Paul Celan: Eingedunkelt

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Paul Celan: Eingedunkelt

Celan-Eingedunkelt

DER GEIST, FLÜSSIG,
angesammelt, wie Wasser,
in den Bechern am Weltrand.
Dorthin, in Polar-
kappennähe verwiesen,
der rauchige Steinschild, der aufklingt.

Sichtbar, gleichen
Namens, noch immer,
die Erde und die ihr
zufallende, weit-
äugige Großstern-
Masse.

 

 

 

Editorisches Nachwort

Der aus elf Gedichten bestehende fragmentarische Zyklus „Eingedunkelt“ von Paul Celan wurde erstmals 1968 innerhalb des Bandes der Bibliothek Suhrkamp mit dem Titel Aus aufgegebenen Werken veröffentlicht. Es handelt sich, wie Siegfried Unseld in seiner Vorbemerkung schreibt, um eine Sammlung „fragmentarischer Texte von Autoren des Suhrkamp Verlages, Texte, die ,aufgegeben‘, also nicht weitergeschrieben, nicht vollendet oder nicht veröffentlicht wurden“. Der Band enthält Texte von Samuel Beckett, Karl Krolow, Wolfgang Koeppen, Hans Erich Nossack, Peter Weiss, Uwe Johnson, Wolfgang Hildesheimer, Nelly Sachs, Paul Celan, Martin Walser. Aus den Anmerkungen des Herausgebers geht hervor, daß diese elf Gedichte von Paul Celan im Frühjahr 1966 entstanden sind und daß ihr Autor den größeren Teil der in diesem Zusammenhang entstandenen Gedichte vernichtet habe. Tatsächlich aber befindet sich im Nachlaß des Dichters ein Konvolut mit einer von ihm selbst zusammengestellten Sammlung; ein Konvolut, das weitaus mehr Gedichte enthält: die unter dem Titel „Eingedunkelt“ erschienenen Gedichte wurden als Teil dieses aus mehr als 200 handschriftlichen Blättern bzw. Seiten (Gedichte, oft in mehreren Fassungen, Niederschriften und Textvarianten) bestehenden Konvoluts festgestellt. Die Gedichte entstanden in der Zeit zwischen Februar und Mai 1966, demnach in der Arbeitsendphase von Fadensonnen. Die Gedichte dieses Konvoluts, das aus einem Heft mit der Niederschrift der überarbeiteten Endfassungen von 26 Gedichten besteht, sowie aus einer Vielzahl loser Blätter mit neun anderen Gedichten, teils in mehreren Fassungen, waren, wie auf einem Deckblatt notiert ist, „für das Nach-Fadensonnen-Poem“ bestimmt. Es stellte sich heraus, daß sich – von den elf bereits publizierten Texten abgesehen – hier insgesamt 24 unveröffentlichte Gedichte befinden, davon 17 im Heft und sieben auf losen Blättern. Wie fast immer hat Paul Celan seine Gedichte datiert. Vom eigentlichen fragmentarischen Zyklus „Eingedunkelt“ gibt es weder ein Typoskript noch ein Verzeichnis, wohl aber ein von Juli 1967 datiertes Titelblatt. Allerdings stimmt die nicht chronologische Reihenfolge der Gedichte des Heftes mit einem sich ebenfalls im Heft befindlichen Verzeichnis überein. Aus der Tatsache, daß das Verzeichnis das vollständigste und das spätestdatierte des gesamten Konvoluts ist, haben wir geschlossen, daß es sich um den Entwurf eines nie vollendeten Zyklus handeln könnte, der „Narbenwahr“ (bzw. „Das Narbenwahre“), „Notgesang“ oder „Wahngang“ betitelt werden sollte, was aus mehreren Verzeichnis-Überschriften und aus einem als Titelblatt konzipiertem losen Deckblatt hervorgeht. Alle Gedichte aus dem 1968 veröffentlichten Zyklus „Eingedunkelt“ gehören zu den Gedichten des Heftes; ausgenommen „Angefochtener Stein“ und das Titel-Gedicht „Eingedunkelt“, die beide nur auf losen Blättern vorkommen. Die Sammlung – Heft und lose Blätter – bildet ein Ganzes das auch wenn die endgültige Gestalt nicht gefunden worden ist, dennoch eine eindeutige Kohärenz ergibt.
Lagen von einem Gedicht mehrere Fassungen vor, so war die – nur selten fehlende – Datierung maßgeblich. Die Möglichkeit des Vergleichs mit den vorangegangenen, mitunter zahlreichen Niederschriften war immer dann höchst willkommen, wenn es Unsicherheiten in Lesart und Interpunktion gab.
Der vorliegende in drei Teilen gegliederte Band wird mit jenem aus elf Gedichten bestehenden fragmentarischen Zyklus „Eingedunkelt“ eröffnet, den Paul Celan, wie erwähnt, zur Veröffentlichung freigab. In der zweiten Abteilung mit dem Titel „Gedichte aus dem Umkreis von ,Eingedunkelt‘“ entsprechen Textgestalt und Reihenfolge den 26 Gedichten des Heftes. Schließlich besteht die dritte Abteilung (mit*** von der zweiten getrennt) aus den neun übrigen Gedichten, denjenigen also, die nur auf losen Blättern vorkommen und die wir chronologisch geordnet haben, da sie dem Konvolut lediglich beigelegt waren. Diese Abfolge führte zwangsläufig zur Wiederholung jener Gedichte aus „Eingedunkelt“, die hier einige kleine Varianten aufweisen.
Unsere Ausgabe strebt nicht danach, der historisch-kritischen Ausgabe zuvorzukommen; dieser bleiben die Wiedergabe sämtlicher Textvarianten sowie der ausführliche Kommentar vorbehalten. Wir möchten dem Leser die Chance geben, die auch uns gegeben wurde – vom Vorhandensein dieser Gedichte Kenntnis zu nehmen.

Bertrand Badiou und Jean-Claude Rambach, November 1990, Nachwort

Der aus elf Gedichten

bestehende fragmentarische Zyklus „Eingedunkelt“ von Paul Celan wurde erstmals 1968 innerhalb des Bandes der Bibliothek Suhrkamp mit dem Titel Aus aufgegebenen Werken veröffentlicht. Es handelt sich, wie Siegfried Unseld in seiner Vorbemerkung schreibt, um eine Sammlung „fragmentarischer Texte von Autoren des Suhrkamp Verlages, Texte, die ,aufgegeben‘, also nicht weitergeschrieben, nicht vollendet oder nicht veröffentlicht wurden“.
Aus den Anmerkungen des Herausgebers geht hervor, daß diese elf Gedichte Paul Celans im Frühjahr 1966 entstanden sind und dass ihr Autor den größeren Teil der in diesem Zusammenhang entstandenen Gedichte vernichtet habe.
Tatsächlich aber befindet sich im Nachlaß Paul Celans ein Konvolut mit einer von ihm selbst zusammengestellten Sammlung; ein Konvolut, das weitaus mehr Gedichte enthält: Die unter dem Titel Eingedunkelt erschienenen Gedichte wurden als Teil dieses aus mehr als 200 handschriftlichen Blättern bzw. Seiten (Gedichte, oft in mehreren Fassungen, Niederschriften und Textvarianten) bestehenden Konvoluts festgestellt. Die Gedichte entstanden in der Zeit zwischen Februar und Mai 1966, demnach in der Arbeitsendphase von Fadensonnen.
Es stellte sich heraus, daß sich hier insgesamt 24 unveröffentlichte Gedichte befinden, davon 17 in dem zum Konvolut gehörenden Heft und 7 auf losen Blättern.
Es gilt nicht, der historisch-kritischen Ausgabe zuvorzukommen; es geht lediglich darum, dem Leser die Möglichkeit zu geben, vom Vorhandensein dieser Gedichte Kenntnis zu nehmen.

Surhkamp Verlag, Klappentext, 1991

 

Späte Flaschenpost

– Gedichte aus dem Nachlaß Paul Celans. –

Als Literatur und Poesie, im Jahre 1968, unter Ideologieverdacht standen, erschien eine Sammlung mit dem Titel Aus aufgegebenen Werken. Der Band präsentierte Texte von Autoren, „die ,aufgegeben‘, also nicht weitergeschrieben, nicht vollendet oder nicht veröffentlicht wurden“. Sprach hier – gegen alle politischen Rechtfertigungszwänge – das Pathos des Scheiterns? Oder waren die „aufgegebenen“ Werke in einem anderen Sinne aufgegeben – ein jedes eine Flaschenpost, eine poetische Utopie? Die versammelten Beiträger mochten für beide Deutungen stehen. Zu lesen waren unter anderen Texte von Samuel Beckett, Uwe Johnson, Wolfgang Koeppen, Peter Weiss – aber auch unter dem Titel „Eingedunkelt“, elf Gedichte von Paul Celan. Dazu war vermerkt, der Autor habe den größeren Teil der in diesem Zusammenhang entstandenen Gedichte vernichtet. Ein Irrtum, wie wir jetzt wissen.
In Celans Nachlaß nämlich fand sich ein größeres Konvolut aus dem Umkreis des „aufgegebenen“ Werkes: ein Heft mit den Endfassungen von 26 Gedichten, dazu eine Vielzahl loser Blätter mit Gedichten in diversen Fassungen und Varianten. Die Texte, fast alle datiert, stammen aus der Zeit zwischen Februar und Mai 1966, also aus der Endphase der Arbeit an dem Gedichtband Fadensonnen, und waren – nach einer Notiz des Dichters „für das Nach-Fadensonnen-Poem“ bestimmt. Die Relikte dieses nie vollendeten Poems sind jetzt in einem Band zu lesen, der in seiner Aufmachung den von Celan selbst veröffentlichten oder noch vorbereiteten Einzelausgaben folgt. Das leiht der Sache etwas von der Aura des definitiven Werkes und überspielt das Beiläufige, Apokryphe einer Nachlaßpublikation. Celan war ja ein zu strenger und selbstkritischer Autor, um nicht Entwurf und Vollendung zu trennen. Doch er hat diese Texte, die er nicht zur Publikation freigab, nicht bloß aufbewahrt, als mehr oder minder zufälliges Brouillon, sondern geordnet, datiert und als „endgültige“ Fassungen ausgewiesen. Welche Vorstellung, welche Strategie mag ihn geleitet haben? Sie dürfte auf mehr und anderes gezielt haben als auf eine Interpretationsindustrie, die das Bild des Dichters sowohl erhellt wie verdunkelt. Celan, selbst zwischen Geheimniskrämerei und Anspielungslust schwankend, kaschierte gern die Anlässe und Anregungen seiner Arbeit. Nun bat er, mit neuen oder variierten Texten, für eine Fülle neuer Spuren gesorgt. Sie belegen noch einmal die von ihm eingestandene Grenzgängerei zwischen „Bedeutungsjagd“ und „Bedeutungsflucht“.
Doch fügen diese Texte dem Celanschen Werk etwas hinzu? Die Herausgeber betonen die „eindeutige Kohärenz“ des Konvoluts, als müßten sie seine Lesbarkeit eigens begründen. Allein der von Celan seinerzeit freigegebene Teildruck Eingedunkelt stellt solche Kohärenz her. Er ist der Magnet, um den sich die Eisenspäne ordnen. Im übrigen ist, spätestens seit Mohn und Gedächtnis, alles, was Celan schrieb, kohärent im schwersten und zwingendsten Sinne: als Engführung seines Lebens und Dichtens. Nachträge vermögen wenig daran zu ändern. Paradoxerweise wird die Sache dadurch spannend, daß Überraschungen ausbleiben. Benn schrieb einst in seinem Chopin-Gedicht:

