Hans Carl Artmanns Gedicht „mescalin und morphium…“

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HANS CARL ARTMANN

mescalin und morphium
wächst in unserm garten.
draculinchen ist die braut,
mag nicht lang mehr warten.
ist sie doch schon jahre zehn
fledermäuseelfchen,
träumt von werwolf und von zwölf
neugeworfnen wölfchen.

1967

aus: H.C. Artmann: Sämtliche Gedichte. Verlag Jung & Jung, Salzburg 2003

 

Konnotation

Dieses wunderbar ketzerische Kindergedicht tut alles dafür, sich dem Prädikat „pädagogisch wertvoll“ zu entziehen. Gleich zwei Verbote werden ja vom lyrischen Subjekt übertreten: Zunächst preist es zwei Halluzinogene als Gewächs des eigenen Gartens an, danach wird die seltsame Hochzeit zwischen zwei Horror-Wesen gefeiert. Der Vampir nimmt zum ersten Mal weibliche Gestalt an: das „draculinchen“ hat im „werwolf“ den erwünschten blutgierigen Bräutigam gefunden.
Der Sprachzauberer H.C. Artmann (1921–2000) hat in seinen schwarzhumorigen Kindergedichten des Bandes Allerleirausch viele makabre Pointen deponiert. Und so wuchert denn auch nicht das Naturschöne in Gestalt einer reichen Flora und Fauna im Gedicht-Garten, sondern es lagern dort Rauschdrogen. Und zur Hochzeit treten nicht ein unglücklicher Prinz und seine endlich gefundene Prinzessin an, sondern zwei blutrünstige Bösewichte, die sich epidemisch vermehren.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009

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