PETER HANDKE
Die Verlassenheit
Ruckhaft stand ich auf
(mit dem heißen Gesicht eines Wahnsinnigen)
Der Boden des Raums spiegelte
und die Dinge lagen zur Hand
wie ausgerissene Pflastersteine
In die wegstiebende Katze schlug mein Messer ein
Es gab bis über die Höhe der Augen
keine Außenwelt mehr
1977
aus: Peter Handke: Leben ohne Poesie. Hrsg. V. Ulla Berkéwicz. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 2007
Das „hoffnungsbestimmte poetische Denken, das die Welt neu anfangen lässt“, hat Peter Handke (geb. 1942) dereinst in seiner Büchnerpreis-Rede als Antriebsmoment seines Schreibens bestimmt. Die poetischen Augenblicke, die der passionierte Erzähler Handke eher selten in Gedichte verwandelt, können allerdings jähen Wechseln unterliegen – Zustände von Zuversicht und plötzlicher Verzweiflung, von beseligtem Glücksgefühl und ernüchternder Realität lösen sich in unberechenbarer Folge ab. Ein poetischer Augenblick kann auch ein Zustand der Panik sein, wie hier in einem Text aus dem 1977 publizierten Band Das Ende des Flanierens.
Das Weltgefühl von Handkes Ich ist instabil, immer wieder kann die im Schreiben gewonnene Ordnung zu bedrohlichen Einzelheiten auseinanderbrechen. Dann stiften die vorgefundenen Dinge keinen geheimnisvollen Sinn (wie etwa in der Erzählung Die Stunde der wahren Empfindung von 1975), sondern fügen sich zu Zeichen des Unglücks. In solchen Momenten widerfährt dem Ich ein elementarer Weltverlust.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010
Schreibe einen Kommentar