Alexander Xaver Gwerders Gedicht „Rondo“

ALEXANDER XAVER GWERDER

Rondo

Ich bin wie schon gestorben.
Geh, es hat keinen Zweck!
Ich wiege mit der Ähre,
niemand weiß mein Versteck.

Ja, wenn ich wieder wäre…

Doch es hat keinen Zweck –
Jetzt wieg ich mit der Ähre,
fahr in des Windes Fähre,
im Wind ist mein Versteck.

ca. 1952

aus: Alexander Xaver Gwerder: Dämmerklee, Arche Verlag, Zürich 1957

 

Konnotation

Eine tragische Grunddisposition und die melancholische Gewissheit, ein „erloschenes Spätherz“ zu sein, haben das kurze Dichterleben des Schweizer Lyrikers Alexander Xaver Gwerder (1923–1952) bestimmt. Im Juli 1949 hatte der gelernte Buchdrucker und Offset-Kopist seine ersten Verse in der Zürcher Tageszeitung Die Tat veröffentlicht und viel Beifall dafür erhalten. Die Begegnung mit den Gedichten Gottfried Benns empfand er 1951 als ein literarisches Schlüsselerlebnis; seither artikulieren seine Verse das Lebensgefühl einer „großen Verlorenheit“.
Zusammen mit seiner „Traumgefährtin“, einer 19jährigen Baslerin, flieht Gwerder im September 1952 aus seiner bürgerlichen Existenz ins südfranzösische Arles, die Schicksalsstadt des von ihm bewunderten Vincent van Gogh. Dort entstehen seine letzten Gedichte, einfache, liedhafte Verse wie das „Rondo“, eingedunkelt von Todessehnsucht. Nach einem missglückten Doppel-Suizid stirbt Gwerder am 14. September 1952 im Armenkrankhaus in Arles, seine junge Gefährtin kann gerettet werden.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006

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