Nur keine Restbestände, Fragmente, Notizen,
diese verräterischen Einblicke

Paul Celan, in mancher Hinsicht ein Antipode des monologischen Benn, scheint diese „Einblicke“ riskiert, ja gewollt zu haben. Einblicke in die Werkstatt, in eine Krise der dichterischen Arbeit. Etwa so:

DAS NARBENWAHRE, verholet ins Äußerste,
nicht zu Entwirrende,
Längst ist der Schautanz getanzt,
der schwergemünzte,
hier, in der Einfahrt,
wo alles noch einmal geschieht,
endlich, heftig, längst.

Wovon spricht dieses Gedicht? Von der Verzweiflung an der Kunst, deren Schautänze die ewige Wiederkehr des Leidens nicht vergessen macht? Nicht bloß das „Narbenwahre“, auch der Dichter scheint „verhakt ins Äußerste“ und in einer Aporie befangen, die mehr meint als eine bloße Produktionsstörung. Denn produziert wird ja – nur was das Zentrum der Produktion sein könnte, worauf das Schreiben hinaus soll, das scheint entglitten zu sein. So fiel es Celan offenbar schwer, seinem „Nach-Fadensonnen-Poem“ einen signifikanten Titel zu geben. Er hat Formulierungen wie „Narbenwahr“, „Notgesang“ oder „Wahngang“ erwogen. Sie mögen ihm mißverständlich und allzu persönlich erschienen sein. Mit Recht blieben die Herausgeber daher bei dem bereits sanktionierten Titel. Er ist schön und vielschichtig, verdüstert und verrätselt, eben „Eingedunkelt“. Erhellt wird dieses poetische Dunkel durch die wechselseitige Spiegelung der Bezüge des Neuen und des bereits Bekannten. Den seit 1968 bekannten elf Gedichten folgen weitere 35, darunter zwei Dutzend neue, hier erstmals publizierte Gedichte. von Varianten und Modifikationen, von Philologie also, nur ein Beispiel. In einem der seinerzeit von Celan in Druck gegebenen Texte („Vom Hochseil herab / gezwungen“) spricht er von „all diesen / unbußfertigen, unbotmäßigen / Spielen“. Die nachgelassene Variante weiß dagegen von „all diesen / unbotmäßigen, / halben / Spielen“. Ein verräterischer Einblick? Die Differenz von Gefaßtheit und Defätismus? Wie auch immer. „Halbe“ Spiele, so dürfen wir verstehen, hat Celan nicht spielen wollen – und vielleicht ebendeshalb sein Projekt aufgegeben. Die Krise, in der sich Celan befand, markieren vor allem die zwei Dutzend hier erstmals veröffentlichten Gedichte. Sie sprechen vom „Notgesang der Gedanken“; von „Lobgesängen“, von denen unsereins „nicht satt“ wird; vom Mund, „verrenkt zur Warnung“. In ihnen zeigt sich der „Wahngang“, wird Selbsttrost gesucht, ertönen die Hilferufe. Der Dichter, wahrhaft „vom Hochseil herab- / gezwungen“, muß in einem Gedicht das Motiv des Seils, der Artistik wiederaufnehmen – und was traut er, was mutet er dem Seil zu? „Das Seil / soll jetzt singen – es singt.“ Gelungener Zauber oder Selbsttäuschung? Zauber läßt sich nicht perpetuieren. Schreiben, diese Mischung aus Magie und Pein, wird immer mehr zum Problem. Celan reagiert ambivalent – vielleicht um aus seiner Aporie herauszukommen.
Einmal spricht er sich zu:

Erlischt nicht ganz wie andere es taten
vor dir, vor mir

Ein andermal ist er versucht aufzugeben, vor der Angst, im Schreiben sich und der Welt verlorenzugehen:

SCHREIB DICH NICHT
zwischen die Welten,
komm auf gegen

der Bedeutungen Vielfalt,
vertrau der Tränenspur
und lerne leben.

Ein erschütterndes poetisches Dokument. Nicht weil es den Kunstanspruch fahren ließe, sondern weil es jene unausweichliche Gefahr signalisiert, in die sich Celan hineinbewegte. Er schrieb sich ja mehr und mehr „zwischen die Welten“, keiner mehr ganz zugehörig. Schrieb und bewegte sich in die unwiderrufliche Richtung, die zur Todesrichtung wurde. Der Selbstzuspruch kam gewissermaßen zu spät. Kein Blick in die Welt, keine „Tränenspur“ führte ins Leben zurück. Und auch gegen „der Bedeutungen Vielfalt“ konnte der Dichter nicht aufkommen – konnte es nicht einmal wollen. Die „Vielstelligkeit“ der Worte machte ja Zauber und Tiefe seiner Kunst aus – wie hätte er sie abtöten sollen? Die Fragmente von Eingedunkelt erreichen uns als späte Flaschenpost. Das Gedicht als Flaschenpost, die irgendwann an Land – „Herzland vielleicht“ – angespült wird, war Celan eine vertraute Vorstellung. Wir lesen Eingedunkelt aber nicht als Erweiterung eines Werks, dessen Bedeutung längst feststeht, sondern als Zeugnis einer tiefen Verstörung, von der der Dichter uns offenbar Kunde geben wollte.

Harald Hartung, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8.10.1991

Notgesang der Gedanken

– Nachgelassene Gedichte von Paul Celan. –

Bereits 1968 hatte Siegfried Unseld in einer Sammlung seines Verlages, in der Bibliothek Suhrkamp, den Zyklus „Eingedunkelt“ von Paul Celan veröffentlicht. Der treffliche Sammeltitel, der viele Werke von bekannten Autoren vereinte, darunter Beckett, Hildesheimer, Koeppen, Nelly Sachs, lautete Aus aufgegebenen Werken, und das meinte beides: daß die Autoren am Werk nicht weiterzuarbeiten gedachten, daß dieses gleichwohl den Lesern aufgegeben ist. Die elf Gedichte von Celan wurden seinerzeit als übrig gebliebene vorgestellt, die anderen aus diesem Umkreis habe der Autor vernichtet. Doch fand sich in dessen Nachlaß ein Konvolut mit mehr als 200 handschriftlichen Seiten: Gedichte, Vorstufen, Fassungen, aus der Zeit zwischen Februar und Mai 1966 – ein Heft und viele lose Blätter. Aus denen war der Zyklus „Eingedunkelt“ damals herausgelöst worden. Die Herausgeber und der Verlag wollten den Leser nicht auf die historisch-kritische Ausgabe warten lassen, und sie haben recht daran getan.

Der neue Gedichtband von Paul Celan ist ein hochbedeutsames Ereignis. Es gibt darin fast nur sehr anrührende, große Gedichte, und die Darbietung erscheint mir plausibel verantwortet. Er ist in drei Abteilungen gegliedert. Die erste enthält den Zyklus „Eingedunkelt“, wie ihn Celan selbst zur Veröffentlichung freigegeben hat. Der zweite Teil bringt 26 Gedichte „aus dem Umkreis“, in Textgestalt und Reihenfolge dem gefundenen Heft mit den Endfassungen entsprechend. Neun übrige Gedichte, auf losen Blättern notiert, ergeben den dritten Teil. Manche Gedichte kommen so mehrfach vor. Den Leser wird das nicht stören: er liest sie in einem anderen Kontext gern aufs neue und vielleicht neu. Auffällig beim Lesen der Gedichte ist zunächst, wie wenig die Legende von der Unzugänglichkeit dieser Dichtung stimmt. Gewiß verlangen diese Gedichte Bemühung, aber keineswegs sind sie so abweisend und verschlossen, wie es viele beim Namen Paul Celan assoziieren. Wichtig bleibt halt ein wörtliches Lesen und das heißt: die Abweisung der Frage, was damit ,gemeint‘ sei: das steht ja da, und damit läßt sich eine ganze Weile gut auskommen! Beim mehrfachen Lesen und Studieren der Texte wird man mehr wissen wollen, nach Motiven und Anspielungen fragen – von diesen späten Gedichten her eröffnet sich durchaus ein Zugang zum Gesamtwerk, die Verflechtungen sind auffällig und erhellend. Viele Gedichte sind gestisch so stark, daß sie unmittelbar berühren und wirken, sich jeder Übersetzung in eine verständigte Sprache sperren. „Wachgesungene Namen“ nennt Celan mit einer schönen Formel seine Worte, der Dichtung auf fast romantische Weise die Verknüpfung von Gesang und Aufklärung anvertrauend. ,Namen‘ verweist auf eine enge Beziehung von Sprache und Dingen, auch auf Tradition und Erkennbarkeit, auf Kommunikation, Gesellschaft, Umgang; „wachgesungen“ wird heißen, daß die Namen gutteils verschollen, nicht mehr gewußt oder geübt sind, von der Poesie aufgerufen werden.
Das Gedicht, in dem diese Formel vorkommt, beginnt mit Zeilen, die für sich eine Poetologie bedeuten könnten, vielleicht eine Formel für Lyrik schlechthin:

NOTGESANG der Gedanken
von einem Gefühl her,

das hat
der wachgesungenen
Namen nicht viele…

Gedanken und Gefühl werden so zusammengeführt und nicht, wie in trivialen Lyrikauffassungen üblich, gegeneinander ausgespielt. Solche Gedichte werden vom Gestus dominiert, nicht von einer ihnen ablösbaren Aussage. Gestische Sprache ist eines der Hauptmerkmale der modernen Dichtung, wissen wir seit Kafka und Brecht; und das meint, daß der poetische Text mehr ist als der Ausdruck von etwas vorher Gedachtem/Gefühltem – als ,Notgesang der Gedanken von einem Gefühl her‘ trifft uns sein Gestus direkt.
Ein Beispiel: Im Zentrum eines der doppelt abgedruckten Gedichte stehen die Zeilen:

Mich hält hier nichts,
nicht die Nacht der Lebendigen,
nicht die Nacht der Unbändigen,
nicht die Nacht der Wendigen.

