Michael Donhauser: Schönste Lieder

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Michael Donhauser: Schönste Lieder

Donhauser-Schönste Lieder

Und da die Nacht, da sie war kalt und weit,
war es dann, dass da fiel, leicht wie Schnee,
ein Verzagen in die Seele, in die Arme ein
Entbehren, und es klangen noch die Schritte,
und es legten sich wie Hände Lichter auf die
aaaaaaaaaaaaAsphaltwege.

 

 

 

„Lieder, die Sätze sind“,

schreibt Michael Donhauser, „Sätze, die Lieder sind, schönste, weil sie erblühen, allein aus der Sprache, der Liebe, wenn sie werben oder alles Werben lassen und nur dem je eigenen Erblühen gehorchen, indem sie sich zeigen als schönste im Wechsel zwischen Lied und Satz, Satz und Lied. Darin verbirgt sich auch ein Abschied, das scheidende Gedicht, das sagt, das singt, Axiom ist und Gesang, und so als Satz einsetzt mit einer Annahme, und so als Lied einstimmt in die Vergänglichkeit, als wäre in beidem zugleich nur möglich, was Satz oder Lied je für sich verfehlt. Doch zuvor war ein Schreiben, das wenig von sich wusste, das seinen Anfang verloren hatte und doch weiterging, stockend, denn Lieder, schönste, werden nicht wahr, sie kommen immer nur näher einer Wahrheit, die nicht sein kann, wo sie nicht sind. Und so bleibt unabschließbar, was ein Ende sucht, indem es ein Ende erfindet, einen Abschied, wo vielleicht erst eintrifft, was Gedichte vermögen, wenn sie unvermögend nicht Lied sind, nicht Satz, doch Lieder, schönste, in Sätzen, welche Inschriften gleich ihre Umgebung kaum noch kennen.“

Urs Engeler Editor, Ankündigung, 2007

 

Fundstücke

− Fall, Verfall und Novembergedichte. −

Kann man heutzutage noch solche Gedichte schreiben, so ein Singen und Sagen und Schwelgen im Wohlklang und manchmal in Rilketönen? Michael Donhauser fühlt sich wohl an jener Grenze dessen, was beinahe zu schön ist, um wahr zu sein. 52 Schönste Lieder hat er komponiert, so viele, wie das Jahr Wochen hat, aber der Jahreskreis wird nicht ausgemessen, eindeutig herrscht hier der Herbst, Abschied allenthalben: „Und etwas wippt, und etwas fällt und willigt / ein und sträubt sich noch, es ist die Not, / die still uns neigt, die Zeit, sie wohnt und / bricht, es bleibt ein letzter Schein, der alles / wiegt, der glost, dann weicht.“ Das sind Novembergedichte, ihre Schlüsselwörter dem Fall und Verfall geweiht: Taumel, Rauschen, Wanken, sinken, Stürzen, Fallen, Modern, Wehen, Nacht, Not, Tod, selten ein hellerer, anderer Ton, Birken oder Glocken. Präsens und Präteritum, grammatikalisch scharf geschieden fließen ineinander. Das Ich frönt der Natur und der Naturerotik, da findet sich eine Anspielung auf Daphnes Verwandlung in einen Lorbeerbaum, dort eine menschliche Spur. Donhauser reimt üppig, mit und ohne Stab, seine Endreime verbirgt er im Blocksatz, er läßt den drängenden, oft jambischen Rhythmus stocken, setzt den erlösenden Punkt. Er beschwert seine Verse mit dem Gewicht des Ewigen und erleichtert sie zugleich, weil sie nur sich selbst aussprechen müssen. „Lieder, die Sätze sind, Sätze, die Lieder sind, schönste, weil sie erblühen, allein aus der Sprache, der Liebe“, heißt es im lyrischen Klappentext . Das ist suggestiv, aber manchmal wirklich zu viel des Guten: „und alles war Geben, war lose und heilte, / leise und wehte“. Nein, das ist ungerecht. Solche Sätze sind vielleicht ideal für Menschen, die Herbstabende und grünen Tee lieben.

