Ralf Theniors Gedicht „es geht weiter“

RALF THENIOR

es geht weiter

er sagt was sie tut so als
hörte sie zu und erwidert nein
nein so ist es nicht aber das
sage ich doch gerade sagt er daß
du das nicht so sehen kannst du
mußt immerhin bedenken sie ist
schon woanders ohne Zweifel mein
Lieber aber das eine er läßt es
vorbeigehn sammelt sich für den
nächsten Ausfall und sie setzt
nach das kannst du mir glauben
und fängt noch mal von vorne an
er greift sich ans Haupt das gibt
es doch nicht wenn er nix mehr
hören will dann lauft da nix mehr
und sie drauf doch doch es geht
weiter sie reden ja noch

1980er Jahre

aus: Der neue Conrady. Das große deutsche Gedichtbuch. Hrsg. v. K.-O. Conrady. Artemis & Winkler, Zürich-Düsseldorf 2000

 

Konnotation

Ein Kapitel in Ralf Theniors (Jg. 1945) erstem Gedichtband Traurige Hurras (1977) trug den programmatischen Titel „Spreche“. Damit demonstrierte der Autor sein Interesse an den mündlichen Redefloskeln in seiner Lebenswelt, am Protokollieren der rudimentären Kommunikationsbruchstücke, mit denen wir uns im Alltag verständigen. Dass ein Großteil dieser Alltagsdiskurse auch aus Dementis, beschwörenden Redegesten oder Abwehr des Gesprächspartners bestehen kann, führt dieses Gedicht aus den 1980er Jahren vor.
Es ist der Irrwitz des endlosen, sich einer wirklichen Verständigung entziehenden Diskutierens, den Thenior hier ins Gedicht übersetzt. Hier ist kein lyrisches Ich mehr da, das das Rede-Gewirr in eine sinnvolle Ordnung überführen könnte. Thenior bliebt hier ein neutraler Beobachter der Redegesten – als ob die Umgangssprache und der Slang selbst das handelnde Subjekt wären.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008

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