DRÜBEN
Erst jenseits der Kastanien ist die Welt.
Von dort kommt nachts ein Wind im Wolkenwagen
und irgendwer steht auf dahier…
Den will er über die Kastanien tragen:
„Bei mir ist Engelsüß und roter Fingerhut bei mir!
Erst jenseits der Kastanien ist die Welt…“
Dann zirp ich leise, wie es Heimchen tun,
dann halt ich ihn, dann muß er sich verwehren:
ihm legt mein Ruf sich ums Gelenk!
Den Wind hör ich in vielen Nächten wiederkehren:
„Bei mir flammt Ferne, bei dir ist es eng…“
Dann zirp ich leise, wie es Heimchen tun.
Doch wenn die Nacht auch heut sich nicht erhellt
und wiederkommt der Wind im Wolkenwagen:
„Bei mir ist Engelsüß und roter Fingerhut bei mir!“
Und will ihn über die Kastanien tragen –
dann halt, dann halt ich ihn nicht hier…
Erst jenseits der Kastanien ist die Welt.
Zu den Gesammelten Werken
Die hier vorgelegte Ausgabe der Werke Paul Celans vereinigt in fünf Bänden das lyrische Œuvre (Bde. 1–3), Prosa und Reden (Bd. 3) sowie die Übertragungen aus sieben Sprachen mit den zugrundeliegenden Originaltexten (Bde. 4 und 5). Es werden damit die bisher einzeln erschienenen Teile des Gesamtwerks versammelt, die Celan selbst für die Veröffentlichung bestimmt und deren Publikation er erlebt oder doch wenigstens noch vorbereitet hat. Eingeschlossen sind einige nachgelassene Werke – in den entsprechenden Bänden ist jeweils besonders auf sie verwiesen –, die eine bestimmte Publikationsreife erkennen lassen und daher im Einverständnis mit den Erben Celans nach seinem Tod veröffentlicht wurden.
Die Ausgabe soll den Zweck erfüllen, die bisher weit verstreut publizierten Werke Celans, darunter nicht mehr oder nur schwer Erreichbares, zusammenzuführen und damit allen Interessierten leichter zugänglich zu machen. Eine solche Wiedergabe der Werke im Zusammenhang dient nicht zuletzt der Möglichkeit, Beziehungen zwischen den einzelnen Werkkomplexen, vor allem zwischen der Lyrik und den Übertragungen, genauer zu erkennen oder überhaupt erst zu entdecken. Die Gesammelten Werke wollen und können keine Edition mit textkritischem Anspruch im engeren Sinn sein und stellen daher keinen Vorgriff auf die historisch-kritische Celan-Ausgabe dar, die ihre anderen und weitergespannten Ziele besitzt. Der Wortlaut der hier erscheinenden Texte folgt (bis auf einige jeweils im Nachwort angezeigte Ausnahmen) den Druckfassungen der Einzelpublikationen, die für die vorliegende Ausgabe mit dem Bemühen überprüft wurden, einen von Druckfehlern gereinigten Text vorzulegen.
Zu Band 3
Der dritte Band der Gesammelten Werke, der Lyrik, Prosa und Reden umfaßt, setzt mit Celans erstem Gedichtband Der Sand aus den Urnen ein. Das Buch war 1948 in Wien im Verlag A. Sexl erschienen, nachdem Celan diese Stadt bereits wieder verlassen und seinen Wohnsitz in Paris genommen hatte. Als er die Zahl der zum Teil sinnstörenden und nicht immer als solche erkennbaren Druckfehler wahrnahm – die Korrektur der Druckfahnen war nicht von ihm selbst besorgt worden –, zog er den Band zurück, ohne ihn je wieder auflegen zu lassen. Rund die Hälfte der Gedichte, darunter die „Todesfuge“, das Gedicht, das ihn berühmt machte, übernahm er allerdings, mit gewissen Textveränderungen, in seine nächste Gedichtsammlung, Mohn und Gedächtnis, die 1952 erschien und die Folge seiner bis Schneepart (1971) reichenden acht autorisierten Gedichtbücher (Band 1 und 2 der Gesammelten Werke) eröffnet, die als der Kernbestand seines lyrischen Werks anzusehen sind.
Wenn Celan den Freunden gegenüber dennoch Gewicht auf die Existenz seines Erstlingsbuches legte und gerne die Katalognummer des in der Wiener National-Bibliothek vorhandenen Exemplars mitteilte, so deshalb, weil mit diesem Band, der Gedichte aus den Jahren 1940 bis 1948 enthält, unwiderlegbar die Stufe dokumentiert ist, die seine Lyrik spätestens auf der Wiener Zwischenstation erreicht hatte. Der Abdruck im vorliegenden Band folgt Celans Handexemplar von Der Sand aus den Urnen und berücksichtigt die dort von ihm eingetragenen Druckfehlerkorrekturen.
Bei der sich hier anschließenden Sammlung von spätesten Gedichten, Zeitgehöft (1976), handelt es sich um eine Nachlaßpublikation im eigentlichen Sinn, d.h. Celan hat die Gedichte nicht mehr für den Druck vorbereitet. Sie bilden den Textbestand von drei im Nachlaß vorgefundenen Konvoluten, deren erstes die Aufschrift „Zeitgehöft“ trägt. Die Gedichte sind chronologisch geordnet, mit Ausnahme von „Mandelnde“, das am Anfang des zweiten Konvoluts eingereiht war und vom 2. September 1968 datiert ist. Die übrigen dieser nachgelassenen Gedichte sind zwischen dem 25. Februar 1969 und dem 13. April 1970 entstanden.
Die folgende Abteilung „Verstreute Gedichte“ enthält, chronologisch nach dem Datum der Erstpublikation geordnet, die wenigen Gedichte, die von Celan einzeln veröffentlicht, aber nie in einen der Gedichtbände aufgenommen wurden. Zwei dieser Gedichte, „Abzählreime“ und „Großes Geburtstagsblaublau“, erschienen zu seinen Lebzeiten je zweimal, wobei der Abdruck in diesem Band den veränderten späteren Veröffentlichungen folgt.
Bei den unter dem Titel „Eingedunkelt“ zusammengefaßten elf Gedichten, die im Frühjahr 1966 entstanden sind, handelt es sich um einen fragmentarischen Zyklus, den Celan für die Publikation im Sonderband der Bibliothek Suhrkamp Aus aufgegebenen Werken (1968) zur Verfügung stellte. Schließlich sei darauf verwiesen, daß das Gedicht „Beidhändige Frühe“, mit dem die Abteilung „Verstreute Gedichte“ schließt, 1970 nach Celans Tod zum erstenmal veröffentlicht wurde.
Nicht aufgenommen in diese Ausgabe wurde die kleine Zahl früher Gedichte, die nach dem Tod Celans unautorisiert erschienen sind, darunter auch einige in rumänischer Sprache geschriebene.
Im Mittelpunkt der im vorliegenden Band überdies vereinigten poetisch-essayistischen, aphoristischen und poetologischen Prosa (der sich ein in französischer Sprache geschriebener und erstmals 1970 nach Celans Tod publizierter Einzelsatz anschließt) steht das im August 1959 aufgezeichnete „Gespräch im Gebirg“. Dieses einzige von Celan selbst zur Veröffentlichung gebrachte Beispiel erzählender Prosa kann als der Celansche Gegenentwurf zu Büchners ebenso singulärer „Lenz“-Erzählung betrachtet werden. Der Wortlaut dieses Prosastücks folgt der Erstveröffentlichung.
Der Abdruck des Textes „Edgar Jené und der Traum vom Traume“ (1948) berücksichtigt Celans Druckfehlerkorrekturen in seinem Handexemplar. Die Bilder des surrealistischen Malers Jené (*1904), auf die der Text genauer eingeht, tragen die folgenden Titel: „Ein Segel verläßt ein Auge“ (1948), „Sohn des Nordlichts“ (1948), „Das rote Meer geht über Land“ (1947) und „Lasset uns schwören im Schlafe“ (1947). Die Prosatexte sind chronologisch nach dem Datum ihrer Erstveröffentlichung geordnet. Textüberschriften, die nicht von Celan stammen, sowie erklärende Zusätze zu den Antworten, die Celan auf Umfragen gab, stehen, kursiv gesetzt, in Klammern.
Nicht aufgenommen in diesen Band sind zwei kurze Einführungen Celans zu seinen Übertragungen der Gedichte Ossip Mandelstamms und der Dichtung Die Zwölf von Alexander Block. Sie finden sich beide im Anhang zu Band 5 der Gesammelten Werke (Übertragungen II). Gänzlich ausgeschlossen bleiben frühe, auf deutsch und rumänisch geschriebene Prosatexte, die nach Celans Tod unautorisiert veröffentlicht wurden.
Aus Anlaß zweier Preisverleihungen ist Celan mit für das Verständnis seines Werks höchst aufschlußreichen REDEN an die Öffentlichkeit getreten. Der Wortlaut der Bremer Ansprache folgt dem Einzeldruck aus dem Jahr 1958. Die Büchner-Preis-Rede „Der Meridian“ wird nach dem Separatdruck von 1961 wiedergegeben, allerdings ohne die abschließenden Dankformeln, die Celan anläßlich des Neudrucks der Rede in den Ausgewählten Gedichten von 1968 ausgeschieden hat.
Einer kurzen dritten Rede, der „Ansprache vor dem Hebräischen Schriftstellerverband“ von 1969, die erst nach Celans Tod im Druck erschien, liegt das eigenhändige Redemanuskript zugrunde, wie es 1972 als Faksimile publiziert und im vorliegenden Band unter die Abbildungen aufgenommen wurde.
Für den gesamten Band gilt, daß offensichtliche Druckfehler verbessert wurden. Die Konstitution eines nach philologischen Grundsätzen zu edierenden Textes muß auch hier der historisch-kritischen Ausgabe vorbehalten bleiben.
Eine Übersicht über sämtliche in den Bänden 1–3 der Gesammelten Werke enthaltenen Gedichte gibt das alphabetische Verzeichnis der Gedichttitel bzw. -anfänge im Anhang. Dort finden sich auch die genauen bibliographischen Angaben zu allen in den vorliegenden Band aufgenommenen Texten. Bei Mehrfachpublikationen sind die Druckvorlagen besonders gekennzeichnet. Über die Abbildungen des dritten Bandes informiert ein spezielles Verzeichnis, das sich ebenfalls im Anhang befindet.
Für die Überlassung der Rechte, die nicht bei den Erben Celans oder dem Suhrkamp Verlag liegen, danken Herausgeber und Verlag den jeweiligen Rechtsinhabern (die entsprechenden Copyright-Vermerke sind in die Bibliographie aufgenommen).
Beda Allemann Stefan Reichert, Januar 1983, Nachwort
– Eine schöne Edition, mit Mängeln: die erste Gesamtausgabe der Werke des Dichters Paul Celan. –
Dreizehn Jahre nach Paul Celans Tod fällt es nicht leicht, das Erscheinen seiner Gesammelten Werke nur mit Genugtuung zu begrüßen. Diese fünfbändige Ausgabe kommt zu spät und zu früh, wird aber ein paar Jahre lang unentbehrlich bleiben. Den Herausgebern ist zu danken – Beda Allemann, Stefan Reichert, assistiert von Rolf Bücher –, und auch dem Suhrkamp Verlag, der bei der Wahl seiner Editoren für Gesamtausgaben nicht immer eine so glückliche Hand bewies. (Auf die Revision des ersten Bandes der Günter-Eich-Ausgabe wartet man nach einem Jahrzehnt noch immer.)
Zu spät kommen diese Gesammelten Werke in fünf Bänden, weil sie bereits vor einigen Jahren möglich, erwünscht und nötig wären. 1975 erschien eine Sammelausgabe der Celanschen Lyrik in zwei Bänden der Bibliothek Suhrkamp. Sie war so gewissenhaft redigiert, daß sie jetzt völlig text- und seitengleich übernommen werden konnte (= Band 1 und 2).
Gewiß wäre es möglich gewesen, die Bände 3–5 ebenfalls so zu präsentieren; für Celans Übersetzungen war dies sogar angekündigt worden. Statt dessen muß man jetzt zum höheren Preis noch einmal kaufen, was man schon hat, und gewiß nicht zum letztenmal. Denn wer sich für Celans Werk ernsthaft interessiert, wartet längst auf eine andere, auf die Historisch-Kritische-Ausgabe (HKA). An ihr wird unter Beda Allemanns Leitung seit 1972 an der Universität Bonn gearbeitet; die Deutsche Forschungsgemeinschaft subventioniert sie, und auf ihrer Grundlage werden später noch einmal „Gesammelte Werke“ erscheinen müssen. Die heutige Ausgabe will „kein Vorgriff“ sein, doch kommt ihr die Identität der Herausgeber sehr zugute.