Daniela Strigl, Der Standard, Album, 17.11.2007

Lyrischer Doppelagent

− Michael Donhauser: Schönste Lieder. −

Wie ist es möglich, heute Naturgedichte von einer fast Eichendorffschen Zärtlichkeit zu schreiben, rühmende, ganz den Erscheinungen zugewandte, berückte, berückende, eben „schönste Lieder“, und doch zugleich den Avantgardemaßstäben zu genügen, wie sie die Urs-Engeler-Bücher gerne für sich beanspruchen?
Michael Donhauser gelingt dies erstaunlich souverän und scheinbar mühelos. Es sind freilich Prosagedichte, ungereimte oder kaum gereimte, nicht in Versen gesetzte Vier- bis Sechszeiler, die sich im lyrischen Sprechen über die einfachen Dinge üben, über den Wind, das Licht, die Blätter, die Wolken und alle die anderen schönen Lieblingswörter und Lieblingsphänomene des die Landschaft durchwandernden Romantikers.
Dieses lyrische Sprechen vermeidet indessen behutsam, zum Aussagesatz zu gerinnen, es geht sanft und in einfachen Worten und nur ein bisschen sprachspielerisch auf sein Thema zu, um mitten in der Bewegung auf die typische Donhausersche Manier gebrochen zu werden, nicht mit Gewalt, nicht als Sprachzertrümmerung, sondern nur leicht „verrückt“ oder ein wenig kompliziert in ein anderes, ebenso freundliches Satzelement auslaufend. Dadurch wird die das Sprechen bestimmende Zärtlichkeitsemotion, die manchmal auch melancholisch ist, kaum unterbrochen, sie darf sein und im Gedicht zur Sprache kommen, ohne dass die Wirklichkeit, der das Gedicht Ausdruck verleiht, als so oder so bekannt behauptet wird.