In einer anderen Version heißt es statt „Wendigen“: „Nicht die Nacht der Unendlichen“; ich ziehe die erste Version vor, sie ist deutlicher, sprechender, der Reim ,meint‘ gewiß etwas. Die Schlußzeilen lauten in beiden Fassungen gleich:

Komm, wälz mit mir den Türstein
vors Unbezwungene Zelt.

Gewiß ist das nicht wortwörtlich deutlich, aber doch eine wunderschöne Geste und Aufforderung, zurückreichend in alte Zeiten oder ferne Gegenden, das Zelt verweist auf die Fahrenden, denen sich Celan gern zurechnete; der Türstein, der die Wohnenden schützen soll, nimmt die Anfangszeilen wieder auf, darin der „beschriftete Ankerstein“ vorkam: vermutlich eine Chiffre fürs Werk, das Halt bieten soll.
Das Gedicht lautet:

WIRFST DU
den beschrifteten
Ankerstein aus?
Mich hält hier nichts,

nicht die Nacht der Lebendigen,
nicht die Nacht der Unbändigen
nicht die Nacht der Wendigen,

Komm, wälz mit mir den Türstein
vors Unbezwungene Zelt.

Heimatlosigkeit, existentiell gesprochen Ortlosigkeit interpretiert der Dichter romantisch und antiromantisch zugleich. Das freie Schweifen des romantisch Dichter-Ichs ist nun zum auferlegte Schicksal geworden, zum Umher-Geworfen-Werden. Das bestimmte ja auch die Biographie Celans, von der sein Dichten nicht abzulösen ist: seine Herkunft aus der Bukowina, einer Gegend, wie er sagte, „in der Menschen und Bücher lebten“. Es verschlug ihn nach Wien und Rußland ins Ghetto und die Verfolgung, und schließlich nach Paris. Fahren als freie Bewegung will diesem Los abgerungen sein. Celan setzt für diese Bedeutung das Wörtchen „dennoch“ ein. Und versteh das Schweifen als Ausdruck von Aufstand, Widerstand, Gram, jedenfalls als Gegen-Geste zum Ankern und Bleiben:

MIT UNS, den
Umhergeworfenen, dennoch
Fahrenden:

der eine
unversehrte,
nicht usurpierbare,
aufständische
Gram.

In den hier zugänglich gemachten, späten Gedichten stehen – so ließe sich vielleicht zusammenfassen – zwei Gesten nebeneinander: einmal gibt es den aufständischen, „unbotmäßigen“ Gestus, der sich auf das Zeitgedicht, auf „Sinn- und Notspruch“ einläßt, und selbst dem Schweigen eine Auskunft abgewinnt:

und du, wie soviel Münder, außen und innen
verrenkt zur Warnung
von Sinn- und Notspruch.

An den versiegelten, reifen
Schoten des Lippen-
blütlers – der Unbotmäßige, auch
hier horcht er sie durch.

Dieser Gestus schließt auch tröstend Andeutungen ein, etwa „Beglänztes rückt näher“, was nie eine metaphysische Tröstung meint: das Drüben, der Himmel, ist an den Nöten des Hierseins „vorbeigedolmetscht“, wie Celan sagt, der „kein Nebenbei“ zulassen möchte

DAS AM GLUTEISEN HIER
vorbeigedolmetschte Drüben:

So leicht, von Lobgesängen,
wird unsereins nicht satt.

Der andere bestimmende Gestus ist der dunkle, untergangsbereite, etwa wenn es heißt:

Von fremdem, hohem
Flutgang unterwaschen
dieses
Leben.

Auch wenn das Hiersein mit Bildern wie „Gluteisen“, als „Gewalt“ im „Kleinstück Welt“, als „stufenloser Abgrund“ angesprochen wird.
Die besondere Tönung der Gedichte liegt in der Verbindung dieser Gesten, die immer wieder gelingt, etwa wenn es heißt:

Flüssiges Gold, in den Erd-
wunden erkennbar

Oder:

Komm mit mir zu Atem
und drüber hinaus.

Was zwar Leben, doch zugleich dessen Übersteigen meint. Ein Gedicht beginnt mit dem Ausdruck „DAS NARBENWAHRE“, einer Formel, die beide Gesten verbindet, Bedrohung und Wahrheit als „Notspruch“. Celan hatte die Formel auch als Titelausdruck erwogen, vermutlich weil sie unhintergehbar beides festhielt; das Gedicht beginnt:

DAS NARBENWAHRE, verhakt
ins Äußerste, nicht zu
Entwirrende

(…)

Anrührend ist immer wieder die Konsequenz, mit der das Spätwerk auf früh bedeutsame Bilder zurückgeht. Für den Leser ergibt sich ein Geflecht von Motiven und Verweisungen, in das sich durchaus (auch ohne Machete) eindringen läßt. Im Schlußgedicht von Mohn und Gedächtnis (1952) heißt es: „schwangen die Hämmer frei im Glockenstuhl deines Schweigens“. Hier dann, die Bildschichten ,frei‘ und ,unterwaschen‘ verbindend:

UNTERHÖHLT
vom flutenden Schmerz,
seelenbitter,

inmitten des Worthörigen
steilgestellt, frei.

Die Schwingungen, die sich
noch einmal
bei uns
melden.

Vielleicht läßt sich der Ausdruck ,Schwingungen‘, der eine tragende Rolle spielt und das Gestische am Gedicht priviligiert, ja als Celansche Texterfahrung fassen – das „noch einmal“ wäre dann ein auferlegter Abschied auch vom Gedicht. Zugleich läßt sich in diesen Gedichten ein gewisser Widerspruch gegen den angestrengten und auferlegten Versuch ausmachen, die Schmerzerfahrung und das befreiende Wort stets aufeinander beziehen zu müssen, stets dazwischen zu sein. Eines der schönsten Gedichte aus diesem neuen Gedichtband von Celan zieht die Konsequenz und ist als Zuruf gebaut:

SCHREIB DICH NICHT
zwischen die Welten,

komm auf gegen
der Bedeutungen Vielfalt,

vertrau der Tränenspur
und lerne leben.

Alexander von Bormann, die horen, Heft 173, 1. Quartal 1994

Weiterer Beitrag zu diesem Buch:

Rolf Michaelis: Der beschriftete Ankerstein
Die Zeit, 11.10.1991

 

Landkarten, Sprachigkeit, Paul Celan

I
Im Grunde möchte ich hier nur ein wenig Material ausbreiten. Ich möchte Wörter, Namen, Bezeichnungen nebeneinander setzen, die mir beim Lesen von Paul Celans Gedichten immer wieder von neuem auffallen, so wie man vielleicht manchmal das Bedürfnis verspürt, weit auseinander liegende Orte auf einer Landkarte zusammenzurücken und zu sehen, ob etwas geschieht. Was ich beobachte, nenne ich nicht spekulative Kartografie und poetische Sprachbetrachtung, sondern, so einfach wie eben möglich: Politik.

II
„Bemen“ reimt sich auf „Njemen“. Nicht aber auf ,Memel‘, so wie sich „Böhmen“ nicht auf ,Nemunas‘ oder ,Klaipeda‘ reimt. ,Klaipeda‘ seinerseits reimt sich wieder auf „Bogemija“, auch auf ,Germanija‘, und vielleicht auf „Alba“. „Elbe“ reimt sich vielleicht auf ,Labe‘, ,Ústi‘ vielleicht auf „Normandie“. „Aussig“, ,Mähren‘ und „Deutschland“ reimen sich nicht.
Von den genannten Wörtern finden sich diejenigen, die ich in doppelte Anführungszeichen gesetzt habe, in veröffentlichten und unveröffentlichten Gedichten oder Gedichtentwürfen von Paul Celan.
Beim ersten Abzählen ergibt das sechs Sprachen: Russisch, Deutsch, Litauisch, Lateinisch, Tschechisch und Französisch. Doch diese Sprachordnung geht nicht auf. Ist „Bemen“ deutsch? Hätten „Bemen“ und „Böhmen: dann dieselbe Bedeutung, handelte es sich um Synonyme, wären die beiden Wörter austauschbar?
Gäbe es sechs- und mehrsprachige Landkarten, ließen sich auf Anhieb ein Staat, drei Gegenden, zwei Städte und zwei Flüsse ausmachen. Wieder aber bleibt „Böhmen“ im Unklaren, hier nun, indem sich seine Bedeutung verdoppelt: Meint dieses Wort einen Landstrich oder ein Land?
„Bemen“ verweist auf die Mündlichkeit – es soll Menschen geben, die das geschriebene Wort „Böhmen“ ungefähr so aussprechen. „Njemen“ zeigt ebenfalls das Verhältnis von Mündlich- und Schriftlichkeit an, wenn auch für jemanden wie mich, der weder Russisch versteht noch die kyrillische Schrift liest, weniger deutlich: Transkribiere ich Buchstabe für Buchstabe vom Kyrillischen ins Lateinische, dann heißt es – „Bemen“ sogar noch näher – lediglich ,Neman‘. Ein ,j‘ erscheint hier nicht. Dies wird erst für den deutschsprachigen Leser ergänzt, um das lateinische Schriftbild annähernd mit dem russischen Klangbild in Übereinstimmung zu bringen. Wie steht es dann aber um „Bogemij“, mit seiner im Russischen so verbreiteten Ersetzung des ,h‘ durch ein ,g‘? Vollzieht sich der Wandel von ,Bohemija‘ zu „Bogemija“ vorderhand auf mündlicher oder auf schriftlicher Ebene?
Der Reim. Die verschiedenen Sprachen. Geschriebene und gesprochene Sprache. Der Ton, der Sprechgestus. Nicht als Substanzen, sondern als Wechselverhältnisse, zwischen Mündlich- und Schriftlichkeit, Fremd-, Eigen-, Ein-, Zwei- und Mehrsprachigkeit: Das nenne ich Sprachigkeit.