Übrigens waren die ersten Bände der HKA bereits für Ende der siebziger Jahre in Aussicht gestellt. Die jetzige Ausgabe enthält keinen modifizierenden Hinweis. Durch Nachfrage war zu erfahren, daß die Bonner Editoren die Druckvorlage eines Doppelbandes (Text und Apparat) im Frühjahr 1984 beim Verlag abliefern werden, so daß mit seiner Veröffentlichung vielleicht für Anfang 1985 zu rechnen ist. Dieser Doppelband soll die spätere Hälfte der Celanschen Dichtung enthalten, von Atemwende bis Schneepart. Der Textteil kann nur ein Reprint des Reprints der „Gesammelten Werke“ sein, der Apparat-Band aber wird die Entstehungsprozesse der späten Gedichte dokumentieren, er wird zeit-, lebens- und bildungsgeschichtliche Kommentierungen enthalten und Einblicke, in Celans Schaffensweise vermitteln – er dürfte das Bild des Dichters wesentlich verändern. Darauf ist man seit langem gefaßt, und deshalb – in Erwartung dir HKA – tritt auch die Celan-Forschung seit Jahren mit einiger Ungeduld auf der Stelle. Peter Szondi hatte, noch kurz vor seinem Ende das Gedicht „Eden“ mit einem Kommentar versehen und buchstäblich jede Wendung dieses besonders widerständigen Textes auf zeit- und lebensgeschichtliche Daten durchsichtig gemacht; es war der Kommentar eines Mitwissenden. Und 1972 durfte Rudolf Bücher – Privileg eines Bonner Celan-Editors – zehn stark differierende Fassungen des „Blume“-Gedichtes mitteilen, aus denen sich erkennen läßt, auf welch schwankendem Boden jede textinterne Auslegung bei Celan steht: Abbau der „Verständlichkeit“ durch Überlagerungen, Verdichtung, Verrätselung, so stellt sich der Entstehungsvorgang dieses Gedichtes dar. Seine biographische Inschrift ist lesbar geworden: das Wort „Blume“ im Spracherwerb des Sohnes Eric. Durch solche Einblicke sieht sich das Verstehenwollen auf den Nachvollzug der einzelnen Komprimierungsphasen verwiesen.
Es scheint, als müßten wir die Botschaft eines Celanschen Gedichtes nicht nur in seiner Endgestalt, sondern zugleich im Gesamtvorgang seiner Genese suchen: im Resultat die poetische Arbeit bedenken. Dann stünden die vielleicht wichtigsten Einblicke in das Wesen dieser Poesie erst noch bevor. Der Begriff des „Gedichtes“ wäre für Paul Celan zu erweitern – er müßte, auf Wirkung und Entstehung der Texte bezogen, entschieden prozessual gedacht werden. Der hermetische Charakter der Endgestalt bliebe zwar bestehen, der Affront ihrer Esoterik wäre unvermindert gegen die auf Denaturierung programmierte geschichtliche Welt gerichtet, aber dem Leser wäre die Tür geöffnet: Er könnte nun als ein Wissender an die Seite des Dichters in die Front seines Widerstandes treten.
Schon 1975 hatte Beda Allemann warnend darauf hingewiesen, daß man jene Kriterien erst noch werde entwickeln müssen, „die eine reflektierte Aufnahme der zweiten und, wenn eine Steigerung möglich war, bedeutenderen Hälfte von Celans lyrischem Lebenswerk erst möglich machen…“ Das Erscheinungsbild Paul Celans wird also nächstens noch an Schärfe gewinnen.
Diese Veränderung ist schon im Gange, und sie betrifft auch das Frühwerk, das nun allmählich aus der Verschwiegenheit auftaucht, in die es Celan versenkt hatte. So weiß man aus Israel Chalfens Biographie von einer handschriftlichen Gedicht-Sammlung aus dem Besitz von Ruth Lackner. Etliche Texte – Verse, aber auch Prosatexte in deutscher und rumänischer Sprache – wurden inzwischen teils durch Zitationen, teils durch unautorisierte Drucke post mortem bekannt. Von ihrer vollständigen Veröffentlichung ist mehr als nur eine Ergänzung des Gesamtwerks zu erwarten: sie werden die Konsequenz zu erkennen geben, mit der sich dieses einzigartige jüdische Lebenswerk – geschrieben in der Sprache der Mutter und der Muttermörder – entwickelte.
Leider steht keiner dieser frühen Texte in der jetzigen Gesamtausgabe. Man könnte es vielleicht verstehen, denn sie sind ja nicht „autorisiert“. Aber gilt nicht das gleiche auch für die Gedichte der Sammlung Der Sand aus den Urnen, die Celan 1948, sofort nach dem Druck, zurückzog? Sie wurden nach Celans Handexemplar redigiert und stehen nun, dankenswerterweise, im 3. Band. Ebenso die Nachlaß-Veröffentlichung Zeitgehöft, Celans späteste Verse. Leider teilen uns die Herausgeber nichts über den Charakter der Handschrift mit. Aus der Faksimile-Ausgabe der gleichfalls postum veröffentlichten „Schneepart“-Gedichte kennt man die Entstehungsdaten für jeden Text. Beim Druck pflegte Celan solche Datierungen zwar zu streichen, wenn dies nun aber statt seiner die Herausgeber besorgen, so ist dies doch wohl ein nicht autorisierter Eingriff in ein nicht autorisiertes Manuskript.
Zu früh erscheint diese späte Gesamtausgabe deshalb, weil sie als Lese-Ausgabe zur HKA eben doch nicht in Betracht kommt. Die Herausgeber betonen dies, aber es rechtfertigt sicher nicht das Weglassen einiger Texte. So schrieb Celan für Roben Neumanns Anthologie 34 x Erste Liebe (1966) einen launig-ironischen Beitrag, der ein interessantes Unikum in seinem Œuvre darstellt: „Die Wahrheit, die Laubfrösche, die Schriftsteller und die Klapperstörche“. Schon aus der Neuauflage als Goldmann-Taschenbuch war dieser Text kommentarlos verschwunden. In der Gesamtausgabe wird nicht einmal seine Existenz erwähnt.
Ob die von Hugo Huppert (in: Sinnen und Trachten, Halle/Saale, 1973) wiedergegebenen Äußerungen Celans zu seinem Dichtungsverständnis nicht ebenfalls in diesen dritten Band gehört hätten, darüber kann man vielleicht geteilter Meinung sein. Ein anderer einzelner Satz („la poesie“, 1970), freilich ein „autorisierter“, wird uns mitgeteilt… Weshalb fehlt dann aber jene interessante Bemerkung, er, Celan, habe in seinem ersten Gedichtband „noch verklärt“, und das werde er „nie wieder“ tun? Sie stand am 27. Januar 1958 in der Tageszeitung Die Welt.
Damit kein falscher Eindruck entsteht: dieser dritte Band ist für jede Auseinandersetzung mit Celan unersetzlich. Er enthält unter anderem die Büchnerpreis-Rede und das „Gespäch im Gebirg“ – zwei Grundtexte. Vor allem aber sind nun jene frühen Prosagedichte auf Bilder von Edgar Jene leichter zugänglich: „Edgar Jene und der Traum vom Traume“. Nicht nur dieser Titel erinnert sehr an Jean Paul. Auch in den lyrischen Aphorismen „Gegenlicht“ (1949) – eine kleine Entdeckung – klingt der Ton Jean Paulscher „Streckverse“ nach. („Vergrabe die Blume und lege den Menschen auf dieses Grab.“) – Apropos: Bei den Gedichten Band 3, Seite 21 und 53, hat jemand die Widmungen an Margul Sperber und Jene vertauscht – vermutlich der Setz-Roboter.
In den Bänden 4 und 5 stehen alle druckreifen „Übertragungen poetischen Charakters ins Deutsche“. Nicht nur Gedichte, aus sieben Sprachen, auch Picassos Drama Wie man Wünsche beim Schwanz packt (geschrieben 1945, übersetzt 1954) und Jean Cayrols Kommentar zu dem KZ-Film Nacht und Nebel (1956) von Alain Resnais – ein Text, den man im Deutschunterricht lesen sollte.
Celans Prosa-Übersetzungen wurden weggelassen, sie hätten mehrere Bände gefüllt: etwa Lermontovs Ein Held unserer Zeit, zwei Krimis von Simenon, Essays oder E.M. Ciorans Lehre vom Zerfall (neuaufgelegt bei Klett-Cotta, 1979).
Eine Bibliographie belegt eindrucksvoll Celans Übersetzer-Fleiß. Dank den Herausgebern! Vor allem auch dafür, daß sie jedem übersetzten Text das fremdsprachige Original beigegeben haben. Welche Schwierigkeiten dabei zu überwinden waren, nicht nur urheberrechtliche, deutet ihr Nachwort an.
Band 4 enthält alle Übertragungen aus dem Französischen, Gedichte von Gérard de Neval (gestorben 1855) bis zu Jean Daive (geboren 1941) – mehr als hundertsechzig Gedichte – Einzelstücke wie Paul Valéry „Die junge Parze“, aber auch Zyklen von André du Boucnet, Jules Supervielle oder Jacques Dupin. Hier werden Wahlverwandtschaften erkennbar – aber das gilt ebenso für Celans Nachdichtungen russischer Lyriker, mit denen Band 5 beginnt: Alexander Block, Mandelstam (dessen Gedächtnis Celan die Niemandsrose widmete), Jessenin und Jewtuschenko („Babij Jar“). Ferner einundzwanzig Sonette von Shakespeare, zehn Gedichte der seltener übersetzten Emily Dickinson (1830-86), einzelne Texte von Robert Frost, Marianne Moore und anderen Angelsachsen. Die italienische Poesie ist durch Giuseppe Ungaretti vertreten: einundsechzig Gedichte, darunter drei, die auch Ingeborg Bachmann übersetzte. An den portugiesischen Versen von Fernando Pessoa (1888–1935) hat E. Roditi mitgearbeitet.
Aus dem Hebräischen hat Celan nur fünf Gedichte von Davis Rokeah nachgedichtet; sie beruhen, wie fast alle bei uns bekannten Übertragungen Rokeahs auf dessen eigener Rohübersetzung – sehr eindrückliche Texte, schade, daß es nur fünf sind. Man hätte glauben wollen, daß sich Celan dem Hebräischen stärker verpflichtete. (Erst wenige Monate vor seinem Tod besuchte er Israel, 1969.)
Die Sammlung des Übertragungswerkes, zweisprachig, dürfte der Hauptgewinn dieser Ausgabe sein. Celan selbst fand seine Übersetzungsleistung unterbewertet – zu Recht. Noch heute ist kaum geklärt, in welchem Verhältnis hier Dichten und Nachdichten stehen. Fast immer hat Celan das fremde Gedicht seiner eigenen poetischen Sprechweise anverwandelt – der eigenen „heißerrungenen Manier“ (um es mit Georg Trakl zu benennen). Das schließt Übersetzer-Treue nicht aus, bewahrt aber den Text vor einer medialen Gleichgültigkeit der ihm zugewiesenen fremden Sprache. Erst durch das selbstbewußte Mitsprechen der Übersetzersprache werden die übertragenen Texte noch einmal Gedichte.
Wie man künftig (durch die HKA) die subjektive Folgerichtigkeit der Celanschen Schreibart aus der Genese seiner Gedichte wird besser verstehen lernen, so wird die Verfügbarkeit seiner „Manier“ erst beim Vergleich der Übersetzungen mit den fremdsprachigen Originalen erkennbar. Beides gehört zusammen. Erst dann wird auch nach dem Grenzverlauf zwischen „heißerrungener Manier“ und Manierismus gefragt werden können.
Celans Lebenswerk – diese epochale Trauerarbeit eines europäischen Juden im Medium des deutschen Gedichtes – hat seinen vollen Beunruhigungswert, seine volle Kenntlichkeit noch längst nicht erreicht. Wenn die Universität Haifa gerade ein Symposium über Paul Celan vorbereitet und wenn die israelischen Initiatoren auch an die Gründung einer Internationalen Gesellschaft denken, so sind solche Absichten sehr zu begrüßen – nicht um irgendeiner Betriebsamkeit willen, sondern der „Wahrheitszwänge, der Selbstevidenz und der weltoffenen Einmaligkeit großer Poesie“ wegen (Band III, Seite 203).