Carsten Zimmermann, titel-forum.de, Januar 2008

Das Schönste, das Lied

− Michael Donhausers neue Prosagedichte. −

Zweiundfünfzig Miniaturen enthält Michael Donhausers neuer Band „Schönste Lieder“. Es sind kurze Prosagedichte, fünf oder sechs Zeilen lang, die letzte immer kürzer als die andern (manchmal nur ein Wort noch). Sie soll, sie muss dem Text ein Ende setzen, das nie Gültigkeit beanspruchen kann. Anders geht es nicht da, wo auch der Anfang schon zufällig ist, so dass der Text irgendeinmal anhebt und aufgreift, was immer schon da ist: „Wie waren warm noch einmal die Tage“, beginnt das erste „Schönste Lied“.
Wiewohl diese Gedichte auf kleinem Fuss leben und ohne rhetorischen Lärm, ohne die sogenannt „reiche“ Sprache auskommen, wird es nie eng in ihnen. Die Wörter bewegen sich fast ohne syntaktische Fesseln im Textraum und können sich buchstäblich untereinander austauschen. Knirschende Satzgelenke, hierarchische Strukturen findet man kaum. Dafür das unbestimmte „und“, das ebenso als Brücke wie als Bruch aufgefasst werden kann.
Donhausers Lieder haben keinen „Gegenstand“. Sie sind die Dinge: Wind (das Wehen), Licht (das Scheinen), Nacht, Schnee, Blätter, Wärme, Gerüche, Tageszeiten, Jahreszeiten, Lebenszeiten. Auch metaphysische „Dinge“ gehören dazu: Not, Sorge, Furcht, Liebe, Begehren. Sie sind, wenn man so will, die Helden dieser Epopöe des Elementaren.
„Thema“ muss musikalisch verstanden werden: als Sequenz von Klang und Rhythmus, als Melodie mit Crescendo und Decrescendo, Accelerando und Ritardando. Und nicht nur der Leser, sondern auch der Autor bleibt beim Schreiben Zuhörer der in Töne gefassten Bewegtheit des Textes: „Wie waren warm noch einmal die Tage, / da blühte der Efeu, da üppiger hingen / und glänzend die Früchte ins kaum schon /verfärbte Laub, dass lobend bald stieg, dass / zitternd bald sank die Sage, der Sommer / von Wicken umgarnt.“
Still nicht nur im Literaturbetrieb, sondern auch in seinen Texten war Donhauser schon immer. Nun ist er noch stiller und karger geworden. Und doch von einer unüberbietbaren Präsenz. „Ich“ sagt er selten. Dennoch ist seine Subjektivität überall spürbar. Sie ist der Atem oder Hauch, manchmal auch ein stärkerer Wind, der in die Dinge fährt und sie als Text zum Singen bringt. Text, der dann seinerseits den Autor mitnimmt, in Bewegung versetzt.
Die Subjektivität des Autors ist auch spürbar im Hiat, der seine Texte prägt. Es handelt sich dabei nicht um ein Gefühl, zwischen einer Aussenwelt und einer mit ihr inkommensurablen Innenwelt zerrissen zu werden. Vielmehr geht es um die Erfahrung der Synchronie des Asynchronen: der Gleichzeitigkeit unserer Zeit und der der Dinge. Donhausers Prosagedichte besingen nicht ein ewiges, unberührtes Sein, sondern ein wirkendes und sich also auch verwirkendes. Das ins Verschwinden verwickelte Dasein: „ich suche ihr zu sagen, wie schön sie sei, / wie schön sie war, da sie legte ihre Arme / um meinen Nacken, als hätte all dies sein / Gutes, das Betören wie das Lassen.“
Das wichtige „da“ in Donhausers Texten ist äusserst komplex und versammelt disparate Bedeutungen in einem Momen: das „da!“ des evozierenden Schauens, der unmittelbaren Gegenwart, und das „da“ des Erzählens, das kippt ins „da“ des „damals“. Die Wirklichkeit des Augenblicks ist gleichzeitig Illusion. „Noch einmal“ scheint er auf in seinem Vergehen. Das Sprechen des Liedes selber ist im zitierten ersten Lied schon zur „Sage“ geworden: „dass lobend bald stieg, dass / zitternd bald sank die Sage, der Sommer / von Wicken umgarnt.“ So reden Donhausers Gedichte von ihrem Verstummen. Das vergängliche Dasein ist ihr eigenes. Vielleicht ist das der Grund für die hauchdünne Melancholie, die über ihnen hängt und das Helle und das Finstere, das Emporwachsende und das Hinfällige in eine unwägbare Balance bringt. Donhauser ist auch ein Augenmensch. Die „Schönsten Lieder“ sind ganz dem Sichtbaren zugetan. Dem „da“ folgt das nicht weniger zweideutige und zweischneidige „wie“. Es holt die Dinge emphatisch vor unser Auge, rückt sie dabei aber zugleich in weite Ferne: „Wie fern sind die Lichter jenseits der Gleise“. Der Satz ist unauffällig, aber von ungeheurer Spannung. Nichts anderes als die Ferne selber wird in ihm zum Greifen nah.
Überheblich waren vielleicht die Dichter, die sich einst Sänger nannten. Noch überheblicher, könnte man meinen, ist der, der seine Gedichte „Schönste Lieder“ nennt. Donhausers Band aber ist kein Album, keine selbstgefällige „Best of“-Auswahl. Der Titel meint, dass das Gedicht überhaupt das Schönste sei, weil es am ehesten von allen literarischen Formen nicht Abbild von Leben und Vergehen ist, sondern selber zu leben und zu vergehen vermag. In diesem Sinne von „Vermögen“ sind Donhausers Prosagedichte dann doch durchaus reich.

Samuel Moser, Neue Zürcher Zeitung, 12./13.1.2008

 

 

 

Michael Donhauser – Lieder und Legenden, Lesung und Gespräch

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Michael Donhauser liest bei Weltklang – Nacht der Poesie 2020 ab 1:41:50.

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