III
Am 21. Oktober 1959 schreibt Paul Celan ein Gedicht mit dem Titel „Wolfsbohne“. Sieht man von zwei vorangestellten Motti ab, so hat „Wolfsbohne“ gewissermaßen drei Teile: Nach der ersten, aus neun Versen bestehenden Strophe wird eine Klammer geöffnet, innerhalb derer sich neun Strophen mit insgesamt 65 Versen finden. Nachdem die Klammer wieder geschlossen ist, folgen noch einmal neun Verse, die eine Strophe ergeben. Hier eine Passage aus dem eingeklammerten Teil, in der das Titelwort erscheint:

Mutter, dir,
die du
Wolfsbohne sagtest, nicht:
Lupine.

Gestern
kam einer von ihnen
und tötete dich

zum andern Mal in
meinem Gedicht.

Mutter.
Mutter, wessen
Hand hab ich gedrückt,
da ich mit deinen
Worten ging nach
Deutschland?

In Aussig, sagtest du immer, in
Aussig an
der Elbe
auf
der Flucht.

Mutter, es wohnten dort
Mörder.

„Wolfsbohne“ reagiert auf Bemerkungen des Literaturkritikers Günter Blöcker, die Paul Celan wenige Tage zuvor im Tagesspiegel gelesen hat: Wieder einmal ist die Rede davon gewesen, Gedichte wie „Todesfuge“ entbehrten eines Wirklichkeitsbezugs, Paul Celans Gedichte seien „kontrapunktische Exerzitien auf dem Notenpapier“. Am folgenden Tag, dem 22. Oktober, geht Paul Celan in die Pariser Nationalbibliothek, nimmt sich die Jahrgänge 1940 bis 1944 der von Joseph Goebbels herausgegebenen Wochenzeitung Das Reich vor und durchforstet sie nach bekannten Namen der deutschen Nachkriegsliteratur. Am 23. Oktober 1959 dann schreibt Celan einen Leserbrief zu Blöckers Rezension von Sprachgitter, in dem er sich auch auf Franz Kafka bezieht, und schickt „Wolfsbohne“ an Rudolf Hirsch vom S. Fischer Verlag.
Das Gedicht ist zunächst für eine Veröffentlichung im Fischer Almanach vorgemerkt, dann aber zieht Paul Celan es zurück. „Wolfsbohne“ wird – obwohl Celan es zwischenzeitlich zur Aufnahme in seinen nächsten Gedichtband Die Niemandsrose vorsieht – erst 1997 aus dem Nachlass publiziert.
Über den lebens- und literaturgeschichtlichen Hintergrund zu diesem Gedicht gibt Paul Celan in einem Brief vom 9. Juni 1962 Auskunft:

Lieber Klaus Wagenbach, schön, daß „Behmen“ Ihnen Spaß macht, daß der Kafka-Kreis drauf ist und der Norden ,drunter‘, im, wie Sie richtig bemerken, ,richtigen‘ Licht. Sie wissen: auch ich bin ,böhmisch fixiert‘, mehrfach sogar, bei mir fings in Lubenz und Aussig an der Elbe an, wo meine Mutter ein paar für mich nachzugebärenden Ka(f)kanier entscheidende Fluchtjahre verlebt hat (Sie war eine jener ostjüdischen Flüchtlinge, von denen K’s Tagebuch ja einiges zu erzählen weiss).

Nach Aussig, auf der Strecke Prag-Berlin gelegen, unternahm Franz Kafka mehrere Dienstreisen, und wer einen optischen Eindruck etwa von „Aussig – Unterer Marktplatz“, „Aussig. Alter Hafen.“, „Aussig – Elbtal bei Schönprießen“ oder vom „Café Wien, Aussig a.E.“ aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg haben möchte, sei etwa auf die Ansichtskarten verwiesen, die Kafka im Frühjahr 1913 an Felice Bauer gesandt hat.
Aus Aussig an der Elbe, heißt es, brachte Friederike Schrager bei der Rückkehr nach Czernowitz ihr Hochdeutsch mit, die Sprache also, in der ihr Sohn später gedichtet hat. Das vom Lateinischen herkommende Wort „Lupine“, das deutsche Wort „Wolfsbohne“, und dazu die deutsche Bezeichnung „Aussig an der Elbe“, „Aussig“: ein schwieriges Wort, ein schwieriger Ort in einem schwierigen Landstrich – nicht erst seit Jessers Erfindung des Begriffs ,Sudetendeutsche‘ im Jahr 1902. „Aussig“ liegt in der Ackermanngegend, wo die Verquickung von Sprache, Dichtung und Politik augenfällig wird wie an wenigen anderen Orten.
Nicht nur, dass jener wegweisende spätmittelalterliche Prosatext „Der Ackermann“ des Johannes von Tepl mit Hilfe des Titelzusatzes „aus Böhmen“ im 20. Jahrhundert zur Rechtfertigung von Gebietsansprüchen herangezogen wurde. Noch lange Zeit nach der Errichtung eines ,Protektorats Böhmen und Mähren‘, noch als ein Begriff wie ,Sudetenland‘ längst seiner politischen Bedeutung verlustig gegangen und zu einem geografischen geworden zu sein scheint, zeigt sich anhand eines Textstellenvergleichs in zwei leicht greifbaren Editionen des „Ackermann“, dass es um mehr geht als um ,Sprache schlechthin‘, als um Folklore oder Landschaftskunde.
So lautet die Überschrift des Widmungsbriefes, mit dem Johannes von Tepl sein Werk an einen Freund sandte, in der von Felix Genzmer unter dem Titel Der Ackermann aus Böhmen herausgegebenen Reclam-Ausgabe von 1969: „Brief an Peter Rothers, Prager Bürger, mit dem jüngstverfaßten Büchlein Ackermann.“ Wer sich wundert, dass in einer sonst zweisprachigen Edition das lateinische Original des Briefes hier nicht zum Abdruck kommt, erfährt die Gründe, wenn auch indirekt, sobald er Christian Kienings 2000 im selben Verlag erschienene Ausgabe Der Ackermann heranzieht, wo die vollständige Übersetzung der Briefüberschrift neben dem lateinischen Original zu finden ist:

Hochanspruchsvolles Schreiben, gerichtet an einen jüdischen Maler / Brief, überbracht dem Prager Bürger Peter Rothers mitsamt dem vor kurzem verfaßten Büchlein Ackermann.

Johannes von Tepl, der Hieronymus-Verehrer, richtet seinen deutschsprachigen Text an einen jüdischen Freund. Genzmer, der auf einer Edition von 1937 aufbaut, unterschlägt diesen Zusammenhang noch 1969: Mit einem Teil der Überschrift ist auch das Wort „iudeo“, „jüdischen“, getilgt. Im Zuge der rückwirkenden ,Böhmisierung‘ wird also zugleich der mittelalterliche Text ,arisiert‘.
„Wolfsbohne“: Ein Gedicht, das auf die Negierung von Jüdischem beim Lesen deutschsprachiger Gedichte reagiert. Nachdem entschieden ist, dass „Wolfsbohne“ unveröffentlicht bleiben soll, schreibt Paul Celan am 1. Juni 1960 in einem Brief an Rudolf Hirsch:

dieses Gedicht – Klaus Demus meint ja, und damit hat er wohl recht, daß es eigentlich kein Gedicht sei – bleibt also privat.

Ausschlaggebend ist dabei sicherlich der Bezug auf Günter Blöckers Rezension von Sprachgitter. Gleichwohl könnte man einwenden, dass er von den zeitgenössischen Lesern aller Wahrscheinlichkeit nach unbemerkt geblieben wäre, so wie die Großzahl der Hinweise auf schreibende Kollegen, auf politische Ereignisse und auf Deutschtumbe unter bundesdeutschen Literaturkritikern in Gedichten Celans.
Einige Gedichte, die nach „Wolfsbohne“ entstanden sind, legen nahe, dass die Rückkehr dieses Gedichts ins Private auch mit ,Aussig an der Elbe‘ zu tun hat, mit dem Namen einer Stadt, die längst eine andere geworden ist und einen anderen Namen trägt: Ústi nad Labem.

IV
Im Gedicht „Es ist alles anders“ finden sich die zwei Wörter „Normandie“ und „Njemen“ – durch einen Bindestrich nicht verbunden, schon gar nicht in Eins gesetzt, sondern nebeneinander gesetzt: „Normandie-Njemen“. Die Tatsache, dass der Titel dieses Gedichts in keinem der von Paul Celan zusammengestellten Inhaltsverzeichnisse auftaucht, lässt vermuten, dass es sich erst sehr spät aus dem Zusammenhang der ursprünglich geplanten „Pariser Elegie“ herausgelöst hat und, wie die handschriftliche Ergänzung auf einem Typoskript vom 5. Juni 1962 nahelegt, sogar diesen Titel tragen sollte.
Ende April 1962 hat ein erneuter Briefwechsel zwischen Paul Celan und seinem Jugendfreund Erich Einhorn eingesetzt, und in einem Brief vom 23. Juni, den er von seinem Ferienort Moisville in der Normandie aus absendet, gibt Celan einen Hinweis auf die Herkunft dieses „Normandie-Njemen“:

Neulich, als wir in Damville waren, gab es dort den Film Normandie-Njemen. – Man bleibt zuhause.