Hermann Burger: Paul Celans Bilder wissen mehr: Seine Gesammelten Werke in fünf Bänden
Frankfurter Allgemeine Zeitung. 10.12.1983
Peter Horst Neumann: Fünf Bände, zu spät und zu früh: Die erste Gesamtausgabe der Werke des Dichters Paul Celan
Die Zeit, Nr. 10. 2.3.1984
Jürgen P. Wallmann: Gedichte sind wie eine Flaschenpost. Paul Celans gesammelte Werke bei Suhrkamp
Rheinische Post, 22.2.1984
Das lyrische Œuvre Paul Celans, soweit es bis dahin der Öffentlichkeit zugänglich war, ist nach dem Tode des Dichters im Frühjahr 1970 durch die maßgebende Literaturkritik einhellig als eines der bedeutendsten der deutschen Nachkriegsliteratur bezeichnet worden. Schon früh hat auch die wissenschaftliche Germanistik der Lyrik Celans ihr besonderes Interesse zugewandt. Bereits 1959 ist die erste ausschließlich Celan gewidmete Dissertation entstanden. Neben dem unbestrittenen Rang des Werkes hat offenbar die im Sinne der Tradition des europäischen Symbolismus ,hermetische‘ Struktur der Celanschen Lyrik die Kritik und Wissenschaft zu besonders intensiver Auseinandersetzung angespornt. Zugleich ist sichtbar, daß diese Auseinandersetzung noch lange nicht abgeschlossen sein wird. Wichtige methodologische Gesichtspunkte sind exponiert, aber aus verständlichen Gründen noch nicht mit der letzten Konsequenz und Vollständigkeit durchgeführt worden.
Seit der Publikation von Schneepart im Frühjahr 1971 liegt das lyrische Œuvre Celans, soweit es vom Autor selbst veröffentlicht oder zur Veröffentlichung vorbereitet wurde, in insgesamt acht (resp. mit dem vom Autor zurückgezogenen Gedichtband von 1948, Der Sand aus den Urnen, neun) Einzelbänden der Öffentlichkeit vor. Späteste Gedichte sind versammelt im Band Zeitgehöft (1976), einer eigentlichen Nachlaßpublikation.1 Hinzu kommen die zahlreichen Übertragungen Celans aus dem Russischen, Englischen, Italienischen, Französischen, Hebräischen, Portugiesischen und Rumänischen, die teils in Periodica und Anthologien, teils auch in selbständigen Einzelbänden erschienen sind. Celan hat ausdrücklich gewünscht, daß diese Übertragungen, die nicht immer die ihnen gebührende Beachtung gefunden haben, in einem Sammelband zusammengefaßt würden. Vorbereitungen dazu waren zum Zeitpunkt seines Todes bereits in die Wege geleitet.2
Im Gegensatz zu den Übertragungen haben Celans wenige Prosatexte, meist poetologisch-theoretischer Natur, breitere Aufmerksamkeit bei Kritik und Forschung gefunden und sich dabei als höchst wertvolle Hilfen für das Verständnis der Lyrik erwiesen.
Indes läßt sich nicht sagen, Celans Werk liege nun abschließend vor. Mit einer vollständigen, von Überlieferungsfehlern (gesetzt, diese seien einfach zu registrieren) gereinigten Präsentation des von Celan selbst unmittelbar zur Veröffentlichung bestimmten Teiles seines Werks, evtl. auch von Teilen seines Nachlasses, die eine bestimmte Publikationsreife aufzuweisen scheinen – mit einer solchen ,Werkausgabe‘ wäre doch nur ein erster Schritt in Richtung auf die Erschließung seines Gesamtwerks getan.
Der Zustand des literarischen Nachlasses in Paris läßt vermuten, daß Celan viel daran gelegen war, die künftige philologische Analyse der Genesis seiner Gedichte zu erleichtern. Tatsächlich wird durch den hermetischen Charakter der Celanschen Dichtung die Einsicht in die Entstehung der einzelnen Gedichte zum absoluten Desiderat. Bereits die publizierten Endfassungen dieser Gedichte lassen erkennen, daß ihnen ein komplexer und poetologisch noch über das Werk Celans hinaus für die Analyse moderner Lyrik signifikanter Transformationsprozeß vorausgegangen sein muß. Ihn anhand der im Nachlaß vorliegenden und vom Autor mit großer Sorgfalt aufbewahrten Vor- und Zwischenstufen konkret faßbar zu machen, muß ein ganz vordringliches Interesse der Celan-Forschung sein. Wenn in irgendeinem, so hat in diesem Fall das Prinzip einer historisch-kritischen Gesamtausgabe von den Erfordernissen der Forschung her seine unbedingte Legitimation. Daß unmittelbar nach dem Tode des Dichters eine solche Ausgabe in Angriff genommen wurde, bedarf angesichts des skizzierten Sachverhalts keiner speziellen Begründung mehr.
In einer Niederschrift vom 15. Dezember 1967, die den Charakter einer letztwilligen Verfügung hat, sagt Celan abschließend:
Je souhaite qu’une édition de mes poèmes et de mes traductions de poésie anglaise, russe, française paraisse aux Editions Suhrkamp et je prie Beda Allemann d’y apporter son aide et son savoir.
Es war dem verständnisvollen Entgegenkommen der Erben wie des Verlegers zu verdanken, daß ein Einverständnis über den Plan einer historisch-kritischen Celan-Ausgabe erreicht werden konnte. Seit 1972 wird diese mit finanzieller Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft vorbereitet.3
Bei den editorischen Vorarbeiten war besonders dafür Sorge zu tragen, den literarischen Nachlaß in dem von Celan hinterlassenen geschlossenen Zustand zu erfassen, wie er – von den Jugendgedichten abgesehen – gegenwärtig verfügbar ist. Die Ausgabe soll grundsätzlich alle vom Autor selbst veröffentlichten oder zur Veröffentlichung bestimmten bzw. von der Veröffentlichung nicht ausdrücklich ausgeschlossenen Texte umfassen, dazu, soweit eruierbar, sämtliche Vorstufen zu diesen Texten.
Vorbild für die textkritische Edition ist das Verfahren Hans Zellers, wie es in den von ihm besorgten Bänden der historisch-kritischen C.F. Meyer-Ausgabe verwirklicht ist. In Auseinandersetzung mit anderen Ausgaben, vor allem der Großen Stuttgarter Hölderlin-Ausgabe und der historisch-kritischen Trakl-Ausgabe, war für die Celan-Ausgabe ein den besonderen Verhältnissen des Nachlasses angepaßtes Verfahren zu entwickeln.
Der Kommentar der Ausgabe soll in Form von knapp formulierten Einzelbemerkungen Worterklärungen, Zitatnachweise und Literaturverweise enthalten.
Eine besondere Problematik ist mit den vom Autor ausdrücklich von jeder Veröffentlichung ausgeschlossenen Texten (vor allem Gedichten aus späterer Zeit) verbunden, die im Nachlaß überliefert sind. Sie werden vorderhand in die philologische Aufbereitungsarbeit einbezogen, ohne daß damit über ihre Veröffentlichung entschieden wäre.
Die Einbeziehung sämtlicher Briefe Celans in die Ausgabe erscheint wegen des oft sehr privaten und lebende Personen betreffenden Inhalts vorerst nicht möglich. Direkt auf das Werk bezügliche Stellen können jedoch im Rahmen des Kommentars verwertet und auszugsweise publiziert werden.
Ähnliches gilt für die tagebuchartigen Aufzeichnungen, die im Nachlaß enthalten sind. Sie sind nach dem Willen der Erben nur dem Hauptherausgeber zugänglich, der zuhanden seiner Mitarbeiter Auszüge erstellt, die ausschließlich für die Edition relevante Fakten (Datierungen, unmittelbar auf das Werk bezügliche Reflexionen etc.) umfassen.
Nach dem derzeitigen Stand der Planung gliedert sich die Celan-Ausgabe in zwei Abteilungen, deren erste die Gedichte und Prosatexte samt Apparatbänden, und deren zweite Abteilung die Übertragungen samt Apparatbänden umfassen wird.
Für die erste Abteilung ist folgende Bandeinteilung vorgesehen:
– Band 1: Die acht Gedichtsammlungen von Mohn und Gedächtnis bis Schneepart in der Anordnung der Einzeldrucke.
– Band 2: Der Sand aus den Urnen. Verstreut gedruckte und nachgelassene Gedichte. Prosatexte und Reden.
– Band 3: Bericht des Herausgebers. Apparat zu Band 1 (Mohn und Gedächtnis bis Fadensonnen).
– Band 4: Apparat zu Band 1 (Lichtzwang und Schneepart); Apparat zu Band 2.
Der Apparat der Celan-Ausgabe soll als fotomechanisch reproduziertes Typoskript hergestellt werden. Mit diesem Verfahren können der schwierige Satz, kostspielige Druckverfahren, zeitraubende Korrekturarbeiten und daraus resultierende Fehlerquellen bisheriger Ausgaben vermieden werden.
Nachtrag 1984
Bald nach Erscheinen der vorstehenden Bemerkungen haben sich die personellen Voraussetzungen der kritischen Celan-Ausgabe durch den Fortfall der zweiten Mitarbeiterstelle nicht unerheblich verändert.
Die vorgesehene Bandeinteilung wurde inzwischen wie folgt modifiziert:
– Band 1,1 Gedichte I: Mohn und Gedächtnis bis Die Niemandsrose, Text
– Band 1,2 Apparat
– Band 2,1 Gedichte II: Atemwende bis Schneepart, Text
– Band 2,2 Apparat
– Band 3,1 Der Sand aus den Urnen; Eingedunkelt; Zeitgehöft; verstreut gedruckte und nachgelassene Gedichte in chronologischer Folge; Prosa; Reden; Text
– Band 3,2 Apparat
Aus technischen Gründen, besonders im Hinblick auf Schwierigkeiten bei der Beschaffung im Ausland befindlicher Nachlaßmaterialien im Bereich der frühen Gedichte, wurde die Publikationsvorbereitung für den 2. Doppelband (Gedichte von Atemwende bis Schneepart) vorweggenommen. Die Herstellung der Druckvorlage für diesen Doppelband steht vor ihrem Abschluß.
Inzwischen ist Ende 1983 bei Suhrkamp die fünfbändige Leseausgabe von Celans Gesammelten Werken erschienen, die außer den Gedichten und den von Celan selbst autorisierten Prosatexten auch erstmals die Gesamtheit der von ihm in sehr verschiedenen Zusammenhängen und an heute z.T. schwer zugänglichen Stellen veröffentlichten Übertragungen von Gedichten und poetischer Prosa aus fremden Sprachen enthält (Bde 4 und 5). Damit ist ein noch vom Autor selbst stammendes Desiderat eingelöst.
Nachdem seit 1977 von den zuständigen Gremien der Deutschen Forschungsgemeinschaft keine Mittel für einen speziellen Mitarbeiter zur Weiterführung der bereits in die Wege geleiteten Vorbereitungen zu einem Materialienband, der die unerläßliche Kommentierung der kritischen Ausgabe aufnehmen soll, mehr bewilligt worden sind und die entsprechenden Arbeiten dementsprechend ins Stocken geraten mußten – wie übrigens auch die textkritische Tätigkeit des mit der Ausarbeitung des genetischen Apparates betrauten Mitarbeiters dadurch beeinträchtigt wurde –, hat sich in einem Kreis beratender Editions- und Celan-Spezialisten nun die Einsicht durchgesetzt, daß ohne energische Förderung auch dieser Seite der kritischen Ausgabe die mit Recht in sie gesetzten Erwartungen der Celan-Forschung nicht erfüllt werden können. Dieses Expertengremium soll sich künftig als Beirat der Ausgabe konstituieren, und ein für die Kommentierung verantwortlicher Mitherausgeber soll gewonnen werden.
Es ergeht in diesem Zusammenhang erneut die dringende Bitte an alle Besitzer von Celan-Dokumenten und Detailinformationen, die der Kommentierung dienlich sein können, der Celan-Arbeitsstelle beim Germanistischen Seminar der Universität Bonn (Am Hof 1d, 5300 Bonn 1) davon Mitteilung zu machen.
Man wird bei alledem von der historisch-kritischen Ausgabe nicht erwarten dürfen, daß sie alle Schwierigkeiten des Celan-Verständnisses mit einem Schlag behebt. Das gilt sowohl für den genetischen Apparat, der seinerseits eine neue Interpretationsanstrengung vom Benutzer verlangen wird, wie auch für die vorgesehene Kommentierung. Weder die Entstehungsvarianten eines Gedichts oder Prosa-Textes, die der textkritische Apparat zur Darstellung bringt, soweit sie im Nachlaß erhalten sind, noch die kommentierende Sacherläuterung der faktenmäßigen Voraussetzungen, die einer Dichtung zugrunde liegen, können als solche und gleichsam automatisch den Schlüssel für das Verständnis liefern. Die Literaturwissenschaft und die Celan-Forschung im speziellen werden mit dem Erscheinen der historisch-kritischen Ausgabe neue Problemstellungen zugewiesen erhalten. Man wird von der immer noch anzutreffenden Auffassung abzurücken haben, Celan lesen und verstehen bedeute vor allem bloße Decodierung eines als schwierig bekannten poetischen Wortlauts, den manche als „hermetisch“ zu bezeichnen nicht müde werden. Celan selbst war bekanntlich anderer Ansicht. Es bedarf im Zusammenhang mit seinem Werk nicht so sehr der Entschlüsselung und der Rückübersetzung in eine konventionellere und deshalb scheinbar verständlichere, sondern vielmehr der Einarbeitung in eine andere Sprache.
