ALFRED ANDERSCH
Brauchbarer Ersatz
Sohn
es geht mich ja nichts an
aber
anstatt daß du
halluzinogene drogen
einnimmst
rate ich dir
den rauch
von einem holzfeuer
zu beobachten
wie er
aufsteigt und
sich auflöst
blaugrau
im gebirg
vor einem
noch unbelaubten
waldhang
1976/77
aus: Alfred Andersch: Gesammelte Werke, Diogenes Verlag, Zürich 2004
Im ewigen Vater-Sohn-Konflikt, den keine Generation bislang aufzuheben vermochte, wirken pädagogische Ermahnungen von der väterlichen Seite mitunter kontraproduktiv. Die Revolte des Sohnes wird durch Belehrungen nicht moderiert, sondern unfreiwillig angeheizt. Ob die private Anti-Drogen-Kampagne, die hier das lyrische Ich des Schriftstellers Alfred Andersch (1914–1980) inszeniert, Aussicht auf Erfolg hat?
Es ist kennzeichnend für einen moralisch und politisch engagierten Autor wie Andersch, dass sein lyrischer Appell an die Einsichtsfähigkeit des Sohnes auf die Kraft der Vernunft setzt. Die Empfindung der Naturmagie, so die Conclusio dieses in den 1970er Jahren entstandenen Poems, ist der Rauschwirkung einer halluzinogenen Droge ebenbürtig und ihr daher vorzuziehen. Was für das poetische Bewusstsein zwingend erscheint, erscheint als pädagogisches Konzept naiv.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006
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