James Joyce: Gesammelte Gedichte

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von James Joyce: Gesammelte Gedichte

Joyce-Gesammelte Gedichte

DAS HEILIGE OFFIZIUM

Mein Name – ich will ihn mir selber verleihn −
Katharsis-Purgativ soll sein.
Ich, der die Wege der Unordnung floh,
Zu heben der Dichter Grammatik-Niveau,
Bordell und Taverne bekannt zu machen
Mit Aristoteles’ witzigen Sachen,
Muß hier, daß die Barden nicht irre gehn,
Zum Interpretieren mich selber verstehn:
Empfanget von meinen Lippen darum
Ein peripatetisch Privatissimum.
Den Himmel betreten, die Hölle durchreisen,
Mag schrecklich sein und recht wenig zu preisen,
Man braucht jedenfalls die Bequemlichkeit
Vollkommener Zufriedenheit.
Denn jeder geborene Mystizist
Unpräjudiziert ein Dante ist,
Der wohlig am häuslichen Herde logiert
Und dort äußerste Irrgläubigkeiten riskiert,
Vergleichbar dem Tropf, der bei leckerem Schmaus
Sich eine Fastenzeit malt aus.
Wo der Menschenverstand, der gesunde, regiert,
Verläuft da das Leben nicht intensiviert?
Doch daß dies klar ist: Nichts hab ich gemein
Mit diesem tristen Verkleidungsverein −
Dem, der seinen Damen, aufs beste gedrillt,
Ihren Hunger nach Frivolitäten stillt,
Während sie ihn, gibt er sein Jammern zum besten,
Mit keltischen Goldstickereien trösten −
Dem, der stocknüchtern sein Leben führt,
Doch auf der Bühne den Säufer markiert −
Dem, dessen Auftritt „den Eindruck vermehrt“,
Daß er gern „in gebildeten Kreisen“ verkehrt −
Dem, der in Hazelhatch mit Bedacht
Vor Millionären den Narren macht,
Doch zur Fastenzeit reuig in Tränen steht
Und sein heidnisches Vorleben beichten geht −
Dem, der verweigert jeglichen Knicks,
Vorm Gerstensaft wie vorm Kruzifix,
Doch allen zeigt, wie in ärmlichem Kleide
Sein hoher kastilischer Adel leide −
Dem, der den „teuren Meister“ liebt −
Dem, der nur angstvoll sein Gläschen kippt −
Dem, der, als wohlig im Bett er einst nickte,
Herrn Jesus ohne Kopf erblickte
Und wiederzufinden sich kühn entschloß
Die verlorenen Werke des Aischylos.
Doch all diese Wichte, die ich hier knicke,
Machen zur Klärgrube mich ihrer Clique:
Damit träumen sie können im sicheren Port,
Schaff ich ihnen die dreckigen Abwässer fort;
Für sie jene Dinge ich übernehm,
Durch die ich verloren mein Diadem,
Für die mich Großmütterchen Kirche verstieß,
Mich unnachsichtig im Stiche ließ.
So erleichtre ich ihnen den furchtsamen Arsch,
Üb mein Katharsis-Amt bündig und barsch.
Mein Scharlach macht wie Wolle sie weiß:
Durch mich purgieren sie ihren Steiß.
Bei Komödiantinnen männiglich
Spiele den Generalvikar ich,
Und jeglicher Jungfrau, daß sie es lerne,
Erweise den nämlichen Dienst ich gerne.
Denn ich entdeck – ’s überrascht mich nicht
Jene schattige Schönheit in ihrem Gesicht,
Das „Wag’s ja nicht!“ der süßen Jungfrauenblicke
Als Antwort auf meine Verführertücke.
Wann immer wir öffentlich uns sehn,
Scheint nichts davon je durch den Kopf ihr zu gehn;
Doch zur Nachtzeit, wenn sie, von Kissen umhüllt,
Meine Hand jäh zwischen den Schenkeln fühlt,
Dann kennt mein Liebchen im leichten Kleid
Die sanfte Flamme Lüsternheit.
Aber Mammon belegt mit Acht und Bann
Die Gepflogenheiten des Leviathan,
Und dieser hohe Geist des Wahren
Führt Krieg gegen Mammons Dienerscharen,
Die wissen, daß sie zu keiner Frist
Seiner Strafe entgehn, die Verachtung ist.
So nehm in den Blick ich, fern dem Lande,
Das Schlachtfeld dieser Narrenbande,
Der Seelen, die hassen der meinen Kraft,
Die in des Aquinas Schule gestrafft.
Wo sie gebückt sich voll Kriecherei,
Steh ich, der Selbstbestrafte, frei,
Furchtlos, freundlos und allein,
Indifferent wie der Sonnenschein
Und sicher und fest wie die Bergesspitzen,
Wo luftig ich lass mein Geweihe blitzen.
Lasse sie weiter kraxeln und schleichen,
Um die Bilanzen auszugleichen.
Solln sie sich mühn bis ins Grab hinein −
Mein Geist wird nie der ihrige sein
Noch meine Seel mit den ihren vereint,
Bis der Schluß des Mahamanvantara erscheint:
Und stoßen von ihrer Türe sie mich,
So verschmäht meine Seele sie ewiglich.