Vorderhand besteht nun begründete Hoffnung auf einen zügigen Fortgang der Vorbereitungsarbeiten, wie er beim bisherigen Personalbestand der Bonner Arbeitsstelle nicht zu leisten war.
Beda Allemann und Rolf Bücher, in TEXT+KRITIK, Paul Celan – Heft 53/54, Zweite, erweiterte Auflage, edition text + kritik, 1984
– Das Problem der ausgebliebenen ,Erziehung des Menschengeschlechts‘ in Celans letzten Gedichtbänden. –
Celan und die Aufklärung, diese Verbindung scheint auf den ersten Blick recht abwegig; allzu deutlich steht der Dichter in den Traditionen der Mystik und der Romantik, des Symbolismus und zeitweise auch des Surrealismus. Hat er nicht in der Büchner-Preis-Rede „Der Meridian“, anstatt der Revolution, der Majestät des Absurden gehuldigt? Hat er nicht Nietzsche, Freud und Heidegger in sich aufgenommen, den europäischen Nihilismus und Werterelativismus im Gefolge des Historismus und der Naturwissenschaften? In der Tat, nach einem deutlichen Echo Lessings oder Kants wird man im lyrischen Werk vergebens suchen, und Spinoza begegnet vornehmlich als Baruch, der Linsenschleifer, aber nicht als Verfasser der „Ethik“. Ein Werk, das so ausdrücklich unter den Neigungswinkel4 des eigenen Daseins gestellt ist, mag wohl der eigenen Bestimmung, der des Künstlers und auch noch der der Kunst nachfragen, aber das zentrale Problem der Aufklärung, die Frage nach der Bestimmung des Menschen als einer Gattung, dürfte in ihm kaum einen Platz finden.
Aber über all dem darf man nicht übersehen, daß Celan sich lebenslang der undogmatischen, zeitweilig auch der anarchistischen Linken nahe fühlte, und es ist nicht zu überhören, wie schon im mittleren Werk das Wort Mensch in jenem emphatischen Sinn verwendet wird,5 der das Kennzeichen eines ethischen Humanismus ist, das Celansche Gedicht hält die Wege offen, auf denen die poetische Rede in einen Bezug zur Menschheit und ihrem geschichtlichen Werden im Ganzen gelangen kann. Emphatischer Wortgebrauch liegt auch vor in Celans Brief an Hans Bender: „Wir leben unter finsteren Himmeln, und – es gibt wenig Menschen,“6 ebenso in der, sehr späten, Ansprache, die Paul Celan am 14. Oktober 1969 vor dem Hebräischen Schriftstellerverband hielt:
Und ich glaube mich unterredet zu haben mit der gelassen-zuversichtlichen Entschlossenheit, sich im Menschlichen zu behaupten.7
Und es finden sich zumal in Briefen noch weitere Belege.
Diese Spur scheint sich im späten Lyrikwerk freilich ganz zu verlieren, und es bedarf immer wiederholter Lektüre, um zu bemerken, wie auch das Spätwerk Lieder nicht nur „jenseits der Menschen“8 enthält. Innerhalb des Werks gibt es Gruppen von im Konzept verwandten Gedichten: einige konstituieren sich aus den Fachwörtern der Geologie und der Erdgeschichte, andere sind durchsetzt vom Wortschatz der Physiologie und der Anatomie, wieder andere von dem der Vor- und Frühgeschichte. Besonders interessant ist hier die zweite Gruppe, die vom Körper und von Körperteilen des Menschen spricht. Ihr steht nahe eine Gedichtgruppe, die man Porträtgedichte nennen kann: Gedichte, in denen Celan das Menschenantlitz, das oft entstellte, auf unheimliche Weise rekonstruiert, aber eben das Menschenantlitz:
SACKLEINEN-GUGEL, turmhoch.
Sehschlitze
für das Entsternte
am Ende der Gramfibrille.
Die Wimpernnaht, schräg
zu den Gottesbränden.
In der Mundbucht die Stelle
fürs rudernde
Kaisergetschilp.
Das. Und das Mit-ihm-
Gehn übers rauchblaue,
blanke
Tafelland, du.9
Stirn, Augen und Mund sind die selten übergangenen allgemeinsten Kennzeichen, mitunter erscheinen sie in maskenhafter Verwandlung. Eine Verwandtschaft dem konzeptuellen Schema nach ist etwas anderes als thematischer Parallelismus, auch an das Schema des menschlichen Antlitzes vermag ja thematisch unendlich Verschiedenes anzukristallisieren. Aber gerade dieses Schema fordert doch die Frage heraus, ob in Celans später Poesie das Menschenwesen nicht in einer Weise begegnet, mit der die dritte Parole der Französischen Revolution, die Brüderlichkeit, auf eigenwilligen Wegen in ihr Recht gesetzt wird. Dieselbe Frage nach einer möglichen, und sei es scharf kritischen, Nähe zur Aufklärung drängt sich auf, wenn Celan in einer Reihe von Gedichten die in älteren und noch in aufklärerischen Spekulationen begegnenden Geschichtsentwürfe zum Schema wählt. Es ist oft schwer zu entscheiden, ob er in dieser Gestaltungsschicht seiner Gedichte die Auseinandersetzung mit einer Geschichtstheologie, oder richtiger: einer Theologie der Heilsgeschichte, oder ob er sie mit einer oder mehreren philosophischen Geschichtsdeutungen führt. Zugrunde liegt allemal die Erkenntnis, daß die Erfahrung des Dritten Reichs jedem Geschichtsoptimismus den Boden entzogen hat. Aber die Erinnerung an die verheißungsvollen, ja utopischen Denkansätze bleibt auch in der Negation lebendig.
Schon in dem Band Die Niemandsrose gibt es Gedichte, die Ansätze zum Entwurf einer Gegengeschichte zeigen, am deutlichsten in „ES IST ALLES ANDERS“,10 und nicht zufällig beruft sich dieses Gedicht auf „das Wintermärchen“ und auf „das Sommermärchen“, auf poetische Gerechtigkeit also, wo jede andere versagt war. Solche Texte darf man wohl als die Umkehrung zu jenen lesen, in denen die Geschichte der Menschheit, wie sie frühere Epochen deuteten, das Schema abgibt.
AUSGEROLLT dieser Tag:
der vieltausendjährige Teig
für den späteren
Hunnenfladen,
ein ebensoalter
Kiefer, leicht verschlammt,
gedenkt aller Frühzeit
und bleckt gegen sie und sich selber,
Huf-
schläge des Vorgetiers zum
Hefen-Arioso:
es geht, fladenschön-singbares Wachstum,
immer noch aufwärts,
ein schatten-
loser Geist, ent-
einsamt, ein
unsterblicher,
bibbert
selig.11
Gesprochen wird hier gleichsam aus einer Perspektive, welche die Universalgeschichte überblickt, von der aus tausend Jahre wie ein Tag erscheinen, und es ist von der Celan-Forschung nicht übersehen worden, daß der Schlußabschnitt von Hegels Phaenomenologie des Geistes einige Anregungen geliefert hat. Die Geschichte, der Aufstieg der Menschheit im Bild eines Hunnenfladens, das deutet ja nun wahrhaftig nicht auf eine positive Sicht des Geschichtsprozesses, zumal ja auch Hefe, in schneidendem Doppelsinn, nicht nur das auftreibende Backmittel, sondern auch den Abhub der Menschheit meint. Dieser Hefefladen wird nun zum Gefährten eines schatten-/losen, eines unsterblichen Geistes. Nicht nur die Hegelsche Philosophie steht hier im Hintergrund, sondern mehr noch der frühe Schiller, den Hegel am Schluß der Phaenomenologie des Geistes in Abwandlung zitiert. Als junger Autor hatte Schiller die Anthologie auf das Jahr 1782 herausgebracht, versehen mit dem Druckort Tobolsko, das Ganze „Meinem Prinzipal dem Tod zugeschrieben“, den Schiller dann in der Vorrede apostrophiert:
Großmächtigster Czar alles Fleisches, Allezeit Vermindrer des Reichs, Unergründlicher Nimmersatt in der ganzen Natur!
Hier, wie übrigens auch bei Hegel, wird ein Eßmetapher verwendet, bezogen auf den Allesverschlinger Tod, eine Beziehung, die Celan gewiß nicht entgangen ist und an die der bleckende Kiefer, das Kauwerkzeug, im Gedicht erinnern mag. Doch bei Schiller sucht nicht nur der Tod seine Speise, einen Mangel, anderer Art, fühlt auch Gott. In ebendieser „Anthologie“ steht die Frühfassung von Schillers Gedicht „Die Freundschaft“, die gefeiert wird als Macht, welche die Geister aus ihrer Einsamkeit erlöst und die schließlich, um Celans Ausdruck zu verwenden, auch Gott ,enteinsamt‘; Schiller entwickelt den Gedanken, die Einsamkeit Gottes sei der letzte Grund zur Erschaffung aller beseelten Wesen – das ist die in der letzten Strophe des Gedichts formulierten Quintessenz; aber auch schon die Strophe davor dürfte von Celan produktiv und in sarkastischer Umdeutung angeeignet sein.
Arm in Arme, höher stets und höher,
Vom Mongolen bis zum griechschen Seher,
Der sich an den lezten Seraf reyht,
Wallen wir, einmüth’gen Ringeltanzes,
Bis sich dort im Meer des ew’gen Glanzes
Sterbend untertauchen Maaß und Zeit –
Freundlos war der grose Weltenmeister,
Fühlte M a n g e l – darum schuf er Geister,
Sel’ge Spiegel s e i n e r Seligkeit! –
Fand das höchste Wesen schon kein Gleiches,
Aus dem Kelch des ganzen Seelenreiches
Schäumt i h m – die Unendlichkeit.
Die Unterschiede zu Celan liegen auf der Hand, Schiller konstituiert eine aufsteigende Reihe der menschlichen ,Geister‘, vom unentwickelten, gleichwohl edlen, denn der Freundschaft fähigen, Mongolen bis zur höchstens von der Gattung Mensch erreichten (und nach Schillers Meinung vielleicht überhaupt erreichbaren) Stufe, dem griechischen Seher, einer Stufe, die bis in unmittelbare Nähe der untersten Stufe der Engel reicht. Celan behält in ironischer Absicht die Aufwärtsbewegung bei – aber sie entspricht dem ,Aufgehehen‘ eines Hefeteigs. Einen qualitativen Aufstieg innerhalb des Menschengeschlechts während seiner vieltausendjährigen Geschichte kennt sein Gedicht nicht. Es ist immer derselbe Teig, derselbe Hunnenfladen. Damit ist letzten Endes jede Vermutung eines Sinns in der Geschichte getilgt, es gibt keine Entwicklung, Anfang und Ende rücken eng aneinander: dieser Tag, das Heute, zeigt den Teig nicht anders als der erste Tag, nämlich flach, ausgerollt. Auch in Celans Gedicht sind, soweit sie geschichtliche Kategorien sind, Maß und Zeit versunken.
Mit Schillers Gedicht haben wir uns durch Celans Werk hindurch an die Epoche der Spätaufklärung angenähert. Es ist die Epoche, da Lessing die Erziehung des Menschengeschlechts, Herder eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit verfaßt. Lessings 1780 erschienene, hundert Paragraphen umfassende Schrift beginnt mit der These:
Was die Erziehung bey dem einzeln Menschen ist, ist die Offenbarung bey dem ganzen Menschengeschlechte.
Gott habe sich das jüdische Volk erwählt, um an ihm ein Erziehungswerk zu beginnen, das in drei Geschichtsepochen schließlich die Gattung Mensch auf eine Höhe der Erkenntnis und der Sittlichkeit führt, auf der die menschliche Vernunft kraft ihres eigenen Vermögens der wesentlichen Einsichten und moralischer Handlungen fähig wird. Lessing im §. 8.:
Da er aber einem jeden e i n z e l n M e n s c h e n sich nicht mehr offenbaren konnte, noch wollte: so wählte er sich ein e i n z e l n e s V o l k zu seiner besondern Erziehung; und eben das ungeschliffenste, das verwildertste, um mit ihm ganz von vorne anfangen zu können,
und im §. 18.:
Allein wozu, wird man fragen, diese Erziehung eines so rohen Volkes, eines Volkes, mit welchem Gott so ganz von vorne anfangen mußte? Ich antworte: um in der Folge der Zeit einzelne Glieder desselben so viel sichrer zu Erziehern aller übrigen Völker brauchen zu können. Er erzog in ihm die künftigen Erzieher des Menschengeschlechts. Das wurden Juden, das konnten nur Juden werden, nur Männer aus einem so erzogenen Volke.
