Raphael Urweiders Gedicht „braune staubkäfer“

RAPHAEL URWEIDER

braune staubkäfer

braune staubkäfer überall braune
staubkäfer auch in unserem lac de cygne

und ohne flügel und in jedem
armaturenbrett jedes traums und

zu jeder tageszeit braune staubkäfer
auch dienstags auch in den arabian nights

fluguntauglich unklassiert und braun
zwischen den gebrauchsanweisungen im

traum an arabischen dienstagen an beiden
ufern im windschatten ungeflügelt

im staub braune staubkäfer überall
in jeder hydraulik im traum

1999/2000

aus: Raphael Urweider: Lichter in Menlo Park, DuMont Literatur und Kunst Verlag, Köln 2000

 

Konnotation

Der 1974 geborene Schweizer Lyriker Raphael Urweider ist ein Autor, für den der einst von Günter Grass abschätzig eingeführte Begriff „Labordichter“ keine rufschädigende Nebenbedeutung mehr hat. Denn Urweider interessiert sich nicht so sehr für Seelenzustände des lyrischen Subjekts, sondern für Erkenntnisformen: Der Ausleuchtung von Gefühlslagen zieht er die kühle Inspektion unserer technischen und wissenschaftlichen Welt vor.
Natur und Mythos, Traum und Technik treffen in diesem Gedicht aufeinander. Am Ende bleibt nur noch ein starker sinnlicher Eindruck von einem rätselhaften Tier zurück, ein bloßer visueller Reiz, der sich als Konstante im Gedicht behauptet. Alles steht hier im Zeichen des „braunen staubkäfers“ dem alle natürlichen Käfer-Eigenschaften fehlen. Denn dieser imaginierte Käfer ist fluguntauglich und flügellos; aber er zieht alle Wahrnehmungen auf sich, „zu jeder tageszeit“, auch „im traum“.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006

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