Thomas Klings Gedicht „Hombroich Elegie (10)“

THOMAS KLING

Hombroich Elegie (10)

dann starb die kröte; war
die kröte hin. zu feucht das
wetter und gleich beim salbei:
und ließ sich so nicht trocknen;
riß ab, riß durch als sie vom
einen ort – ein vogelschnabel war
das wohl – zum andern hin.

vom spatenblatt riß kröte ab! Es
starb die kröte leider mir, die
vor der türe hat gesessen; und
kerfe mit der schnellen zunge
hat gegessen. so schwarzer
teerhafter glibber; das weiße
bein stand raus. auch diese

kröte läßt sich nicht vergessen.

2001/02

aus: Thomas Kling: Sondagen. DuMont Buchverlag, Köln 2002

 

Konnotation

Der radikalste Dichter der jüngeren Gegenwartspoesie war der lyrische Sprachekstatiker Thomas Kling (1957–2005). Spracharchäologische Detailarbeit und eine furiose „Etymologiebegeisterung“ waren für diesen Dichter Voraussetzungen der Dichtkunst. Mit der genau kalkulierten Vermischung alter und neuer Bildsphären, der gezielten Konfrontation von frühgeschichtlichem und modernem, medientechnologischem Material betrieb er eine intensive „Sprachkörperbetrachtung“. Da hatte ein Wörter-Alchemist die Büchse der Pandora geöffnet und ließ daraus alle Wirkungsmöglichkeiten der Sprache auffliegen.
In seinem naturpoetischen Zyklus „Hombroich-Elegie“ fällt aller geschichtlicher Deutungszwang vom Dichter ab und er vergegenwärtigt in schönen dichten Bildsequenzen seine heimatliche Landschaft und seine poetischen Wappentiere. In der wild wuchernden Flora des „Denkgeländes“ seiner letzten Jahre, einer ehemaligen Raketenstation nahe der Museumsinsel Hombroich, entdeckt er auch die sterbende Kröte.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008

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