In Gottes Menschheitsschule übernimmt das Alte Testament die Funktion einer Fibel, eines Elementarbuchs, das, wie die Fibel auf das Fassungsvermögen des Kindes, auf die natürlicherweise zu erwartenden Erkenntnisleistungen der rohen Israeliten Rücksicht nimmt. Ich erkläre mich, schreibt Lessing im §. 26.,
an dem Gegenbilde der Offenbarung. Ein Elementarbuch für Kinder, darf gar wohl dieses oder jenes wichtige Stück der Wissenschaft oder Kunst, die es vorträgt, mit Stillschweigen übergehen, von dem der Pädagog urtheilte, daß es den Fähigkeiten der Kinder, für die er schrieb, noch nicht angemessen sey. Aber es darf schlechterdings nichts enthalten, was den Kindern den Weg zu den zurückbehaltnen wichtigen Stücken versperre oder verlege. Vielmehr müssen ihnen alle Zugänge zu denselben sorgfältig offen gelassen werden: und sie nur von einem einzigen dieser Zugänge ableiten, oder verursachen, daß sie denselben später betreten, würde allein die Unvollständigkeit des Elementarbuchs zu einem wesentlichen Fehler desselben machen. – §. 27. – Also auch konnten in den Schriften des Alten Testaments, in diesen Elementarbüchern für das rohe und im Denken ungeübte Israelitische Volk, die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele und künftigen Vergeltung gar wohl mangeln: aber enthalten durften sie schlechterdings nichts, was das Volk, für das sie geschrieben waren, auf dem Wege zu dieser großen Wahrheit auch nur verspätet hätte. Und was hätte es, wenig zu sagen, mehr dahin v e r s p ä t e t, als wenn jene wunderbare Vergeltung in diesem Leben darinn wäre versprochen, und von dem wäre versprochen worden, der nichts verspricht, was er nicht hält?
Der späte Celan – in den fünfziger Jahren nennt er gegenüber Erhart Kästner Lessing Deutschlands Stolz – schreibt ein Gedicht, dessen Schema zufolge der Zögling sich dem Erziehungswerk verweigert, nachdem offenbar geworden ist, daß es scheiterte.
MUSCHELHAUFEN: mit
der Geröllkeule fuhr ich dazwischen,
den Flüssen folgend in die ab-
schmelzende Eis-
heimat,
zu ihm, dem nach wessen
Zeichen zu ritzenden
Feuerstein
im Zwergbirkenhauch.
Lemminge wühlten.
Kein Später.
Keine
Schalenurne, keine
Durchbruchscheibe,
keine Sternfuß-
Fibel.
Ungestillt,
unverknüpft, kunstlos,
stieg das Allverwandelnde langsam
schabend
hinter mir her.12
Das Gedicht dürfte einem Vor- und Frühgeschichtler weniger Schwierigkeiten bereiten als einem Literaturwissenschaftler. Die Vergangenheit, von der es spricht, ist dank der von Celan verwendeten Termini auf eine bestimmte vorgeschichtliche Epoche zu fixieren, es sei hier kurz mit Hilfe der Fischer Weltgeschichte Band 1. Vorgeschichte. Hrsg. von Marie-Henriette Alimen und Marie-Joseph Steve. Frankfurt a.M.: Fischer Bücherei 1966 versucht, eines Werkes, das, wie aus zahlreichen Indizien in Celans drei letzten Gedichtbänden zu schließen, zu den Informationsquellen des Dichters gehört hat. Ein Ich erzählt von der Altsteinzeit in Nord- und Mitteleuropa, deren eine Kultur nach der Fundstelle Pavlov in Mähren den Namen ,Pavlovien‘ führt. Gleich den Trägern dieser vorgeschichtlichen Kulturen folgt es dem zurückweichenden Eis immer weiter nach Norden. Wichtige vorgeschichtliche Fundstätten in Dänemark sind Abfallhaufen von Austern- und Muschelschalen, in denen sich auch Steingerät dieser frühen Epoche erhalten hat. Zugleich mit dem Menschen breiten sich Nadel- und Laubbaumarten nach Norden aus, darunter die Birke. Wichtigster Rohstoff für die Herstellung von Gerät ist der Feuerstein. Lemminge, eine Nagetierart, sind dem Geologen und dem Vorgeschichtler wohlbekannt als typisch für die Eiszeit und die unmittelbar anschließenden Jahrtausende des Postglazials. Die arithmetische wie die Sinnmitte des Gedichts ist erreicht mit der strophenwertigen Zeile „Kein Später“. Sie leitet die von Verneinungen bestimmte zweite Hälfte des Gedichts ein. Die im vierten Abschnitt genannten Artefakte gehören sämtlich späteren Epochen an: zum Teil setzen sie Töpferei voraus, welche die nord- und mitteleuropäische Altsteinzeit noch nicht kannte, zum Teil gehören sie, wie die scheibenförmige Gürtelschnalle in durchbrochener Arbeit und die vielfältig gestalteten Fibeln, eine Art kunstvoller Sicherheitsnadeln, in die Bronzezeit. Eine bronzezeitliche Teilkultur ist die durch Leichenverbrennung gekennzeichnete Urnenfelderkultur, die um 1400 vor Christus das ganze Gebiet zwischen Rhein und Dnjepr, Ostsee und Donau erfaßt. Die Reihe der Verneinungen setzt sich fort in den drei Adverbien ungestillt, unverknüpft, kunstlos, die sich – analog einer alten Technik der versus rapportati – auf die drei Artefakte im Abschnitt zuvor zurückbeziehen lassen: nicht zur Stille eines Urnenfeldes gelangt, auf Zivilisations- und Denktechniken des Verknüpfens verzichtend, keinen Kunstaufwand der einfachsten Art an Gegenständen treibend. Stattdessen verweist das Partizip „schabend“ auf eines der verbreitetesten steinzeitlichen Geräte, den aus Feuerstein gefertigten Schaber. Das Ich zwingt das Allverwandelnde in seinen Bann und hält es auf der frühesten Menschheitsstufe fest. Dieses Allverwandelnde, das vom Ich bezwungene und entthronte Subjekt der Geschichte – ist es die Gattung Mensch, ist es Gott, ist es die Natur, die Hölderlin in der Ode „Ihre Genesung“ die Allesverwandelnde nennt?
Wie dem zivilisatorischen Fortschritt, so verweigert sich das Ich auch der Schrift. Es bleibt bei den Techniken symbolischer Darstellung auf der Stufe der Ritzungen in Stein, Knochen oder Holz stehen, entsprechend den steinzeitlichen Befunden. Von der Schrift ist freilich nur auf verdeckte Weise die Rede:
keine Sternfuß-
Fibel.
Die Freistellung des Wortteils Fibel, außer der ebenfalls höchst sinnträchtigen beim Wortteil heimat die einzige, die durch Wortaufspaltung zustande kommt, macht auf den Doppelsinn dieses Kompositums aufmerksam. Neben der Wortbedeutung ,Spangennadel‘ in prähistorischen Zusammenhängen gibt es ja noch die andere, bekanntere: die Fibel als Elementarbuch für die Unterrichtung von Kindern. Bezogen auf die erste Bedeutung, bezeichnet der erste Wortteil, Sternfuß-, den bestimmten Spangentyp, so wie die Praehistoriker von Violinbogenfibeln und Harfenfibeln sprechen. Oft ist die Fußplatte der Fibel besonders dekorativ ausgeführt, es gibt den Fachausdruck ,Plattenfibel‘. Einen Beleg für ,Sternfußfibel‘ habe ich in Sachbüchern zur Vorgeschichte bisher nicht finden können. Im Zusammenhang mit der zweiten Bedeutung von ,Fibel‘ gibt der Wortteil Sternfuß- allerdings semantische Rätsel auf. Ein Elementarbuch, das die ungeheure Vertikale vom Stern bis zum Fuß umgreift, ein Schriftwerk, in dem sich Jenseits und Diesseits berühren, das Himmel und Erde miteinander verknüpft, muß wohl ein heiliges Buch, eine heilige Fiebel sein, re-ligiös im genauen Wortsinn. Ich denke, diese Fibel ist vergleichbar oder gar identisch mit Lessings Elementarbüchern für das rohe und im Denken ungeübte Israelitische Volk, deren älteste Texte bis in bronzezeitliche Jahrhunderte zurückreichen, als nach der Landnahme die zwölf Stämme sich zum sakralen Bund zusammenschlossen. Der Unbekannte, dem die religiös motivierten Ritzzeichen in der Steinzeit gelten, soll der Unbekannte bleiben. Eine schriftliche Urkunde der Gottesoffenbarung kann es nach aller Lehre der jüngsten Geschichte nicht gegeben haben, sonst wäre diese jüngste Geschichte anders verlaufen. Das Gedicht ist vom Endpunkt nicht einer Heils-, sondern einer Unheilsgeschichte her gesprochen. Es ist Klage und Anklage zugleich, gerichtet gegen den Geschichtsverlauf, er mag als Heilsgeschichte oder als die Geschichte eines Fortschreitens in der Humanität verstanden werden. Schwer zu sagen, für wen das Ich spricht – wahrscheinlich für alle Opfer der Geschichte, insofern Paul Celan seine Erfahrung der Geschichte als repräsentativ verstand, den Neigungswinkel seiner Kreatürlichkeit mit dem der Juden oder sogar der Menschheit schlechthin gleichsetzte. Wie er seine, Paul Celans, Erfahrungen als das Schicksal eines Landes Paulownien erkannte,13 so spricht hier das Ich gleichsam mit der Stimme eines überlebenden der altsteinzeitlichen Kultur von Pavlov, von der man weiß, daß sie einer gleichzeitigen Kultur im Dnjepr- und Don-Becken, im weiteren Raum von Celans Heimat eng verwandt ist. Dieser Angehörige des Pavlovien tilgt die Geschichte, da Aufklärung, Erziehung, Bildung in ihr nicht stattgefunden haben. Ein Später ist nichts wert, wenn es ein ,Schlechter‘ ist.
Christoph Perels, in TEXT+KRITIK, Paul Celan – Heft 53/54, Zweite, erweiterte Auflage, edition text + kritik, 1984
Ein im Jahr 1953 entstandenes Gedicht Paul Celans trägt die einfache Überschrift HIER, die auf eine dichterische Standortbestimmung hinweist. Die erste Verszeile lautet:
Hier – das meint hier, wo die Kirschblüte schwärzer sein will als dort.
Hier und Dort gehören einer Gegend an, in der die Assoziation der Kirschblüte mit den Graden der Schwärze nicht ungewöhnlich ist. Schwarz und schwärzer kann die Kirschblüte nur in der Nacht sein, und zwar in einer Nacht, die mehr als eine bestimmte Tageszeit ist, denn in der bloßen Dunkelheit würde die Kirschblüte noch lange nicht aufhören, weiß zu sein. Es muß sich um eine Nacht handeln, in der eine andere Sehweise und andere Existenzbedingungen herrschen, eine Nacht, „so finster wie noch keine war“ [Kafka]. Schwarz ist die Kirschblüte im Unsichtbaren.
Von ihm spricht das Gedicht „Flügelnacht“:
Unsichtbar,
was braun schien,
gedankenfarben und wild
überwuchert von Worten.
Die Worte haben wesentlichen Anteil an der Unsichtbarkeit. Das Wortgeflecht konstituiert die Flügelnacht, die von weither gekommen ist. Die unmittelbar anschließende Strophe lautet:
Kalk ist und Kreide.
Und Kiesel.
Schnee. Und mehr noch des Weißen.
Daß die Nacht sich über Weißes spannt, ließe sich zur Not physiologisch durch den Ausfall des Farbsehens in der Dunkelheit erklären. Aber es ist auch hier eine grundsätzlichere Verfremdung gemeint, die den dichterischen Standort betrifft. Die letzte Strophe des Gedichtes nennt ihn:
Du, du selbst:
in das fremde
Auge gebettet, das dies
überblickt.
Der Dichter verfügt sich in die Sehweise des fremden Auges, das als eine Grundmetapher die Dichtung Celans beherrscht. Es gibt ihm den Blick auf die „Wortnacht“ frei [Von Schwelle zu Schwelle, S. 41]. Im Bereich der Worte tritt das absolute Weiß ein oder „eine zweite, fremdere Bläue“ [„In memoriam Paul Eluard“, Von Schwelle zu Schwelle, S. 54] oder das schwärzere Schwarz des „Hier“-Gedichts, von dem auch im „Lob der Ferne“ [Mohn und Gedächtnis, S. 29] die Rede ist:
Schwärzer im Schwarz, bin ich nackter.
Abtrünnig erst bin ich treu.
Ich bin du, wenn ich ich bin.
Ich und Du bilden in den Gedichten Celans ein ebenso elementares Verhältnis wie Hier und Dort. Die vom fremden Auge überblickte Wortnacht öffnet sich auch zwischen ihnen. Von diesem Auge ist gesagt, daß es „uns zuweilen / staunend in eins schaut“ [Von Schwelle zu Schwelle, S. 42]. Die Wortnacht selbst, weil sie die eigentliche Dimension zwischen Ich und Du ist, besitzt die Kraft der Vermittlung. Von ihrem irreduziblen und paradoxen Wesen spricht das Gedicht „Die Jahre von dir zu mir“:
die Nacht ist die Nacht, sie beginnt mit dem Morgen,
sie legt mich zu dir.
