PETER MAIWALD
Mitteleuropa, verbessert
Abschied von Sonnenstaaten
wo keine Sonne schien.
Es stehn Mercedessterne
über der Stadt Berlin.
Goodbye den Fledermäusen
und ihrem Zukunftslot.
Es weint in den Gehäusen
Melancholie sich tot.
Adieu Historienengel
blutiger Flügelschlag.
Europa im Gedrängel
macht Nacht zum Tag.
Willkommen Abendländler
solang die Wimper hält.
Vorm Haus die toten Pendler
der ewig letzten Welt.
1992
aus: Peter Maiwald: Springinsfeld. S. Fischer Verlag, Frankfurt a.M. 1992
Vom Agitprop-Autor zum versierten Formkünstler und Bänkelsänger: Im Fall des 1946 geborenen Dichters Peter Maiwald vollzog sich diese politische und literarische Metamorphose ziemlich schroff. Der Aktivist der DKP, der nach der Gründung der Zeitschrift Düsseldorfer Debatte 1984 bei der Partei in Ungnade fiel, wandelte sich zum Virtuosen der eingängigen Volksliedstrophe, der Liebes-Ballade und der politischen Moritat. „Maiwalds Schlichtheit“, so Lobte ihn Karl Krolow (1915–1998), „hat es in sich.“
In einer forciert politischen Umdeutung eines Romantitels von Oswald Wiener (Die Verbesserung von Mitteleuropa) skizziert Maiwald in grimmigen Versen das neue Berlin nach der Wende von 1989/90. Der Mercedes-Stern über dem Westberliner Europa-Center war einst protziges Symbol des Wirtschaftswunders. Im Zeitalter des Turbokapitalismus („Europa im Gedränge!“) haben sich die Insignien des Reichtums vermehrt – mit ihnen aber die Opfer von Armut und Verelendung.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008
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