Hellmuth Krügers Gedicht „Die naturalistische Rakete“

HELLMUTH KRÜGER

Die naturalistische Rakete

Das Leben ist ein Feuerwerk,
Es prasselt und knallt chaotisch,
Und richtet man drauf sein Augenmerk,
So wirkt es durchaus erotisch.

Es kann die Lust bei Mann und Weib
Raketenschnell zur Stell’ sein.
Und wozu hat der Mensch den Leib,
Darf er nicht sexuell sein?

Drum knallt zu des Philisters Graus
Und pufft nur recht animalisch!
Geht dir erst mal das Pulver aus,
Wirst du von selbst moralisch.

1930er Jahre

aus: Hellmuth Krüger: Hell und schnell. Hrsg. v. R. Gernhardt u. K.C. Zehrer. S. Fischer Verlag, Frankfurt a.M. 2004

 

Konnotation

Dieses Gedicht stammt aus einer Zeit, da das leidenschaftliche Betreiben eines „Schmunzelkollegs“ noch nicht ästhetisch und politisch legitimiert werden musste. Der Conferencier und Satiriker Hellmuth Krüger (1890–1955) gehörte zur Generation liberaler Kabarettisten im Berlin und München der dreißiger Jahre, die ihr Publikum auch mit gesellschaftskritischem Witz zu erobern vermochten. Im Jahr 1931 nahm Krüger mit seinem bitteren Lied vom „Bücherkarren“ die nationalsozialistische Bücherverbrennung vorweg. In den Jahren des Nazi-Regimes zog sich Krüger auf unpolitische Satiren zurück.
Krügers Chanson „Die naturalistische Rakete“ liefert den satirischen Normalfall – die leichte Kost der Lebensbejahung. Nach 1945 gründete Krüger zusammen mit seinem Kompagnon Werner Finck (vgl. Lyrikkalender vom 4.9.2008) das Kabarett Die Schaubude und brillierte noch einmal – wie in seinen Glanzzeiten in der Weimarer Republik – als Conferencier. Im Gegensatz zu seinem Kollegen Finck ist er heute vergessen.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

0:00
0:00