Das auffallendste formale Mittel Celans in den angeführten Beispielen ist das Paradoxon. Als rhetorische Figur verweist es auf einen weltliterarischen Zusammenhang, für den das Kennwort Manierismus zur Verfügung steht. Es läßt sich, wie man weiß, auf einen großen Teil der modernen Lyrik anwenden.
Nun ist die paradoxale lyrische Sprechweise Celans gewiß noch etwas anderes als Wiederaufnahme einer rhetorischen Stilfigur. Sie ist die Bedingung der Möglichkeit einer lyrischen Entfaltung im Zwischenreich von Sichtbarkeit und Entzug in die Wortnacht. Die berühmte Metapher vom Beginn der „Todesfuge“ mag das verdeutlichen: „Schwarze Milch der Frühe…“ Deutlicher als in der Metapher der schwärzer sein wollenden Kirschblüte scheint hier noch die Anschauung mitzusprechen, in einem beinah impressionistischen Sinn. Erst mit dem Fortgang der Verszeile – „wir trinken sie abends“ – schafft das Gedicht sich endgültig die eigne Dimension jenseits von Anschaulichkeit. Es zeigt sich jetzt, daß die schwarze Milch der Frühe gerade nicht im üblichen Sinn metaphorisch, das heißt bildhaft aufzufassen ist, als poetische Umschreibung einer bestimmten Nachtstimmung kurz vor Tagesanbruch. Sie ist nicht lyrisches Sprachzeichen für eine vorgegebene und abgeschilderte Wirklichkeit. Weil sie an der vorgegebenen Wirklichkeit gemessen irreal ist, kann sie konkret getrunken werden. Die Wortnacht, der sie diese fremdartige Konkretheit verdankt, umfaßt alle Tageszeiten:
Wir trinken sie mittags und morgens, wir trinken sie nachts.
Mit dieser zweiten Verszeile der Todesfuge ist das Paradoxon voll entfaltet und über eine rhetorische Figur hinausgelangt, wie sie in der Contradictio in adjecto des Anfangs [schwarze Milch] zunächst vorzuliegen scheint und formal faßbar ist. Das Paradoxon schafft sich in der Wortnacht seine eigne temporale Erstreckung „zwischen Immer und Nie“ [Mohn und Gedächtnis, S. 55].
Der temporale, ja geschichtliche Grund dieser Polarität wird sichtbar im Titel des Gedichtbandes aus dem Jahre 1952: Mohn und Gedächtnis. Traum und Vergessenheit, im Mohn symbolisiert, bilden die Voraussetzung des dichterischen Gedächtnisses. „Heimgeführt ins Vergessen“, kommen die Worte erst in ihrer Nacht zu sich, wo das „Zuviel meiner Rede“ dem Schweigen verfällt [Sprachgitter, S. 17]. Das fremde Auge, das die Wortnacht überblickt, ist selber „stumm / unter steinernem Lid“ [Sprachgitter, S. 13]. Im Gedicht „Stimmen“, das den Sprachgitter-Band eröffnet und eine ganze Sequenz von Stimmen beschwört, ist die letzte Strophe für „Keine Stimme“ eingeräumt. Auch das Titelgedicht des Sprachgitter-Bandes schließt mit der Nennung des Schweigens. Die Stummheit ist „geräumig, ein Haus“ [Sprachgitter, S. 38]. Was verschwiegen wird, ist nicht getilgt. Es wird als „stumm / vibrierender Mitlaut“ bewahrt [Sprachgitter, S. 19]. Das mit diesen Worten endende Gedicht beginnt mit dem Hinweis auf das Wortgeflecht, das sich zwischen das fremde Auge und die Dinge legt und sich sein eignes Nachtreich schafft.
Schliere im Aug:
von den Blicken auf halbem
Weg erschautes Verloren.
Das dialektische Spiel von Gewinnen und Verlieren hat Celan schon im Chanson einer „Dame im Schatten“ aus den Jahren 1947/48 durchgeführt: der Verlierende ist, wer das Wort des Dichters hat. Er verliert dort buchstäblich seinen Kopf. Er verliert sich in die Vergessenheit, weil sich seinen Blicken schon auf halbem Weg das „Verloren“ in die Bahn schiebt.
Der gleiche Vorgang, aber von den Dingen her gesehen, wird im „Gespräch im Gebirg“ beschrieben, einem für das Verständnis der Gedichte Celans wichtigen Prosatext [Die Neue Rundschau, 1960; S. 199 bis 202]. Es heißt hier von den Augen:
aber da hängt ein Schleier davor, nicht davor, nein, dahinter, ein beweglicher Schleier; kaum tritt ein Bild ein, so bleibts hängen im Geweb, und schon ist ein Faden zur Stelle, der sich da spinnt, sich herumspinnt ums Bild, ein Schleierfaden; spinnt sich ums Bild herum und zeugt ein Kind mit ihm, halb Bild, halb Schleier.
Der Topos vom Schleier der Poesie erfährt hier eine neue und eigentümliche Abwandlung. Ähnlich hatte schon das „Lob der Ferne“ eingesetzt:
Im Quell deiner Augen
leben die Garne der Fischer der Irrsee.
Mit den Netzen wird der „Schattenfisch“ gefangen [Von Schwelle zu Schwelle, S. 17]. Verallgemeinernd läßt sich sagen, daß es um die Suche nach einer spezifisch dichterischen Wirklichkeit geht. In seinem Beitrag zum Almanach 1958 der Librairie Flinker in Paris stellt Celan fest, daß Wirklichkeit nicht ist, sondern gesucht und gewonnen sein will. Dazu bedarf es einer „graueren“ Sprache, die dem „Schönen“ und dem „Wohlklang“ abgesagt hat. Der Sprachgitter-Band ist von dieser graueren Sprache, bis in die Farbadjektive hinein, erfüllt. Sie nähert sich jener Sprache der Gletscherwasser und der Erde selbst, aus dem „Gespräch im Gebirg“, die nicht mehr für Menschen ist. Es wäre die Sprache des nie ganz zu erreichenden „absoluten Gedichts“, auf das der Gedankengang von Celans Büchner-Rede hinzielt. Mit der Annäherung an sie ist die „starke Neigung zum Verstummen“ unauflöslich verbunden, die Celan in derselben Rede dem Gedicht heute zuschreibt. Von hier aus ergibt sich die „extreme Formulierung“, die zum Wesentlichsten gehört, was ein moderner Lyriker über das Gedicht gesagt hat:
das Gedicht behauptet sich am Rande seiner selbst; es ruft und holt sich, um bestehen zu können, unausgesetzt aus seinem Schon-nicht-mehr in sein Immer-noch zurück.
Und:
das Gedicht wäre somit der Ort, wo alle Tropen und Metaphern ad absurdum geführt werden wollen.
Diesem Gesetz folgt Celans eigene Dichtung seit der „Todesfuge“, die schon 1945 entstanden war, aber erst sieben Jahre später [und in den zweiten Gedichtband übernommen], zu einem Hauptpfeiler von Celans Ruhm wurde. Stellt man dieser Fuge die „Engführung“ gegenüber, die den Sprachgitter-Band abschließt und, vorderhand, den Gipfelpunkt des Werkes bezeichnet [ein neuer Gedichtband ist unter dem Titel Die Niemandsrose schon angekündigt], so wird eine sehr konsequente, und aus sich selbst entfaltete Entwicklung sichtbar. Die beiden Gedichtüberschriften verweisen mit vollem Recht auf die Fugentechnik, wenn sich auch naturgemäß die musikalischen Kompositionsregeln nicht wörtlich auf den Gedichtaufbau übertragen lassen. In der „Todesfuge“ bestimmt die kunstvolle Variation weniger Themen, zusammen mit einer prägnanten Rhythmik, die Gedichtstruktur. In der Engführung liegen die Gesetze des Aufbaus weniger offen zutage, trotz der betonten Nahtstellen zwischen den Abschnitten des Gedichts und der Wiederaufnahme des Anfangs am Ende. Aber gerade in diesen subtileren Variationen an den Nahtstellen und am Ende zeigt sich, wie folgerichtig Celan die Randzone des Sagbaren durchforscht. Aus dem Satz „Gras, auseinandergeschrieben“ vom Anfang wird, am Schluß, die konzentrierte Versfolge:
Gras.
Gras,
auseinandergeschrieben.
Das ist ein weiteres Beispiel dafür, wie ausdrücklich die gesuchte Wirklichkeit und ihre sprachliche Nennung bei Celan verkettet sind. Motivisch erinnert das Gras an die „Halme der Nacht“, die als Überschrift über dem letzten Teil des Bandes Mohn und Gedächtnis stehen und von denen dort am Beginn eines wichtigen Gedichtes gesagt wird:
Aus Herzen und Hirnen
sprießen die Halme der Nacht
Es bleibt ebenso wirkliches Gras, wie es zugleich reines Sprachgebilde und, als auseinandergeschriebenes, geradezu SchriftZeichen ist. Man darf sich auch der Notiz des Novalis erinnern über die „innre chiffrierende Kraft“ und ihre „Spuren in der Natur“. Bei Celan ist das Gras die „untrügliche Spur“, Grundwasserspur. Als Chiffre verweist es allerdings nicht wie die romantisch-symbolistische Hieroglyphik ohne weiteres auf einen erahnten Geheimniszustand der Welt, sondern läßt in seinen Zwischenräumen auch das blanke Nichtsein hervortreten, dessen Präsenz an der zunehmenden Verdichtung und Kargheit der Sage-Weise im Sprachgitter-Band abzulesen ist. Wir sehen uns hier mit der letzten und weitesten Polarität in Celans Dichtung konfrontiert, in der alle Paradoxe ihre Wurzel haben: dem Gegensatz von Seiendem und Nichts. Der verborgene Hinweis auf Demokrit und die Wirklichkeit als „Partikelgestöber“ führt diesen Gegensatz in die Nähe seines metaphysischen Ursprungs zurück.
Beda Allemann, aus Schriftsteller der Gegenwart. Dreiundfünfzig Porträts. Herausgegeben von Klaus Nonnenmann, Walter-Verlag, 1963
Sie werden es, denke ich, begreifen und es mir nicht verübeln, wenn es mir widerstrebt, über Dinge zu sprechen, über die seit nunmehr drei Jahrzehnten schon unglaublich viel geschrieben wurde und vermutlich weitaus erschöpfender und mit mehr Sachkenntnis, als ich es heute zu tun vermöchte. Über meinen Landsmann und jüngeren Gefährten aus vergangenen Jugendtagen sind schon zu seinen Lebzeiten unzählige Abhandlungen geschrieben worden. Und noch viel mehr Veröffentlichungen folgten seit seinem Freitod im April 1970, welcher die, die ihm in seinen letzten Jahren öfter begegneten, wohl entsetzte, aber nicht eigentlich überraschte, da seine wiederholten Depressionszustände das Schlimmste befürchten ließen. Das waren Deutungsversuche, Kommentare, Interpretationen, die mitunter kläglich danebengriffen, späterhin Erinnerungen, Begegnungsberichte und anderes mehr.
Und nun soll ich, der ich ihn im Jahre 1947, als er in den Westen zog, zum letzten Mal sah, in diesen Chor mit einstimmen, um vielleicht Neues, Unbekanntes zutage zu fördern. Wie man weiß, ist Paul nur sehr selten und ungern in seinen Gesprächen auf die Zeit seiner Anfänge und seines frühen Reifens zurückgekommen. Er scheute wohl derlei Hinweise, aber nicht deshalb, weil er seiner Herkunftslandschaft und den Menschen, die ihm in ihr nahestanden und die ihm zumeist wohlwollten, gram war, sondern weil er in späteren Jahren darauf bedacht zu sein schien, wie vor ihm Stefan George, einen schwer durchlässigen Schleier des Geheimnisses über seine irdische Existenz, seine Schaffensbedingungen, somit auch um die vergängliche Chronik seines Lebens zu breiten. Ich bin mir dessen bewusst, dass es nicht in seinem Sinne ist, über ihn als Person – nicht nur als Dichter – zu sprechen, und so empfinde ich es zuweilen geradezu als Sakrileg, in Israel Chalfens sonst durchaus ehrlich gemeintem Buch über Celans Jugendjahre, das Orplid seiner Czernowitzer Anfänge – eher eine Art Hagiographie denn ein biographischer Beitrag –, über Geschehnisse zu lesen, über die er selber wohl lieber geschwiegen hätte. Da ich aber nun einmal Ja und Amen zu dem an mich ergangenen Vorschlag gesagt habe, einen Beitrag zu diesem Kolloquium zu liefern, bleibt mir letztlich nichts anderes übrig, als mich im Geiste in jene längst vergangenen Tage – etwa zwischen 1937 und 1947 – zurückzuversetzen und mich an das eine oder andere zu erinnern, das vielleicht geeignet sein könnte, den Celan jener Jahre in ein deutlicheres Licht zu rücken.