Ein Film also, der seinen Titel von einer französischen Fliegerstaffel im Zweiten Weltkrieg bezieht, „die im Memelgebiet eingesetzt wurde“. Ein Film auch „über die Freundschaft zwischen Sowjets und Franzosen im Krieg“. Noch einmal erwähnt Celan am 6. August 1962 diesen Film in einem Brief an Petre Solomon – einem Freund nicht aus Kindertagen wie Erich Einhorn, aber aus der Bukarester Zeit – und spricht davon, dass jene Fliegerstaffel einen Beitrag zur Niederlage des Nationalsozialismus geleistet habe.
„– Man bleibt zuhause.“ Der in Celans Brief an Einhorn auf „Normandie-Njemen“ folgende Gedankenstrich, mit dem dieser Satz beginnt, signalisiert Vertrautes, Selbstverständliches zwischen den Briefpartnern, etwa als stünde dort: ,Du siehst also, man bleibt zuhause‘. Diese unausgesprochene Übereinkunft lässt sich nun zunächst auf die im Film vermittelte Gegnerschaft zum Nationalsozialismus beziehen, welche Erich Einhorn und Paul Celan selbstverständlich teilen, vielleicht auch darauf, dass Celan vermutet, Einhorn könne diesen Film ebenso gesehen haben wie er. Übereinkünfte, die aber allein noch nicht die Formulierung mit „zuhause“ erklären.
Bei „Normandie-Njemen“ handelt es sich um eine französisch-sowjetische Koproduktion von 1959, der Regisseur ist Jean Dreville, und das Drehbuch stammt von Konstantin Simonov und Elsa Triolet. Hier, bei den Namen der Drehbuchautoren, liegt der Hinweis, wie „zuhause“ zu verstehen sein mag – und darüber hinaus ein Hinweis darauf, dass Paul Celans Begriff von ,Heimat‘ vielleicht ein weit weniger emphatischer ist, als in der Literaturwissenschaft mitunter suggeriert wird.
Elsa Triolet nämlich hat im Juli 1947 gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Louis Aragon Bukarest besucht – ein Ereignis, das in Celans Freundeskreis zur Kenntnis genommen wurde. Schließlich war das Interesse an französischer Gegenwartsliteratur groß, besonders an surrealistischer Dichtung – auch wenn, wie Petre Solomon festgehalten hat, Paul Celan schon damals den Dichter Paul Eluard, den er ebenfalls in Bukarest kennen lernte, höher schätzte als Louis Aragon. So, wie sich Celan später aufgrund dessen ,politischen Engagements‘ von Aragon distanziert, nimmt er auch Distanz zu Elsa Triolet ein, die, als gebürtige Russin, in Paris russische Dichtung ins Französische übersetzt, zum Beispiel von Marina Zwetajewa.
Der Name Konstantin Simonov steht mit ähnlichen historischen, politischen und literarischen Koordinaten in Zusammenhang, allerdings wird die Sache hier noch komplexer: 1947 erschien in Bukarest die rumänische Übersetzung eines Propagandastücks von Konstantin Simonov. Als Übersetzer aus dem Russischen ist ,A. Pavel‘ angegeben. Hinter dieser Angabe verbirgt sich möglicherweise Paul Celan, der eine solche Übersetzung allerdings nie erwähnt hat. Bereits 1944 hatte derselbe Simonov einen Bericht über das Konzentrationslager Maidanek veröffentlicht. Als nun 1947 Paul Celans Gedicht „Todesfuge“ in rumänischer Übersetzung von Petre Solomon erscheinen sollte, forderte die Redaktion der Zeitschrift Contemporanul für den Abdruck einen deutlichen Hinweis auf den zeitgeschichtlichen Hintergrund – man könnte, Blöcker lässt grüßen, auch vom Wirklichkeitsbezug sprechen. Ein solcher Hinweis erfolgte, indem man eben auf Simonovs Bericht verwies.
Elsa Triolet und Konstantin Simonov: Mit ihnen sind Erinnerungen an Bukarest, an die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, an die Zeit vor der Flucht nach Paris verbunden. „Zuhause“ also, Heimat, vielleicht: Nichts aber, das mit einer Sehnsucht verbunden wäre. Denn das Wissen um die zwischenzeitlichen Veränderungen, um die inzwischen vergangene Zeit, lässt sich nicht leugnen. Für Sentimentalitäten ist bei Paul Celan, wie bei Ernst Jandl, kein Raum.

V
Ende 1959, so wird berichtet, gibt es einen „herzlichen Briefkontakt zwischen Paul Celan und Johannes Bobrowski, also etwa um dieselbe Zeit, als Celan in Reaktion auf Günter Blöckers Sprachgitter-Rezension „Wolfsbohne“ schreibt.
Allerdings lässt Paul Celan das Verhältnis recht bald abkühlen. Sei es, dass die Blöcker noch unterbietende Bemerkung Bobrowskis, bei Sprachgitter handele es sich um eine „elegant aufgemachte Alchimistenküche“, Paul Celan von weiterem Briefkontakt Abstand nehmen lässt, oder sei es, dass Celan nicht nur die Jahrgänge 1940 bis 1944 der Wochenzeitung Das Reich auf bekannte Namen der deutschen Nachkriegsliteratur hin prüft (wo er etwa Karl Krolow findet), sondern vielleicht auch Das Innere Reich, wo er auf Günter Eich und Peter Huchel, auf Gertrud Fusseneggers Böhmen-Reiseberichte und eben auch auf Ost-Oden von Johannes Bobrowski stoßen müsste.
Wahrscheinlich um die Jahreswende 1961/1962 notiert Paul Celan:

Die Phase der Celan-Imago: Bobrowski wird mit meinen Attributen ausgestattet. –

Ein Brief Celans an Theodor W. Adorno vom 21. Januar 1962 erwähnt „Herrschaften“, die, „kaum haben die mich polnisch-welschen Juden oben- oder untenhinaus – auf das unblutigst-toleranteste! – abgeschoben, sich stantepede (d.h. stehender Klaue) das philosernirische Alibi verschaffen“, und wenig weiter erscheint das auf Bobrowski gemünzte, in Anführungszeichen stehende Wort „,pruzzisch‘“. Noch einmal, in einem Brief an Alfred Margul-Sperber vom 12. September 1962:

(…) gelegentlich zaubert man sogar ,Pruzzisches‘ aus dem Boden.

Der Beschwörung einer ,untergegangenen Kulturregion‘, einer ,Vielvölkergegend‘ in Bobrowskis Gedichten wird Celan auch darum ablehnend gegenüber gestanden haben, weil erstens der ,Untergang der Pruzzen‘ in nichts mit der Vernichtung der Juden zu vergleichen ist, und, zweitens, weil die deutsche Vorstellung, das Volk der Juden sei untergegangen, nur das Fortdauern nationalsozialistischer Propaganda demonstriert: Paul Celan, der Jude, lebt. Vor diesem Hintergrund wird klar, dass Celan aufs Schärfste reagiert, als er auch nur den Titel eines Gedichts von Bobrowski hört, das mit ihm in Zusammenhang gebracht werden soll, nämlich: „Wiedererweckung“.
In seinem Gedicht „Hüttenfenster“, dessen Entstehung sich ebenso wenig genau anhand von Textzeugen nachvollziehen lässt wie die von „Es ist alles anders“, und das ebenfalls einmal die Überschrift „Pariser Elegie“ getragen hat, reagiert Celan dann bekanntlich auch öffentlich auf Bobrowski und dessen Gedichte, am augenfälligsten in den Versen, die Chagalls Geburtsort erwähnen – der Umschlag von Bobrowskis Band Schattenland Ströme war der Malweise und Motivik dieses Malers nachempfunden:

vom Schwarzhagel, der

auch dort fiel, in Witebsk,

– und sie, die ihn säten, sie
schreiben ihn weg
mit mimetischer Panzerfaustklaue! –

Doch nicht allein „Hüttenfenster“, sondern schon die bloße Erwähnung von „Normandie-Njemen“ in „Es ist alles anders“ reagiert – über die weiter oben geschilderten Zusammenhänge hinaus – auf Johannes Bobrowski: Da ist der deutsche Soldat Bobrowski aus Tilsit, der in den ,deutschen Ostgebieten‘ auf Seiten der Nationalsozialisten kämpft und Oden verfasst – und da ist eine französische Fliegerstaffel, die in derselben Gegend ihren Beitrag zur Niederlage des Nationalsozialismus leistet.

VI
Zurück in die Normandie. Indem „Normandie-Njemen“ im Gedicht genannt wird, erscheint neben der Normandie auch ein Fluss:

wie heißt es, dein Land
hinterm Berg, hinterm Jahr?
Ich weiß, wie es heißt.
Wie das Wintermärchen, so heißt es,
es heißt wie das Sommermärchen,
das Dreijahreland deiner Mutter, das war es,
das ists,
es wandert überallhin, wie die Sprache,
wirf sie weg, wirf sie weg,
dann hast du sie wieder, wie ihn,
den Kieselstein aus
der Mährischen Senke,
den dein Gedanke nach Prag trug,
aufs Grab, auf die Gräber, ins Leben,

längst
ist er fort, wie die Briefe, wie alle
Laternen, wieder
mußt du ihn suchen, da ist er,
klein ist er, weiß,
um die Ecke, da liegt er,
bei Normandie-Njemen – in Böhmen,
da, da, da,

Ein Fluss erscheint, aber er erscheint nicht auf Deutsch. Auf Russisch: „Njemen“ – und gleich daneben: „Böhmen“. Auf Deutsch heißt der Fluß ,Memel‘, so wie die Stadt, von der die deutschen Stadtgründer fälschlich annahmen, sie liege an ihm. Auf Litauisch heißt die Stadt an der Kurischen Nehrung ,Klaipeda‘, und der Fluss ,Nemunas‘, ,Memel‘ aber heißt er nach dem Zweiten Weltkrieg nur mehr unter Deutschen. Johannes Bobrowski sagt ,Memel‘, Agnes Miegel – wir erinnern uns: Preisträgerin der Bayerischen Akademie der Schönen Künste 1959 – sagt ,Memel‘.
Dadurch nun, dass „Böhmen“ neben einem russischen Wort steht, ist es in anderer Gesellschaft, als wenn etwa Gertrud Fussenegger – wir erinnern uns: Trägerin des Jean-Paul-Preises des Freistaates Bayern 1993 – ,Böhmen‘ sagt.
(In Klammern: Seltsam, als antwortete „Es ist alles anders“ mit den Versen vom „Kieselstein aus / der Mährischen Senke, / den dein Gedanke nach Prag trug, / aufs Grab, auf die Gräber, ins Leben“ auf Sätze Fusseneggers über den jüdischen Friedhof in Prag: „Welch tiefer Friede geht von den letzten Ruhestätten unserer Toten aus! Welche Versöhntheit mit dem Leben (…) tragen wir von ihren Gräbern mit uns fort. Hier aber berührt uns der Atem einer fremden, einer feindlichen Welt, einer heimlich noch lauernden Macht, und schaudernd verlassen wir den unseligen Ort.“)
„Böhmen“, „das Dreijahreland deiner Mutter“: Da taucht, in veränderter Form, jenes „Aussig an der Elbe“ aus „Wolfsbohne“ wieder auf, ohne genannt zu werden. „Aussig“ hieße nun ,Ústi nad Labem“ – aber dann wäre es nicht mehr „das Dreijahreland deiner Mutter“. Schon die zeitliche Eingrenzung dieses „Böhmen“ lässt erkennen, dass es in „Es ist alles anders“ nicht um ein ,Böhmen schlechthin‘ geht. Und schon gar nicht um eine vermeintliche Zeitlosigkeit, um jene persönlich-nostalgisch sich gebenden, politisch-akut bedeutsamen Beschwörungen vergangener Zeiten, mit denen man eben nicht nur bis 1959, sondern noch 1993 in Deutschland reüssieren kann.

