Erika Burkarts Gedicht „Dämmerung“

ERIKA BURKART

Dämmerung

Ein Feuer frühabends
im Februar, wenn es Asche schneit.
Noch sind die Knospen geborgen,
die Gräser bereift –

ist aber ein Licht, das streift
zwischen den Zonen, das steigt
den Zweigen unter die Haut.
Nackter verwunschener Garten.
Nähe der Nacht;
wir warten.

nach 2000

aus: Erika Burkart: Ortlose Nähe. Gedichte. Ammann Verlag, Zürich 2005

 

Konnotation

Seit ihren literarischen Anfängen in den 1950er Jahren arbeitet die 1922 geborene Schweizer Lyrikerin Erika Burkart beharrlich an einer Poetik der innigen Naturfrömmigkeit. In einem frühen Bekenntnis zur Dichtkunst Annette von Droste-Hülshoffs (1797–1848) spricht sie von ihrer „Beheimatung in den ganzheitlichen Gründen der Präexistenz“ und von der drohenden Vertreibung aus diesem „Gnadenzustand der Frühzeit“. Die animistische Sehnsucht nach Verschmelzung mit den Naturphänomenen und nach einer Spiritualisierung der Landschaft dauert an.
Den Elementen eignet hier noch immer eine Magie: dem Feuer und dem Licht ebenso wie den aus der Feuchtigkeit und der Verknospung emporstrebenden Blumen und Gräsern. Die Schöpfungswunder werden in diesem nach 2000 entstandenen Gedicht inständig bestaunt, der Garten hat – wie in einem romantischen Text oder einem Märchen – noch etwas „Verwunschenes“. Und selbst der Wartezustand des lyrischen Wir hat den Charakter einer religiösen Erwartung – als stünde etwas Großes bevor.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

0:00
0:00