Meine erste Begegnung mit dem damals ungefähr 16- bis 17jährigen Schüler Paul Antschel – es war dies noch keine persönliche, sondern eine auf dem Papier – verdanke ich Professor Chaim Gininger, einem gemeinsamen Bekannten, der ihm vermutlich die jiddische Dichtung näherzubringen versuchte, denn Gininger, enthusiastischer Erforscher der jiddischen Sprache und des jiddischen Schrifttums, als der er noch heute in New York wirkt, war unablässig bestrebt, den Kreis seiner Jünger zu erweitern. Gininger war es also, der mir, der ich damals schon auf eine längere Tätigkeit als Tagesjournalist und Rezensent zurückblickte und den wohl etwas übertriebenen Ruf eines Kenners deutscher Dichtung genoss, einige Blätter mit Gedichten in der Handschrift des Schülers Antschel brachte und neugierig war, meine Meinung darüber zu erfahren. Nun, ich las sie, glaube ich, mit gebotener Aufmerksamkeit, behielt ich sie doch mehrere Tage bei mir zurück; und noch erinnere ich mich genau des ersten Eindrucks, den sie auf mich machten, und an die von mir ausgesprochene Beurteilung. Diese Gedichte, die vermutlich von Celan bald hernach vernichtet wurden, da sich keines von ihnen später unter seinen Manuskripten befand, erinnerten mich frappant an die poetische Handschrift Georg Trakls, schienen mir so sehr Trakls Vorbild verpflichtet, dass ich zu Gininger die Worte sprach:
Da wende ich mich doch lieber an das Original, an Trakl selbst.
Natürlich handelte es sich um knabenhafte Versuche, von denen der Dichter bald selbst abgerückt ist. – Hier muss ich gestehen, dass ich in jenen Jahren, der Zeit, die den düsteren Geschehnissen der Machtergreifung Hitlers, der eigenen Deportation in ein Vernichtungslager am Bug in der Südukraine und dem Krieg vorausging, dass ich damals nach Überwindung expressionistischer Anfänge im Bann der Dichter der Kolonne stand, einer Bewegung, die dem „magischen Realismus“ huldigte und in Loerkes „Grünem Gott“ ihr bedeutendstes Vorbild sah. Wilhelm Lehmann, Elisabeth Langgässer, Hans Leifhelm, Richard Billinger, Theodor Kramer, auch schon Peter Huchel und der frühe Günter Eich waren ihre Vertreter, und ihnen gehörte meine besondere Sympathie. Und so ermangelte es mir damals vermutlich der erforderlichen Aufnahmefähigkeit für eine Dichtungskonzeption, in der sich – mag sein – schon surrealistische Vorahnungen zu Worte meldeten. Ich bildete da gewiss keine Ausnahme. Vielleicht hätte ich heute anders, weniger ablehnend geurteilt.
Es mochten drei, vier Jahre seit jener ersten Begegnung mit der Dichtung Celans verflossen sein, Jahre, in deren Verlauf ich den hochbegabten jungen Dichter und Musiker James Immanuel Weißglas kennen- und schätzen lernte. In dessen poetischen Hervorbringungen wähnte ich einen genialen Funken zu entdecken, und bald verknüpfte mich mit ihm ungeachtet des großen Altersunterschieds – Weißglas war 14 Jahre jünger als ich – ein inniges Freundschaftsband. Weißglas war eine Zeitlang Pauls Klassenkamerad gewesen, teilte mit ihm das lebendige Interesse für die Dichtung, und sie blieben über Jahre unzertrennliche Freunde. So war es denn Weißglas, der mir Pauls persönliche Bekanntschaft vermittelte. Zu jener Zeit waren Weißglas und Celan nahezu andauernd, vermutlich täglich zusammen und führten ein „ewiges Gespräch“, das sich zumeist auf dieselben dichterischen Werke und Erfahrungen bezog und über das mir Weißglas, der oft gleich nach seinen Zusammenkünften mit Paul zu mir kam, des längeren und breiteren berichtete. Im Geiste nannte ich sie denn auch Orestes und Pylades. Um so erstaunlicher, dass Israel Chalfen in seiner Jugendbiographie Celans diese für Celans Entwicklung entscheidende Freundschaft mit Schweigen übergeht. Sie lasen gemeinsam, besprachen gemeinsam das Gelesene, übten ihre Übersetzerbegabung an denselben Gedichten, an Jessenin, Apollinaire, Yeats, Housman, Arghezi, Shakespeares Sonetten. Es war ein ständiges Nehmen und Weiterreichen. Vielleicht war Weißglas einseitiger, entschiedener allem Musischen zugeneigt. Während Celan zu jener Zeit sich in gleichem Maße für politische und nationalökonomische Probleme interessierte, Kropotkin und Sombart las, einer illegalen Zelle der kommunistischen Jugendorganisation angehörte, schwelgte Weißglas, wenn er nicht gerade für Dichtung schwärmte, an der Orgel oder am Flügel in Bach und Mozart und scharte oft Jungen und Mädchen um sich, um ihnen in seiner elterlichen Wohnung vorzuspielen. Das Hauptinteresse beider galt indessen dennoch der Lyrik. Die räumliche Trennung der beiden Freunde erfolgte erst durch Pauls Reise zum Medizinstudium nach Tours. Diese mochte auch ein Auseinanderstreben in ihren poetischen Auffassungen zur Folge gehabt haben, denn während Weißglas immer mehr Geschmack an der klassischen deutschen Dichtung und der deutschen Dichtung des 19. Jahrhunderts fand, an der Droste, an Conrad Ferdinand Meyer, an Des Knaben Wunderhorn, lernte Celan während seines französischen Studienjahres den Surrealismus eines Breton und Éluard kennen und lieben. Und so erklärt es sich, dass sie hernach mitunter die gleichen Stoffe in völlig unterschiedlicher Manier poetisch behandelten. Frühe Erfolge des kaum den Knabenjahren entwachsenen Freundes, der noch als Lyzeaner gelegentlich eines Besuchs in Bukarest die Aufmerksamkeit des größten rumänischen Lyrikers der Epoche, Tudor Arghezi, sowie des Romanisten Leskien auf sich gelenkt hatte, mochten in Paul vorübergehend ein Neidgefühl geweckt haben, und das hat möglicherweise ihrer Freundschaft kurze Zeit Abbruch getan. Zu einer Entfremdung hat dies jedoch nicht geführt. Wenn auch nicht mit der gleichen Ausdauer und Ausschließlichkeit hat die Freundschaft auch nach Pauls Rückkehr aus Frankreich fortgedauert. Weißglas war einer der ganz wenigen, von denen Celan vor seiner kurz bevorstehenden Abreise nach Wien Abschied nahm. Während ihrer in Bukarest verlebten Jahre waren beide als Lektoren im Verlagswesen tätig. Paul arbeitete im Verlag Cartea Rusă („Das Russische Buch“), für den er u.a. auch Lermontow und Tschechow ins Rumänische übersetzte, Weißglas im kurzlebigen Verlag Metropolis, und sie besuchten einander öfter in ihren Diensträumen. Doch ich muss nun um Jahre zurückgreifen: Im Sommer 1942 wurden Weißglas und ich mit unseren Familien in Vernichtungslager am Bug, im Süden der Ukraine, deportiert, und es war als Glück im Unglück zu bezeichnen, dass wir im selben Transport, im selben Viehwaggon die Todesreise antraten und den größten Teil der schicksalsschweren Zeit zusammenblieben. Paul drohte das gleiche Los, doch er versteckte sich bei Bekannten und entging so der Verschickung, so dass nur seine Eltern an den Bug getrieben wurden, während er als Daheimgebliebener später einem Arbeitsdetachement im Lande, in der Moldau, zugeteilt wurde. Also geriet er nicht unmittelbar in den Limbus des Todes. Als er uns nach den Jahren der Drangsale und Qualen mit unseren Familien, Weißglas mit seinen Eltern, zurückkehren sah, muss er einen schweren, nie überwundenen psychischen Schock erlitten und sein Gewissen schwer belastet gefühlt haben: Es war der Gedanke, dass er vielleicht die Ermordung seiner Eltern im Lager hätte abwenden können, wenn er mit ihnen gegangen wäre. Dieses Schuldgefühl dürfte den ersten Anstoß zu seiner späteren schweren psychischen Erkrankung gegeben haben, die schließlich zum Freitod führte. Im Spätfrühling 1944 war ich, aus dem Lager befreit, in das damals bereits von den Sowjettruppen zurückeroberte Czernowitz zurückgekehrt, und da entsinne ich mich noch deutlich meiner ersten Wiederbegegnung mit Paul, der damals schon seit längerem wieder daheim war und bereits von der Ermordung seiner Eltern erfahren hatte. Wir gingen lange miteinander spazieren, und Paul sprach, wie ich mich erinnere, vor allem bewundernd über Camus, der mir damals noch kaum dem Namen nach bekannt war. Das mehr als dreijährige Lagermartyrium hatte mich von allem, was im Westen geschah, völlig abgeschnitten. Nicht lange danach dürfte es gewesen sein, dass er mir eines Vormittags vor dem Eisengitter der Czernowitzer erzbischöflichen Kathedrale in der Siebenbürgerstraße die kurz zuvor entstandene „Todesfuge“ vorlas, die mir bei aller Bewunderung, die ich für sie empfand, allzu kunstvoll, zu vollendet dünkte, gemessen an den Schrecknissen, denen ich kaum entronnen war, was ich ihm auch nicht vorenthielt. Im Geiste hielt ich der „Todesfuge“ die „Klage“ von Moses Rosenkranz entgegen, die mir in ihrer Wortkargheit, ihrer Monumentalität damals dem Thema angemessener erschien und die ich mir daher immer wieder vorsagte, was ich auch jetzt noch häufig tue:
So leichenweiß
ist kein Schnee wie die Not,
kein Herd ist so heiß,
mein Volk, wie der Tod.
Die Gräber glühen
wie Kohlen im Land,
du drüber mußt ziehen
im Sündergewand.
Fällst wie ein Schnee
und liegst wie ein Brand,
Wolke von Weh,
mein Volk, in dem Land.
So sprießt kein Reis,
wo mein Israel ruht;
der Glanz ist zu weiß,
zu rot ist die Glut.
Moses Rosenkranz war übrigens der einzige seiner deutsch dichtenden Landsleute, dessen Schaffen Celan während seiner Czernowitzer Jahre gelten ließ. Aus meinen Bukarester Jahren ist mir eine Szene deutlich in Erinnerung geblieben, die sich im Jahre 1946 zugetragen haben muss und deren Schauplatz die Kantine des Verlags Cartea Rusă war, in der auch ich als Bibliothekar der ARLUS-Bibliothek, die demselben Verlag unterstand, zu Mittag aß. Mir war am Vormittag dieses Tages ein eben aus Paris eingetroffenes Exemplar von Paul Éluards Poésie ininterrompue in die Hände geraten, die sich damals meinem Verständnis verschloss. Ich äußerte Paul gegenüber das Bedenken, dass meines Erachtens eine solche Form der Dichtung, die, unaufhaltsam über Stock und Stein hastend, jederzeit abgebrochen werden könnte, die Fortdauer der Poesie überhaupt gefährde. Paul nahm mir diese Äußerung sehr übel, und als ich auf seine Frage, wen ich denn in der französischen Lyrik über Paul Éluard stelle, die Namen Baudelaire, Verlaine und Rimbaud nannte, geriet Paul wahrhaftig außer sich und erging sich, fast schreiend, in Schmähungen auf die Genannten, die er als elende Skribenten, Federfuchser oder ähnliches bezeichnete, was wieder mich in Rage versetzte. Es war ein höchst heftiger Wortwechsel, der sich dann auch auf die Straße hinausverpflanzte. Ich erinnere mich, dass Paul in jenen Tagen mit den Schriften des Paracelsus in der Ausgabe der Diederichs-Sammlung unterm Arm zum Essen kam. Dort saß er stets mit seinem Freund und Verlagskollegen Petre Solomon zusammen am selben Tisch. Petre Solomon, der ein bekannter rumänischer Lyriker, Essayist und Übersetzer englischer, amerikanischer und französischer Dichtung ist (Shelley, Milton, Rimbaud, Mark Twain etc.), und Paul Celan führten miteinander endlose Gespräche.
An Sonntagvormittagen traf ich Paul öfter bei unserem gemeinsamen Freund, dem Lyriker Alfred Margul-Sperber, der sein selbstloser Entdecker und Förderer wurde, eine Auswahl seiner Gedichte Max Rychner sandte, der sie dann, von begeisterten Zeilen begleitet, in der Zürcher Tat veröffentlichte. Und Sperber war es auch, der ihm jene Briefe und Grußbotschaften an Otto Basil und Yvan Goll auf die Reise ins Ungewisse mitgab, die entscheidend für seinen späteren Aufstieg wurden.
