Michael Fisch & Thomas Wohlfahrt (Hrsg.): Weltklang – Nacht der Poesie

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Michael Fisch & Thomas Wohlfahrt (Hrsg.): Weltklang – Nacht der Poesie

Fisch & Wohlfahrt (Hrsg.)-Weltklang – Nacht der Poesie

ERDE OHNE RÜCKKEHR

Selbst wenn du heimkehrtest, Odysseus
Selbst wenn die Fernen dir zu eng würden
Oder in dem kummervollen Gesicht
Und der vertrauten Angst
Der Führer verbrennte
Bleibst du die Geschichte eines Abschieds
Bleibst du auf einer Erde ohne Verheißung
Bleibst du auf einer Erde ohne Rückkehr
Selbst wenn du heimkehrtest, Odysseus.

Adonis
Übersetzung Stefan Weidner

 

 

 

Gedichte sind Musik?

Nur für uns Mitteleuropäer scheint es selbstverständlich, daß Poesie und Buch a priori zusammengehören. In vielen anderen Kulturen haben sich orale Traditionen erhalten, in deren Umfeld auch der Vortrag von Gedichten gehört. Es ist ein Phänomen der letzten zehn Jahre, daß aus den großen Metropolen der westlichen Welt in neuer Form und mit neuen Haltungen das Gedicht wieder zum öffentlichen Vortrag kommt. Zu loben sind die Verlage, die trotz schlechter Verkaufszahlen die Produktion von Gedichtbänden nicht eingestellt haben, zumal Lyrikveranstaltungen sich eines immer größeren Besucherkreises erfreuen.
Gedichte sollte man laut sprechen, und Gedichte wollen gehört werden. Laut vorgetragen offenbaren sie ihre Musikalität. Der Rhythmus ergibt sich aus der strengen Form des Verses, in der im Rhythmus aufgehobenen Abfolge von Vokal- und Konsonantenreihen entsteht Klang. Das Gedicht gehört zu den ältesten künstlerischen Zeugnissen der Menschheit. In ihm sind der Tanz und der Gesang aufgehoben. Wo auch immer auf der Welt und in welcher Sprache auch immer gesprochen, ist das Gedicht als Gedicht erkennbar, als geformte Sprache, als Wortkonzert.
Indem Sie diese Zeilen lesen, möchte ich Sie eigentlich zum Hören bewegen, zum Zuhören. Für die Veranstaltung Weltklang – Nacht der Poesie haben wir Dichterinnen und Dichter aus fast allen Erdteilen eingeladen. Gemeinsam ist ihnen, daß sie – bei aller Verschiedenheit des Dichtens – ein Konzert geben. Die Stimme des Dichters besitzt eine eigene Erotik, einen eigenen Esprit.
Inspiriert von dieser Dichtung hat die Lichtkünstlerin Gunda Förster einen architektonischen Raum aus Bühne, Licht und Klang geschaffen. Jedes Gedicht erhält somit einen eigenen Lichtraum.
Natürlich sind Gedichte welthaltig, sie bedeuten etwas. Wir haben uns dennoch entschlossen, ausschließlich den Sprachen und Stimmen der Dichter zu lauschen. Die deutschen Übersetzungen sind in diesem Lesebuch zusammengefaßt. Lesen Sie es wie ein Programmheft. Sehr, sehr herzlich sei den Übersetzern gedankt, die uns in die Lage versetzen, dem Wortkonzert auch dort zu folgen, wo es mitteilt.
Weltklang – Nacht der Poesie ist die künstlerische Abschlußveranstaltung des Literatur Express Europa 2000. Weltklang – Nacht der Poesie findet auf dem Potsdamer Platz statt, mitten im neuen Zentrum von Berlin, das eigentlich das alte ist. Dies ist nicht nur ein Novum für diesen Platz, sondern auch für Berlin. Literatur hat die öffentlichen Plätze erobert, Gedichte den Potsdamer Platz. Daraus eine Tradition in dieser Stadt zu entwickeln, wäre eine schöne Konsequenz…

Thomas Wohlfahrt, Vorwort

 

 

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