Walter Helmut Fritz’ Gedicht „Die Zuverlässigkeit der Unruhe“

WALTER HELMUT FRITZ

Die Zuverlässigkeit der Unruhe

Nicht einwilligen.
Damit uns eine Hoffnung bleibt.

Mit den Dämonen
rechnen.

Die Ausdauer bitten,
sie möge mit uns leben.

Die Zuverlässigkeit der Unruhe
nicht vergessen.

1966

aus: Walter Helmut Fritz: Die Zuverlässigkeit der Unruhe. Hoffmann & Campe, Hamburg 1966

 

Konnotation

Bereits vor einem halben Jahrhundert hat der 1929 geborene Lyriker Walter Helmut Fritz das Programm seiner „Poesie ohne Aufwand“ markiert: Achtsam sein, der Titel seines ersten Gedichtbandes (von 1956), verweist auf das Bedürfnis nach genauer, unaufdringlicher Weltwahrnehmung. Die Beobachtung des alltäglichen Augenblicks zog Fritz immer der gedankenlyrischen Reflexion vor. Einzig in seinem Band Die Zuverlässigkeit der Unruhe gestattet er sich im Titelgedicht eine eindringliche Selbstermahnung.
Anders als seine lyrischen Zeitgenossen, die im Zuge der Politisierung der Lyrik nach 1966 auf ideologiekritische Direktheit und einen aufklärerischen Gestus setzten, plädierte Fritz damals für eine diskrete Form der Dissidenz. Sein Bekenntnis zum Nicht-Einverstandensein, zur Tugend der Geduld und der ausdauernden Abwehr der Dämonen kommt ganz ohne appellative Aufregung aus. Der Dichter führt nur sein unspektakuläres Selbstgespräch fort – so wie er es in seinen taktvollen Gedichten bis heute getan hat.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007

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