Unbekannter Autor Gedicht „Es ist der Menschen Weh und Ach so tausendfach“

UNBEKANNTER DICHTER

Es ist der Menschen Weh und Ach so tausendfach

Wie bin ich krank,
Gebt mir nur einen Trank,
Nur keine Pulver,
Und keine Pillen,
Die können meinen Schmerz nicht stillen:
Wie bin ich krank!

Wie bin ich matt!
Kaum eß ich mich nur satt;
Des Fiebers Wüten
Durchwühlt den Körper,
Schwächt alle Glieder:
Wie bin ich matt!

Ich sterbe ja,
Drum gute Nacht;
Mein Testament ist gemacht,
Sag meiner Phillis,
Sag mein Verlangen,
Dort seh ich sie, sie kommt gegangen,
Küß mir den Mund:
Ich bin gesund.

18. Jahrhundert

 

Konnotation

Ein beliebtes Thema der Schäferdichtung ist der Bericht von einer spröden, abweisenden Geliebten, der ein Liebender gegenübersteht, der ihr völlig ausgeliefert ist, sich nach ihr verzehrt und leidet. Im folgenden Studentenlied kippt die pathetische Formel der Schäferdichtung. War Phillis dort eine sehnsüchtig Geliebte, so durchglüht ihre Existenz zwar den Singenden und schüttelt ihn mit Fieber, das Studentenlied kennt aber eine weniger spröde Phillis. Dahinter verbirgt sich auch ein böser Scherz.
Der Wechsel von Liebesschmerz zu Liebeslust am Ende der letzten Strophe trägt eine doppelte Ironie: Zunächst gibt sie die Unstetigkeit des Sängers preis, doch hinter der Parodie der literarisch verbrieften Phillis-Figur versteckt sich wie in einem anderen Studentenlied der derbe Hinweis auf eine Folge unsteten Lotterlebens – nämlich eine Geschlechtskrankheit. „Oh, süsse Phillis, erhör unser flehen.“

Norbert Lange (Gedichtkommentar) Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010

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