VII
„Njemen“ ist etwas anderes als ,Memel‘, wenn es im Gedicht nicht „Sprache schlechthin“ gibt, wie Paul Celan im Oktober 1960 in seiner Rede „Der Meridian“ betont, sondern immer nur „aktualisierte Sprache freigesetzt unter dem Zeichen einer zwar radikalen, aber gleichzeitig auch der ihr von der Sprache gezogenen Grenzen, der ihr von der Sprache erschlossenen Möglichkeiten eingedenk bleibenden Individuation.“ Und mit seinem folgenden Satz hebt Paul Celan das Gedicht dessen hervor, „der nicht vergißt, daß er unter dem Neigungswinkel seines Daseins, dem Neigungswinkel seiner Kreatürlichkeit spricht.“
Geografie ist nicht ohne Zeit zu denken, ebenso wenig gibt es Sprache ohne geografische und zeitliche Dimension. Und Sprache ist nicht ohne den zu denken, der spricht. Sprache ist also, das sollte nach dem bisher Gesagten deutlich sein, nicht dasselbe: nicht immer, nicht an jedem Ort und nicht für jeden, von jedem.
Dies sollte bedacht werden, wenn, wie es so häufig geschieht, folgende Worte aus Paul Celans „Ansprache anläßlich der Entgegennahme des Literaturpreises der Freien Hansestadt Bremen“ von Dritten in den Mund genommen werden:

Erreichbar, nah und unverloren blieb inmitten der Verluste dies eine: die Sprache. Sie, die Sprache, blieb unverloren, ja, trotz allem.

Paul Celans Gedichte treten nicht an, die Sprache Dritter zu legitimieren, für unverloren zu erklären, gar zu retten. Auch darin zeigt sich eben der dialogische Charakter des Gedichts. Von bloßen Mithörern dieses Dialogs spricht Paul Celan nicht.
Darüber hinaus zeigt sich, dass der gern vollzogene Kurzschluss, mit „Sprache“ sei hier ,die deutsche Sprache‘ gemeint, womöglich gar ,die deutsche Sprache des politischen Westens‘, nur aufgrund schierer Sprachunfähigkeit zustande kommen kann: Der Umgang mit nicht-deutschsprachigen Wörtern in Paul Celans Gedichten gibt doch augenfällig zu erkennen, dass „Sprache“ hier als Fähigkeit zur Artikulation im Dialog begriffen werden muss.
Und Paul Celans „Sprache“ ist eben die Sprache dieses einen Menschen, so wie jeder andere Mensch wiederum seine eigene Sprache hat – aber auch das ist ungenau formuliert, denn von einem Besitz kann keine Rede sein. Bereits zwei Jahre vor der oben zitierten Stelle aus „Der Meridian“ beschreibt Paul Celan diesen Zusammenhang zum Teil mit denselben Formulierungen:

Freilich ist hier niemals die Sprache selbst, die Sprache schlechthin am Werk, sondern immer nur ein unter dem besonderen Neigungswinkel seiner Existenz sprechendes Ich, dem es um Kontur und Orientierung geht. Wirklichkeit ist nicht, Wirklichkeit will gesucht und gewonnen sein.

Eine Aufgabe, die niemand stellvertretend für einen anderen übernehmen kann.
Es gibt unter nicht-jüdischen Deutschen eine merkwürdige Tendenz, sich in ihrem Deutschsein trösten zu lassen, indem sie zur Kenntnis nehmen, dass auch Juden Deutsch sprechen. Tröstlicher noch, wenn jemand wie Paul Celan Gedichte auf Deutsch schreibt. Dahinter steckt aber doch eine erschreckende Vorstellung von Sprachbesitz: Man habe, als deutscher Nicht-Jude, durch die Jahrhunderte gewissermaßen die deutschsprachigen Juden an der eigenen Sprache teilhaben lassen, man habe ihnen erlaubt, die Sprache der Deutschen zu sprechen.
Dieselbe Sprachvorstellung zeigt sich an landläufigen Floskeln wie der von der ,Sprache der Mörder‘, mit der den Opfern noch lange nach Ende des Nationalsozialismus rückwirkend auch die Sprache abgesprochen wird – ein Verfahren, auf das etwa Franz Werfel in seinem Gedicht „Traumstadt eines Emigranten“ hinweist:

Und während Unsichtbare mich bespeien,
„Ich hab ja nichts getan“, – hör ich mich schreien,
„Als daß ich eure,
meine Sprache sprach.“

Und heute, nach dem Holocaust, ist man jemandem wie Paul Celan dankbar dafür, dass er ,den Deutschen‘ ihre Sprache – gereinigt, vielleicht sogar unverdorben – zurückgibt, nachdem man selbst für deren Verderben gesorgt hat, weil man mit ihr für die Vernichtung alles Jüdischen eingetreten ist.
Spielt nun aber jemand, den man zum Retter des Deutschen für die Deutschen ernannt hat, nicht mit – zum Beispiel, indem seine Gedichte wie selbstverständlich auf andere Sprachen zurückgreifen, die von Juden gesprochen werden –, so macht er sich damit unbeliebt. Unbeliebt wie ein Landarzt, der mit seiner Person dafür einstehen, dafür sorgen soll, dass der Kranke geheilt wird und im Falle eines Scheiterns dieser von Nicht-Medizinern verordneten Therapie mit seinem Leben zu bezahlen hat. So singt der Schulchor, während man daran geht, den Landarzt zwecks Heilung zum Kranken ins Bett zu legen, zu einer äußerst einfachen Melodie:

Entkleidet ihn, dann wird er heilen,
Und heilt er nicht, so tötet ihn!
’s ist nur ein Arzt, ’s ist nur ein Arzt.

Eben diese Verse notiert Paul Celan in leicht abgewandelter Form am 26. Februar 1961 als mögliches Motto für jenes Gedicht, das am Ende den Titel „Eine Gauner- und Ganovenweise gesungen zu Paris emprès Pontoise von Paul Celan aus Czernowitz bei Sadagora“ tragen wird. Und in einem nicht abgesandten Brief an Theodor W. Adorno vom 26. Januar 1962 verändert, präzisiert Paul Celan die Anspielung auf Kafka so:

Lieber Herr Professor,… ’s ist nur ein Jud… Nein, auch das nicht. Ich werde jetzt – nein: nicht erst jetzt – folgerecht auch ,entjudet‘ bzw. meines Judentums entkleidet.

Zusammen mit dem Zitat aus „Ein Landarzt“ notiert Paul Celan auf demselben Blatt eine der zahlreichen Titelvarianten des einzigen Gedichts, das den Namen des Dichters nennt, ja, es ist das einzige Mal in Paul Celans zu Lebzeiten veröffentlichtem Werk, dass sein Name erscheint. Und hier heißt es, sowohl Lateinisch als auch Russisch, und in lateinischer Umschrift, als sollte einem Leser, dem die kyrillische Schrift nicht geläufig ist, die Lektüre erleichtert werden: „RUSSKIJ POËT IN PARTIBUS NEMETSKICH INFIDELIUM“, also, aus dem Russischen und dem Lateinischen ins Deutsche übersetzt: ,der russische Dichter unter den ungläubigen Deutschen‘, oder auch: ,russischer Dichter in den Gebieten der deutschen Ungläubigen‘.
Ein Deutscher, so wie sich ein Deutscher einen Deutschen vorstellt, ist dieser Dichter also nicht. Aber er ist zugleich auch kein Jude, so wie sich ein Deutscher einen Juden vorstellt.

VIII
Und „Bemen“? Dieses Schlusswort des am 4. Januar 1967 entstandenen Gedichts „Gewieherte Tumbagebete“ klingt wie ein Wiederaufgreifen jenes „Behmen“ aus dem oben zitierten Brief an Klaus Wagenbach vom 9. Juni 1962 – ein Brief-„Behmen“, das offenbar mit dem Gedicht-„Böhmen“ in „Es ist alles anders“ in Zusammenhang steht. Am selben Tag, als Paul Celan „Gewieherte Tumbagebete“ schreibt, bemerkt er in einem Brief an seine Frau:

Ich habe ein neues Gedicht geschrieben, hart und herb.

Hier die letzte der fünf Strophen:

im Trauerkondukt
grinst unwiderstehlich
das Königreich
Bemen.

Vor der Schlussfassung heißt es tatsächlich noch „Behmen“, in der ersten Fassung erscheint es sogar zweifach, einmal wie gesprochen, einmal wie mit lauter Stimme gerufen, schroff:

Behmen.
–                             BEHMEN!

