Hugo Balls Gedicht „König Salomo“

HUGO BALL

König Salomo

Als König Salomo beim Tempelbau
Mit den Dämonen stritt, die ihn umsaßen,
Ließ er in Mitternächten dumpf und grau
Die Zymbel schlagen und Posaune blasen.

An seiner Seite sah man eine Frau,
Die aufgebaut war ganz aus Parabasen,
Aus Saba kam sie wie ein weißer Pfau
Und stand wie eine Mumie in Exstasen.

Der König selber saß in seinem Zelt,
Um dessen Öffnung Feuer hing in Fransen
Und wies gebietend in die Unterwelt.

Da stiegen Mauern auf gleich goldenen Schanzen
Die Zedern fügten sich und ungezählt
Sah man die Tiere und die Teufel tanzen.

1923/24

 

Konnotation

Hugo Ball (1886–1927), der eigensinnigste Intellektuelle des expressionistischen Jahrzehnts, ist bekannt nur als Apologet des Dadaismus, den er gerade mal für drei Monate, im Frühjahr 1916, als Herold der europäischen Avantgarde im Zürcher Cabaret Voltaire exerzierte. Die aufregenden Denkbewegungen hin zum Anarchismus, zur katholischen Mystik und dem byzantinischen Christentum, die er nach den Dada-Aktivitäten vollführte, sind bis heute kaum wahrgenommen worden.
Den lyrischen Dämonentanz rund um den israelischen König Salomo und die Königin von Saba hat Ball wohl im Winter 1923/24 konzipiert, als er gerade an einen Zyklus mit neun „Schizophrenen Sonetten“ arbeitete, die er im Juli 1924 Hermann Hesse zum Geburtstag widmen sollte. Motivisch knüpfen die „extatischen“ Erfahrungen seiner mythischen Helden an seine poetischen Inszenierungen als „magischer Bischof“ in seiner Cabaret-Zeit an, als er seine Gedichte und „Vokalreihen“ „rezitativartig im Kirchenstile“ zu singen pflegte.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

0:00
0:00