Theodor Storms Gedicht „Lied des Harfenmädchens“

THEODOR STORM

Lied des Harfenmädchens

Heute, nur heute
Bin ich so schön;
Morgen, ach morgen
Muß Alles vergehn!
Nur diese Stunde
Bist du noch mein;
Sterben, ach sterben
Soll ich allein.

nach 1850

 

Konnotation

Theodor Storm – 1817 geboren in Husum und 1888 in Hanerau-Hademarschen gestorben – wird vielen wohl nur durch seine Novelle „Der Schimmelreiter“ ein Begriff sein. Tatsächlich begründete die Prosa seinen Ruf, doch auch als Lyriker besitzt Storm keine geringe Bedeutung für die Literatur des bürgerlichen Realismus. Der Lyriker, so notierte Storm einmal, müsse sein Empfinden in eine Erfahrung verwandeln, die es mit dem Gedicht in jedem seiner Teile zu vermitteln gelte.
Ein einfaches, volkstümlich klingendes Lied, vermutlich von einer Straßensängerin gesungen, wie sie zu Storms Zeiten noch häufig über die Lande zogen. Bei aller Romantik, die hier in der zarten liedhaften Strophe gegeben wird, verbirgt sich in den Versen ein verführerisches Angebot. Aus bürgerlichen Anstellungen entlassen und ohne Stand, geschah es nicht selten, dass diese Straßensängerinnen sich der Prostitution hingeben mussten. Der Gesang diente demnach nicht direkt dem Gelderwerb, sondern der Werbung für das eigene Fleisch.

Norbert Lange (Gedichtkommentar) Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010

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