Dichter Nikolaus Lenau (1802–1850) stets verfehlt: Vier abgebrochene Studiengänge, mindestens zwei unglückliche Liebschaften, eine gescheiterte Auswanderung nach Amerika, eine abgelehnte Ästhetik-Professur, ein Ende im Wahnsinn. Franz Nikolaus Niembsch, der sich in Anlehnung an seinen Großvater, den „Edlen von Strehlenau“, den Dichternamen Lenau gab, war ein lyrischer Experte des Seelenschmerzes.
In seiner 1834 erstmals veröffentlichten Miniatur konzediert Lenau immerhin die Möglichkeit des Glücks. Auch wenn es nur als eine punktuelle Erfahrung und als ein für immer verlorener, unwiederholbarer Moment charakterisiert wird. Auf einem Zettel an seine unerreichbare Liebe Sophie von Löwenthal hatte Lenau dagegen sein Verfallensein ans Unglück festgehalten: „Mein Unglück ist mir mein liebstes, weil es von dir kommt, und ich betrachte es gerne im verklärenden Lichte eines allgemeinen Verhängnisses.“
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007
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