Werner Lutz’ Gedicht „Wenn ich gehe“

WERNER LUTZ

Wenn ich gehe

Wenn ich gehe,
so vor mich hin gehe
an all den köstlichen Dingen vorbei
dem schäumenden Laub
dem fließenden Land
wenn ich so gehe
begleitet von meinen Schritten
und sie atmen höre
die rhythmischen Schritte
weiß ich
dass es nichts Besseres gibt
als so vor sich hin zu gehen
und nirgendwo erwartet zu sein

um 2000

aus: Werner Lutz: Schattenhangschreiten. Gedichte. Waldgut Verlag, Frauenfeld/Schweiz, 2002

 

Konnotation

Wo fast nichts mehr geschieht, wo metaphorisch auftrumpfende Wörter sorgsam vermieden werden, wo das schreibende Ich mit konzentriertem Blick sich an die Dinge herantastet – da beginnt das Terrain des 1930 geborenen Basler Dichtermalers Werner Lutz. Seine Dichtung erfasst manchmal nur einen Luftzug, einen Lichtwechsel am Vormittag oder Farb-Changierungen in der Dämmerung. Aber diese Ereignislosigkeit hat poetisches Gewicht.
Aus dem Umstand, „gefesselt an die kleinen Dinge“ zu sein, vermag Lutz immer dann ästhetische Funken zu schlagen, wenn er sich ganz den sinnlichen Details anvertraut. Ziel dieser Gedichte ist es, die „kleinen Dinge“ und kurz aufblitzenden Wahrnehmungsmomente in eine schwebende Balance zu bringen. Die lyrische Leichtigkeit erscheint dann – wie in diesem 2002 erstmals veröffentlichten Gedicht – als Kunst des Gehens, ohne den Boden zu berühren.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007

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