Der Kommentar der Tübinger Celan-Ausgabe weist unter „Behmen“ zugleich auf Mündlichkelt und Regionalität hin: „Behmen Böhmen (böhmische Aussprache des ,ö‘)“. Was aber bedeutet „böhmische Aussprache“? Haben wir es hier mit ,bemischen Gebeten‘ zu tun? Und warum erfolgt, da das Gedicht auf ein etwaiges ostpreußisches ,Kenigreich‘ verzichtet, der Hinweis auf die Mündlichkeit im Schriftbild von „Gewieherte Tumbagebete“ erst mit dem letzten Wort?
Mit der verschriftlichten Lautgestalt dieses „Bemen“ geht es in aller Deutlichkeit um die oben thematisierte Frage, wie jemand spricht. Und ebenso, von dieser Frage nicht ablösbar, darum, wo jemand spricht. Denn das deutschsprachige „Bemen“ kennzeichnet nach dem Ende des deutschen Böhmen doch gerade einen Sprecher, der sich nicht im Gebiet dieses Namens aufhält. Wer „Bemen“ sagt, ist nicht in Böhmen: Region und regionale Sprachfärbung sind hier entschieden zweierlei, die eine deckt sich mit der anderen nicht.
Das „Bemen“ in „Gewieherre Tumbagebete“ steht in Beziehung zum „Böhmen“ in „Es ist alles anders“. Dort wird es in Nachbarschaft zu „Njemen“ genannt, ja, es kann – so habe ich darzulegen versucht – nur genannt werden, weil diese Nachbarschaft hergestellt wird: nicht das Deutsche allein, sondern das Deutsche im Zusammenhang mit dem Russischen, in zwei aufeinander folgenden Atemzügen. Vom Russischen an „Njemen“ gibt es nun aber zudem auch eine Beziehung zu etwas Russischem an „Böhmen“.
Am 1. April 1961 schreibt Paul Celan die erste Fassung einer zu seinen Lebzeiten unveröffentlicht gebliebenen „Walliser Elegie“, in deren Umkreis sich bald darauf die Arbeiten zur unabgeschlossen gebliebenen „Pariser Elegie“ entwickeln, aus deren Zusammenhang wiederum Gedichte nicht nur für den Band Die Niemandsrose, sondern noch bis hin zu Atemwende entstehen. In einem Heft im Nachlass Paul Celans, das die Aufschrift„ Pariser Elegie“ trägt, findet sich auf einem Blatt ein Motto Marina Zwetajewas, das offenbar als Motto der gesamten „Pariser Elegie“ gedacht war. Transkribiert lautet diese Folge von vier kyrillisch geschriebenen russischen Wörtern

Bogemija!
Bogemija!
Bogemija!
Nazdar!

Die Verse stammen aus Zwetajewas Gedicht „Germanija“, das am 9. und 10. April 1939 in Reaktion auf die deutsche Einrichtung des ,Protektorats Böhmen und Mähren‘ entstanden ist. Bei Marina Zwetajewa wird also von einem entschieden anderen ,Böhmen‘ gesprochen als dem ,Böhmen‘ derjenigen, die es wie „Bemen“ aussprechen mögen. Und indem Paul Celan in „Es ist alles anders“ vielleicht genau dieses russische „Bogemija“ ins Deutsche als „Böhmen“ übersetzt, steckt in seinem „Böhmen“ ein anderes, durch die Sprachen gegangenes Land, das dem Russischen näher liegt als dem Deutschen.

IX
Am Ende noch einmal zum „russkij poët“, noch einmal zu „Njemen“. Noch einmal, anhand von ,j‘ und ,i‘ und ihrem Fehlen, zum Verhältnis zwischen Schriftbild und Klang.
Was, wenn nach allem, was ich zur Sprachigkeit habe sagen wollen, zu den Wechselverhältnissen zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit, zwischen verschiedenen Sprachen, zu den Bedingungen, unter denen eine Sprache erst über den Weg einer anderen Sprache im Gedicht erscheint – was also, wenn der Titel „Die Niemandsrose“ am Ende gar nicht ein bloß deutschsprachiger Titel wäre, sondern wenn in ihm mindestens zwei Sprachen zusammenkämen, nebeneinander stünden, wie so oft in den Gedichten von Paul Celan? Was, wenn der „russkij poët“, nachdem er im Gedichtband nicht mehr ausdrücklich genannt wird, sich im Titel des Bandes als solcher zu erkennen gäbe, indem er zugleich Russisch und Deutsch spricht?
,Niemand‘ bedeutet im Deutschen zweierlei: Zum einen ist es das Gegenteil von ,jemand‘, kennzeichnet also das Fehlen einer Person, zum anderen wird jemand, dessen Name nicht bekannt ist oder der keinen Namen hat, mit dem Namen ,Niemand‘ versehen. So kann also der Titel „Die Niemandsrose“ aus einem Artikel und zwei vollständigen Namen bestehen: Niemand und Rose. Ein dritter Name, Mandelstam, ist darin mit einer Silbe enthalten, ein vierter, Rosa, ebenso. Ein fünfter und vielleicht ein sechster Name kommen zum Vorschein, wenn ich das „Niemand“ nicht ganz deutsch, nicht ganz russisch, aber russisch-mit-deutsch lese und höre.
Vielleicht wird nun langsam deutlich, dass ich, einen ganz anderen Weg nehmend als Peter Waterhouse, hier eine Ergänzung zu dem im Sinn habe, was er über die Silbe ,mand‘ / ,men‘ in Paul Celans Gedichten gesagt hat.
Transkribiere ich buchstabengetreu aus dem Kyrillischen ins Lateinische, heißt es ,Neman‘. Transkribiere ich so, dass sich die Schriftgestalt im Deutschen der russischen Klanggestalt annähert, schreibe ich „Njemen“. Höre und lese ich aber Französisch, dann sieht das Wort in lateinischen Buchstaben so aus: ,Niémen‘. – „Normandie-Niémen‘ schreibt Paul Celan auf Französisch in seinem Brief an Petre Solomon vom 6. August 1962.
Wer Russisch spricht und liest, bemerkt es sofort – bemerkt es vielleicht gar nicht mehr, weil es ihm so selbstverständlich ist, und wer das Russische auch in lateinischer Umschrift nicht erkennt, dem wird es erst auffallen, wenn die Wörter nebeneinander stehen oder, noch später, wenn er sie nacheinander vorgesprochen bekommt: „Neman“ und „nemetskich“. Auch dieses „nemetskich“ lässt sich also, um seinen Klang für einen deutschsprachigen Hörer zu verdeutlichen, mit einem zusätzlichen ,j‘ transkribieren, dann steht da: „Njemen“ und ,njemetskich‘. Und, für französische Augen und Ohren etwas wie „Niémen‘ und ,niémetskich‘?
Das Substantiv zu ,njemetskich‘ lautet ,njemetz‘, der Deutsche. Eine Bezeichnung, die sich aus dem Umstand ergeben hat, dass der Genannte nicht dieselbe Sprache spricht wie diejenigen, die ihn nennen: „njeme“ heißt sprachlos sein, ,njemoj‘ bedeutet: stumm, und zugleich, als Substantiv: der Stumme. So, wie das „Niemand“ ein Name sein kann, kann auch der von Nicht-Deutschen benannte Deutsche zum Namen werden, heute zumeist in der Familiennamenform ,Niemitz‘ bekannt.
Der Deutsche: einer, der slawische Sprachen nicht versteht, der nicht antwortet, wenn er angesprochen wird, der also wie einer ohne Sprache oder gar stumm erscheint. Demgegenüber der Dichter Paul Celan: kein Deutscher, kein Sprachloser oder Stummer, weil ihm slawische Sprachen geläufig sind, weil er antworten kann. Ein russischer Dichter also. Und dazu einer, der darüber hinaus sogar die Sprache jener Stummen, der Deutschen beherrscht.
„RUSSKIJ POËT IN PARTIBUS NEMETSKICH INFIDELIUM“ – diese Selbstzuschreibung findet sich in Die Niemandsrose nicht. In einem Gedicht aber werden die aus russischer Sicht Stumm-Deutschen genannt. Es ist „Und mit dem Buch aus Tarussa“, am 20. September 1962 entstanden – offenbar, nachdem Paul Celan von seinem Freund Erich Einhorn aus Moskau den Sammelband Tarusskije stranicy zugesandt bekommen hat, in dem unter anderem Gedichte von Marina Zwetajewa abgedruckt sind. Tarussa an der Oka: Hier lebte seinerzeit Nadeshda Mandelstam. „Und mit dem Buch aus Tarussa“ ist auch das einzige Gedicht in Die Niemandsrose, das den ,njemetz‘ mit kyrillischer Schrift konfrontiert, nämlich mit einem leicht abgewandelten Vers von Marina Zwetajewa, dessen Übersetzung als „Alle Dichter sind Juden“ sich unter deutschsprachigen Literaturwissenschaftlern und Verfassern von Gedichten gleichermaßen großer Beliebtheit erfreut, wenngleich er vielleicht besser zu übersetzen wäre mit: „Alle Dichter sind Jidden.“
Hier also die Strophe von „Und mit dem Buch aus Tarussa“, die zu den Deutschen hin und von ihnen weg führt:

Von
einem Baum, von einem.
Ja, auch von ihm. Und vom Wald um ihn her. Vom Wald
Unbetreten, vom
Gedanken, dem er entwuchs, als Laut
und Halblaut und Ablaut und Auslaut, skythisch
zusammengereimt
im Takt
der Verschlagenen-Schläfe,
mit
geatmeten Steppen-
halmen geschrieben ins Herz
der Stundenzäsur – in das Reich,
in der Reiche
weitestes, in
den Großbinnenreim
jenseits
der Stummvölker-Zone, in dich
Sprachwaage, Wortwaage, Heimat-
waage Exil.