Und noch ein Bild ist nachzutragen, das sich meiner Erinnerung eingeprägt hat: Es war die Feier des 1. Mai 1947 in Bukarest. Die Kolonnen unserer beiden Arbeitsstellen reihten sich nebeneinander zum Paradezug, der den Weg zur Festtribüne nehmen sollte. Wir begannen ein Gespräch über Dichtung, kamen überein, heimlich das Weite zu suchen, und flüchteten uns in das nahegelegene Zimmer, das Paul damals (möbliert) bewohnte. Viele Stunden verbrachten wir in Pauls Bude. Barfüßig saß er auf dem Bettrand und las mir seine neuesten Gedichte vor, von denen die meisten dann in Der Sand aus den Urnen und in Mohn und Gedächtnis Aufnahme fanden. Gewiss kann man in zahlreichen Gedichten Celans Hinweise auf Erlebnisse und Örtlichkeiten aus seiner engeren Heimat finden, die sich meist nur dem damit Vertrauten erschließen. Und so manches, das dem Unkundigen verborgen bleiben muss, hat zu Fehlinterpretationen Anlass gegeben, auf die auch Chalfen in verdienstvoller Weise aufmerksam gemacht hat. Auf die häufig an mich gerichtete Frage, ob das lyrische Schaffen der dichtenden Vorgänger aus seiner Bukowiner Heimatprovinz auf sein Werk eingewirkt hat, wäre zu erwidern, dass er von ihnen kaum entscheidende Anregungen empfing. Es kann da höchstens von einer Beeinflussung durch die in ihrer Art einmalige landschaftliche und kulturelle Atmosphäre der Bukowina die Rede sein. Während er nur das Wenigste von dem gelten ließ, was in deutscher Sprache auf dem Boden seiner engeren Heimat entstand, war er zutiefst vom Schaffen zweier jiddisch dichtender Autoren seiner Heimat beeindruckt: von Itzig Manger, dem jiddischen Balladendichter, und – in noch weit höherem Maße – von Elieser Stejnbarg, dem jiddischen Fabeldichter. Die Fabeln Stejnbargs, die er außerordentlich schätzte, sagte er, um Schönheit des Vortrags bemüht, immer wieder sich selbst und anderen vor. Und das, obwohl er in seinem Elternhaus kaum je ein jiddisches Wort gehört und das Jiddische wohl nur zu dem Zweck gelernt hatte, diese Gedichte lesen und besser verstehen zu können.
Alfred Kittner, in Zeitschrift für Kulturaustausch 3, 32. Jg., 1982
Hans Mayer: Erinnerung an Paul Celan, Merkur, Heft 272, Dezember 1970
AUSBRUCH VON HIER
Für Paul Celan, Peter Szondi, Jean Améry,
die nicht weiterleben wollten
Das Seil
nach Häftlingsart aus Bettüchern geknüpft
die Bettücher auf denen ich geweint habe
ich winde es um mich
Taucherseil
um meinen Leib
ich springe ab
ich tauche
weg vom Tag
hindurch
tauche ich auf
auf der andern Seite der Erde
Dort will ich
freier atmen
dort will ich ein Alphabet erfinden
von tätigen Buchstaben
Hilde Domin
PAUL-CELAN-GEDENKTAFEL
(ehem. Wassilko-Gasse, Czernowitz)
Das aufgeschlagene buch –
ein flügelpaar im flug,
eine welle vom spiegel der Seine,
als das leben er nicht mehr ertrug
Das aufgeschlagene buch im flug
über, o über dem dorn
Der stein hat zu blühen sich nicht bequemt,
die welle glättet den zorn
Reiner Kunze
Paul Celan: Dichter ist, wer menschlich spricht. Ein Film von Ulrich H. Kasten und Hans-Dieter Schütt mit Eric Celan und Bertrand Badiou.
Gerhart Baumann hielt seinen Vortrag Paul Celan: Um-Wege zu sich und die offene Frage des Gedichts auf der Tagung Vom Sinn moderner Lyrik am 23. Januar 1971 im Haus der Katholischen Akademie in Freiburg.
Niemand zeugt für den Zeugen. 100 Jahre Paul Celan. Literarische Soirée am 30.9.2020 im Haus am Dom Limburg.
„wir wissen ja nicht, was gilt“ – Paul Celan zum 100. Geburtstag
Ein Abend zu Paul Celan am 18.5.2020 im Literaturhaus Berlin mit Hans-Peter Kunisch und Thomas Sparr. Es moderiert Eveline Goodman-Thau.
Paul Celan, Czernowitz & die „Todesfuge“. Helmut Böttiger berichtet.
Erreichbar, nah und unverloren. Reisen zu Paul Celan. Teil 1. Gespräch mit Helmut Böttiger.
Todesfuge – Biographie eines Gedichts. Alexander Suckel im Gespräch mit Thomas Sparr am 17.4.2020 im Literaturhaus Halle.
„Ästhetik und politische Dimension der Dichtung Paul Celans“. Mit Helmut Böttiger, Thomas Sparr und Monika Rinck; Moderation: Dieter Stolz am 23.11.2020 im Literaturforum im Brecht Haus.
Paul Celan in Europa – Videogespräch am 22.9.2020 im Rahmen der trilateralen Forschungskonferenzen 2020–2023 in der Villa Vigoni.
Paul Celan übersetzen – Gabriel Horatiu Decuble im Gespräch mit Ton Naaijkens und Alexandru Bulucz, Moderation Ernest Wichner am 6.11.2021 im Literaturhaus Halle im Rahmen der Tagung „Was setzt über, wenn Gedichte übersetzt werden“.
Clément Fradin, Julia Maas und Michael Woll stellen Paul Celans Bibliothek im Deutschen Literaturarchiv Marbach vor.
„Die Todesfuge. Zur Biographie eines Gedichts im Archiv“ – Thomas Sparr im Gespräch mit Jan Bürger, Kai Uwe Peter und Michael Woll
Michael Woll stellt Paul Celans Nachlass im Deutschen Literaturarchiv Marbach vor. Im Mittelpunkt stehen dabei die Hölderlin-Bezüge in Celans Texten.
Felix Philipp Ingolds Skorpioversa – Kehraus mit Celan
Zwischen „Grabschändern“ und „Linksnibelungen“. Wolfgang Emmerich im Gespräch mit Michael Braun über Paul Celans Verhältnis zu Deutschland und seinen deutschen Kritikern.
Carolin Callies, Ann Cotten, Daniela Danz, Aris Fioretos, Norbert Hummelt und Rainer René Mueller kommentieren Paul Celans Gedicht „Was es an Sternen bedarf“.
Paul Celan liest Gedichte in Jerusalem am 9.10.1969
Daniel Jurjew / Klaus Reichert: Paul Celan: Ich sehe seine Hellsichtigkeit, bei anderem denke ich einfach: er übertreibt
Frankfurter Rundschau, 19.4.2020
Gregor Dotzauer: Das Eigene und das Andere
Der Tagesspiegel, 19.4.2020
Susanne Ayoub: Es ist Zeit, dass es Zeit ist
Der Standart, 19.4.2020
Sandro Zanetti: Akute Dichtung: Celans Zumutungen
Geschichte der Gegenwart, 19.4.2020
Friederike Invernizzi: Sprechen zwischen Wunde und Narbe
Forschung & Lehre, 19.4.2020
Frank Trende: Die bewegende Geschichte der Todesfuge
shz.de, 19.4.2020
Dunja Welke: Paul Celan – Ein zerrissener Dichter
RBB, 18.4.2020
Stefan Lüddemann: Paul Celan, Dichter des Holocaust, starb vor 50 Jahren
Neue Osnabrücker Zeitung, 19.4.2020
Shmuel Thomas Huppert: Erinnerungen an Paul Celan
SR 2, 26.2.2020
Christoph Bartmann: Ein Riss, der nicht zu heilen war
Süddeutsche Zeitung, 20.4.2020
Christine Richard: Ein Leben, immer nahe am Untergang
Tages-Anzeiger, 20.4.2020
Anton Thuswaldner: „Die Welt ist gegen mich losgezogen“
Salzburger Nachrichten, 19.4.2020
Klaus Reichert im Gespräch mit Niels Beintker: Erinnerungen an Begegnungen und Gespräche mit Paul Celan
BR24, 20.4.2020
Rüdiger Görner: Asche atmen: Zu Paul Celan
Die Presse, 23.4.2020
Marko Martin: Paul Celan und die „Linksnibelungen“
Welt, 27.4.2020
Evelyne Polt-Heinzl: Paul Celan Ein Migrant in Wien
Die Furche, 8.4.2020
Andreas Wirthensohn: Todesklage für die Überlebenden
Wiener Zeitung, 21.11.2020
Klaus Demus: „Eine sehr große Freundschaft“
literaturoutdoors.com, 22.11.2020
Claus Löser: Fünf Filme für Paul Celan
Berliner Zeitung, 21.11.2020
Krisha Kops: Paul Celan: Dichter, Überlebender, Heimatloser
Deutsche Welle, 22.11.2020
Ulf Heise: Lyrik als Flaschenpost
Freie Presse, 22.11.2020
Susanne Ayoub: Paul Celan: Verlust der Heimat, Trauer um die Eltern
Der Standart, 22.11.2020
Wolf Scheller: Was nicht gesagt, nur angedeutet werden kann
Der Standart, 23.11.2020
Andreas Montag: Dichter Paul Celan – Der Schleier des Herbstes
Mitteldeutsche Zeitung, 23.11.2020
Andreas Müller: Paul Celan – zum 100. Geburtstag
Wiesbadener Kurier, 23.11.2020
Stefan Kister: Unter die Deutschen gefallen
Stuttgarter Zeitung, 22.11.2020
Paul Jandl: Vielleicht war Paul Celan einmal ganz er selbst. Da spielte er die Dürrenmatts beim Tischtennis in Grund und Boden
Neue Zürcher Zeitung, 23.11.2020
Sabine Glaubitz: Er schrieb das Unsagbare auf: Nachkriegsdichter Paul Celan wäre heute 100 Jahre alt geworden
stern, 23.11.2020
Volker Weidermann: Ein Grab in den Lüften
Der Spiegel, 20.11.2020
Jochen Hieber: Im Höhenrausch mit Ingeborg Bachmann
Der Spiegel, 23.11.2020
Stefan Brams: Interview mit Thomas Sparr – Paul Celan stiftet zur Erinnerung an
Neue Westfälische, 23.11.2020
Helmut Böttiger: Die graue Sprache
Süddeutsche Zeitung, 22.11.2020
Helmut Böttiger: Auf der Suche nach einer graueren Sprache
Jüdische Allgemeine, 21.11.2020
Albrecht Dümling: Die Todesfuge in Tönen
Deutschlandfunk Kultur, 20.11.2020
Nikolaus Halmer im Gespräch mit Barbara Wiedemann: Paul Celan: „Es sind noch Lieder zu singen jenseits der Menschen“
Die Furche, 11.11.2020
Harald Seubert: Lieder jenseits der Menschen und kodierte Zeit: Paul Celan (1920–1970). Zum Gedenken
youtube.com, 15.6.2020
Celebrating Paul Celan: An Evening with Pierre Joris and Paul Auster
youtube.com, 21.11.2020
Stadtführung „Auf den Spuren von Paul Celan“
youtube.com, 10.9.2020
Paul-Celan-Literaturtage 2020. Videopräsentation vom Paul Celan Literaturzentrum Czernowitz
Ausstellung Paul Celan 100 – Unter den Wörtern
Online-Begleitprogramm zur Ausstellung Paul Celan – Meine Gedichte sind meine Vita
West-östliche Konstellationen. Internationale Tagung als hybride Veranstaltung im Lyrik Kabinett, München, sowie online.
Tagungskonzeption und -organisation: Prof. Markus May und PD Dr. Erik Schilling (Institut für deutsche Philologie der LMU München)
8.–9.10.2020
Eröffnung
Ambivalente Topographien. Rilkes Dritte Duineser Elegie und Celans „Walliser Elegie“
„West-östliche“ Lesarten im Jahrhundert nach Celan
Das Schweigen über Brücken. Orte Celans bei Robert Schindel
Abendvortrag: Todesfuge. Biographie eines Gedichts
„Wortaufschüttung“. Materialität als Indexikalität bei Paul Celan
Betreten. Zum Anfang von Engführung
Celans Draußen. Über reale und sprachliche Räume in seiner Dichtung
„Stimmen vom Galgenbaum“. Celans west-östliches Rotwelsch
Paul Celans Todesfuge interpretiert von Diamanda Galas im Teatro Albeniz, Madrid, 15.10.2008.
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