Friedrich Dürrenmatts Gedicht „Siriusbegleiter“

FRIEDRICH DÜRRENMATT

Siriusbegleiter

Von den Dingen, die ich sah
bist du mir besonders nah

Fühle aller Welten Schluß
Was da kommen wird und muß

Ein vollkommner Diamant
Hast du Raum und Zeit verbrannt

Deiner ungeheuren Schwere
Bleibt allein der Weg ins leere

Dein dir anvertrautes Leben
hast du wieder weggegeben

Erdenkleiner Sternengreis
Heiß wie Feuer, weiß wie Eis

Deine Härte ist der Tod
Unsrer Herzen, der uns droht

um 1970

aus: Friedrich Dürrenmatt: Das Mögliche ist ungeheuer. Ausgewählte Gedichte, Diogenes Verlag, Zürich 1993

 

Konnotation

Die stärkste Passion des Dramatikers und Schriftstellers Friedrich Dürrenmatt (1921–1990) war die Astronomie. Bereits sein erstes Stück von 1943 (Komödie) endet mit einer planetarischen Katastrophe. Im Winterkrieg in Tibet (1981) denkt ein Protagonist „über die Sterne nach“ und schreibt an eine Höhlenwand, wie die Sonnen entstehen und wieder enden.
Um einen der hellsten Sterne am Firmament, den Sirius, kreist ein zweites, dem bloßen Auge nicht sichtbares Gestirn, ein so genannter „Weißer Zwerg“, der als Sirius B oder „Siriusbegleiter“ bezeichnet wird. Von diesem Siriusbegleiter hat der afrikanische Volksstamm der Dogon berichtet, es sei der kleinste und schwerste aller Sterne und der Ausgangspunkt der Schöpfung. Dürrenmatt hat dieses „Siriusrätsel“ in seinem vermutlich in den 1970er Jahren entstandenen Gedicht aufgegriffen und in seinen apokalyptischen Weltentwurf von der „schlimmstmöglichen Wendung“ der irdischen und kosmischen Dinge integriert.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006

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