 

 

 

Nachbemerkung

Der vorliegende Band bringt fast sämtliche Gedichte von James Joyce, also sowohl die von ihm selbst publizierten wie die zu Lebzeiten nichtpublizierten. Ganz wenige, unerhebliche Stücke sind weggelassen. Bedauerlich ist höchstens das Fehlen eines Gedichts – „A Portrait of the Artist as an Ancient Mariner“ (1932). Dieses fast unverständliche Gedicht hat zum Thema einige Tücken der Ulysses-Publikation wie etwa die Piratendrucke; es hat als formales Gerüst Coleridges „Rime of the Ancient Mariner“. Bis ins kleinste entwirren ließ das Gedicht sich nicht, und die formale Strukturierung wäre für deutsche Leser ohnehin nicht erkennbar. Der Arbeitsaufwand hätte in gar keinem Verhältnis gestanden zu einem irgendwie akzeptablen Resultat. Das gleiche gilt leider auch für das Pamphlet „From a Banned Writer to a Banned Singer“: die zahllosen notwendigen Annotationen zu einer völlig ephemeren Geschichte und deren Verarbeitung in den Text hätten kaum die Doppelanstrengung des Übersetzens und des Lesens gerechtfertigt.
Eine annähernd vollständige oder zuverlässige Ausgabe der Gedichte fehlt. Die Collected Poems (Viking Press, New York 1957) enthalten nur die beiden Sammlungen sowie „Ecce Puer“. So liegt unserem Band die bisher vollständigste, wenn auch wenig zuverlässige, englisch-italienische Ausgabe von Mondadori (1961) zugrunde. Verglichen wurden diese Texte mit den bei Richard Ellmann, James Joyce (zuerst New York 1959), abgedruckten. In Zweifelsfällen wurden Handschriften und Typoskripte nach dem James Joyce Archive herangezogen: Chamber Music, Pomes Penyeach and Occasional Verse. A Facsimile of Manuscripts, Typescripts and Proofs, Prefaced and Arranged by A. Walton Litz, Garland Publishing, New York und London 1978.

K. R. und F. S.

 

Dieser Band enthält

alle in Buchform erschienenen Gedichte: die Sammlungen Kammermusik (1907) und Pöme Pennysstück (1927); die Verstreuten Gedichte, darunter die Fragmentarische Jugendlyrik (1900–1904); die Verssatiren Das heilige Offizium und Gas von einem Brenner; die Gelegenheitsverse (1902–1937).
Richard Allmann vermerkt in seiner umfassenden Joyce-Biografie, daß sich Joyce als „junger Poet“ selbst nicht im klaren war über seine Gedichte. „Die Hauptquelle dieser Unklarheit war, daß er es seinem Landsman Yeats nicht im entferntesten gleichtun konnte, dessen Gedichte aus Wind among the Reeds (Wind im Schilf) seine höchste Bewunderung erregt hatten, als sie 1899 erschienen waren.“
Aufgenommen wurde in diesen Band außerdem das einzige übersetzte Kapitel aus Finnegans Wake, „Anna Livia Plurabelle“, im Originaltext und in zwei Übertragungen, der von Wolfgang Hildesheimer und der von Hans Wollschläger.

Suhrkamp Verlag, Klappentext, 1987

 

Wo doch Einstein nicht der James Joyce der Wissenschaftler war und James Joyce nicht der Einstein der Schriftsteller war über den niemand hinausgehen konnte weil das Darüberhinaus ein Ort war wo alles gekrümmt ist und zu seinem Anfang zurückkehrt auf eine relative Art und tut denn nicht ein Fluß genau das kommt immer zu sich selbst zurück wie eine Schlange die ihren Schwanz frißt was das Leben selbst und jedermanns Leben ist wie ein Bach der vom Berg in den größten Fluß stürzt und der Fluß kehrt immer zu sich selbst zurück nachdem er sich ins Meer ergießt und in Wolken und Regen und Sonnenuntergängen zurückkehrt obwohl heute die Sonnenuntergänge sterben die Flüsse sterben und wie lange wird der Fluß noch zurückkehren als könnte ein Fluß wirklich heimkommen mit seinen Reisenden und diesem weit gewanderten James Joyce der sich immer zurücklehnt um dem alten River Liffey zu lauschen der ihm die große Geschichte erzählt ihm ständig zusprudelt den Schaum der Worte damit wir alle klagen können an einem Flußlauf nach Hause im Abendrot

Lawrence Ferlinghetti

 

Neuntage: Golden Hair (Lyrics by James Joyce)

 

JOYCE

1976: und immer noch ist
ULYSSES
das buch des jahrhunderts

standhält
der intelligente Wahnsinn
der sprache

Kurt Marti

 

 

Fakten und Vermutungen zum Übersetzer + Nachrufe

 

Fakten und Vermutungen zum AutorIMDb + Internet Archive +
Kalliope und zum James Joyce Centre + James Joyce Foundation
Porträtgalerie: Keystone-SDA

 

The World of James Joyce: His Life & Work documentary (1986).

 

Anjelica Huston erzählt James Joyce.

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