X
Am Ende noch einmal zu „Wolfsbohne“. Paul Celan hat die erste Fassung dieses Gedichts vom 21. Oktober 1959 nicht wie zwischenzeitlich vorgesehen in Die Niemandsrose aufgenommen. Am 25. April 1965, also fünfeinhalb Jahre später, während Paul Celan an den Gedichten arbeitet, die unter dem Titel Atemwende erscheinen werden, entsteht eine zweite Fassung von „Wolfsbohne“, die offenbar zu keinem Zeitpunkt für eine Publikation vorgesehen ist. Am selben Tag schreibt Paul Celan auf Französisch einen Brief an Nina Cassian, in dem er, hier übersetzt, fragt: „Sich engagieren – heißt das nicht, vor allem, antworten?“ In dieser zweiten oder zusätzlichen Fassung, in diesem zweiten Gedicht mit demselben Titel „Wolfsbohne“ nun lautet die Strophe, in der vorher von Aussig die Rede war, so:

In – – sagtest du immer, in
– – an
der Elbe,
auf
der Flucht.
Mutter, es wohnten dort…

Angesichts der zweimal zwei Gedanken- oder Tilgungsstriche scheint mir, hier wird auf jenes frühere „Aussig“ geantwortet, und zwar auf dem Weg über das Russische. Mit dem Wort „Aussig“ wird der deutsche Ortsname gestrichen, was, würde das Gedicht vorgelesen, eine stumme Stelle bedeuten müsste. Der ,njemetz‘ verschwindet an diesem Punkt aus dem Gedicht, indem er ,njemet‘ wird. Die „Mörder“ werden nicht mehr genannt, durch drei Punkte gleichwohl angedeutet – oder käme ich als Leser, der die erste Fassung von „Wolfsbohne“ nicht kennt, auf den Gedanken, für die drei Punkte stillschweigend das Wort „Deutsche“ einzusetzen? Dann wäre vielleicht ich einmal derjenige, der sich engagiert, indem er antwortet.
Und die „Elbe“? Sie hat schon in „Es ist alles anders“ einen anderen Namen erhalten: „ein Fluß, du kennst seinen Namen (…): Alba.“

XI
Am Ende noch einmal zu „Niemand“, zu „Niemands-“, zu „Niemandsrose“. Ich denke mir das ,e‘ wie üblich als Dehnungszeichen zum ,i‘, und zugleich denke ich mir ein Trema über dem ,e‘, höre nicht einen gedehnten Vokal, sondern eine Folge von zwei Vokalen, ,ië‘. ,Die Niëmandsrose‘, ,Niemands‘: und ,Niemand‘. Die Silbe ,nie‘ / ,nie‘, wie sie sich zwischen zwei Klanggestalten bewegt. Dann ergibt sich ein mehrfacher Name: ein Niemand, in dem ein Stummer und ein Deutscher enthalten sind. Die letzten beiden aber nur unter der Voraussetzung, dass Russisch gesprochen wird.
Ein deutscher Dichter, der nur darum so genannt werden kann, weil er Russisch spricht, und ein russischer Dichter, der Deutsch spricht. Und zugleich eine Ansprache des Lesers, eines deutschsprachigen, aus der russischen Sprache heraus. Hier wendet sich etwas an den Sprachlosen, auf dass er antworte.
Sprachigkeit. Die ohne Landkarte nicht zu denken wäre. Denn erst „Njemen“ hat „Niemand“ zu ,Niemand‘ werden lassen. Und das „Njemen“ steht nicht ohne „Normandie“ da, „Normandie-Njemen“, gleich neben „Böhmen“: Das ist Politik. Eine Vorstellung von Politik, bei der nicht allein der Finger über die Landkarte wandert, sondern mit ihm, wie es scheint, auch die Sprachen durch die einzelnen Wörter. Anders sind die Gegenden, Orte und Flüsse „mit wohl sehr ungenauem, weil unruhigem Finger auf der Landkarte – auf einer Kinder-Landkarte“ nicht zu finden.

Marcel Beyer, aus TEXT+KRITIK. Paul Celan, Heft 53/54, edition text + kritik, November 2002

Erinnerung an Paul Celan

Chez Jean lernten wir uns kennen, 1950, im Oktober, bei Pilaf und vin ordinaire. Damals kamen nur wenige Deutsche, die unter Hitler aufgewachsen waren, nach Paris. Chez Jean, ich würde es wiederfinden, war eine der schäbigsten Futterstätten des Quartier Latin: auf dem Holzboden Sand, in dem die Kippen ausbrannten. In der Alchimistenküche stiegen struppige Katzen über rußschwarze Kasserollen. Aber fabelhaft billig. Und gutes Publikum: Studenten, Emigranten und andere arme Leute.
Irgendein loser Bekannter führte uns ein.

Ich kenne einen deutschschreibenden Dichter. Er kommt öfter hierher.

Und er kam, kam an unseren Tisch; wir hielten inne mit unserem Pilaf, ein Jahr älter als ich, stellte sich später heraus; unser loser Bekannter machte uns andeutungsweise bekannt. Celan, höflich aufmerksam, das gute Gesicht von unmerklich zerstörtem Ebenmaß – er aß nicht, er lud unseren losen Bekannten ein zu sich für den Abend. „Und bringen Sie Ihre Freundin doch mit.“ Aber die Freundin war meine Freundin, und so lud er uns alle ein in die Rue des Écoles.
Eine kleinbürgerlich möblierte Studentenbude im 5. Stock, geringfügig individualisiert, vor allem durch Bücher. Wir waren sechs oder acht. Und Celan las. Las Gedichte. Vom ersten Augenblick an trat alles in eine andere Farbe, wunderlich, ungewiss, unwirklich. George fiel mir ein und sein Kreis; aber ich dachte, das kann’s doch nicht mehr geben, nicht hier.
Celans leise Stimme änderte ihr Timbre: eine Art inständiges Flüstern, das sich zwischen dem Text und mir ausbreitete; und jetzt, da ich daran denke, höre ich aus einer Entfernung von 21 Jahren den Vers, das Gedicht, das ganz in der Tonart jener Stunde steht:

Du denk mit mir: der Himmel von Paris, die große Herbstzeitlose…

Und die psalmodierende Stimme sprach auch das schlackenlose Gedicht, das fast der ganzen damaligen Produktion seines Autors weit voraus war: die „Todesfuge“. Die Liturgie konnte ihm nichts anhaben, es trat mit seinen Worten vor die Stimme und war da in seiner Atemlosigkeit und Stille.
Mit den Jahren drängte Celan das Zeremonielle seines Lesens merklich zurück. Er verbarg sich darin. Das wusste ich damals noch nicht. Er warf dieses Stimmkleid den Worten über, die ihn preisgaben. So weit er auf seinem Weg auch kam, alle seine Gedichte sind Rufe, Anrufe aus dem längst unabänderlichen Alleinsein des Übriggebliebenen, und was er schrieb, er schrieb es auch, um sein Überleben zu rechtfertigen vor seinen Toten.
Dieser Mann konnte Freund sein, und in nächtelangen Gesprächen, nächtelangen Wanderungen durch sein geliebtes Paris wurde er unser Freund. Es konnte keinen besseren Führer durch die Stadt geben. Wir gingen, gingen, und dann und wann, stehenbleibend, unterbrach er unser Reden, unser Schweigen: „In diesem Haus da oben ist Verlaine gestorben.“ „In diesem Hotel hat Rilke den Malte geschrieben.“ „Hier hat Baudelaire gewohnt.“ Er führte uns in den schattengefüllten Hof des Palais Rohan und rührte das Springkraut an, dass es seine Samen auswarf. Wir saßen mit ihm auf vergessenen Plätzen unter Paulownien, die er liebte, vielleicht ihrer großen stilisierten Herzblätter wegen.
Selten nur verlor er ein Wort über seine Vergangenheit; aber eines Nachts, als es schon fast zuviel war, sagte er, um ein bestimmtes Geschehnis, das ich vergessen habe, begreiflich zu machen:

Ich bin Jude.

Das sollte ausgesprochen sein, doch fast entschuldigend sagte er es, als müsse es uns, nach allem, peinlich sein.
Manchmal konnte dieser Mensch mit den geschundenen Sinnen sogar fröhlich sein. Dann sang er leise ausgelassene französische Chansons vor sich hin. Unter Freunden konnte er aus sich herauskommen, wagte er sich zuweilen in eine herzliche Gelassenheit. In diesem Zustand gleichsam größerer Oberfläche war er doppelt schutzlos, und das geringste Wort, der nichtigste Anlass trafen ihn so, dass der auf Frist vergessene Schmerz, den Krieg, Mord, Lager für immer in ihm hinterlassen hatten, ihn überflutete und bleich und stumm machte.
So saßen wir einmal vor einem Café, unterhielten uns und besahen dabei die wenigen Passanten. Celan machte uns auf einen Neger aufmerksam, der quer über den kleinen Platz herankam. Wir wandten uns ihm zu; aber der athletisch gebaute, geschmeidige Bursche missdeutete, was doch Bewunderung war. Er hielt vor unserem Tisch, nahm beinah Boxposition ein und fragte Celan schroff:

Vous voulez quelque chose?

Celan stand auf, stammelte etwas Besänftigendes, eine Entschuldigung. Schließlich gab der Neger sich zufrieden und ging weg. Celan setzte sich ohne ein Wort, beklemmend verdüstert, fahl. Dann stand er wieder auf, versuchte vergebens ein Lächeln, sagte tonlos, es sei besser, er gehe. Er war unerreichbar allein.
Celan kannte viele Leute, Schriftsteller, Künstler, und öfter fragte er uns:

Wollen Sie den kennenlernen?

Er nahm uns mit zu seinen Bekannten und ließ uns mit einladen, wenn er eingeladen wurde. Manche wollten uns auch kennenlernen, die jungen Deutschen, wollten wissen, wie das alles gewesen und möglich gewesen war mit Hitler. Und eines Tages, es war in einem Zimmer des weitläufigen Hotel d’Orleans und nebenan übte ein Violinvirtuose, wurden wir von einer Freundin der Gastgeberin bezichtigt, Helfer Hitlers gewesen zu sein, ich, da ich ja als Soldat für ihn gekämpft hätte, und Mitmacher beide jedenfalls, da wir sonst nicht überlebt hätten.
Ich verstand die Frau, ich konnte nicht einmal sehr anderer Meinung sein; aber Celan, der zugehört hatte, war erbleicht. Er raffte sich zusammen und fuhr die aggressive Dame mit einer Schärfe, die ich nie erwartet hätte, an:

Es sind meine Freunde. Ich habe sie mitgebracht. Ich stehe für sie ein.

Die Gastgeberin versuchte es mit Beschwichtigung, die Freundin lenkte widerwillig ein, die anderen – ich weiß es nicht mehr. Der Nachmittag war irreparabel hin. Bald verabschiedeten wir uns steif, Celan eisig. Und wiederum füllte und überstieg ihn dies Düstere, gegen das er nicht ankonnte.
Solche nicht vorhersehbaren und also unabwendbaren Zwischenfälle haben wir immer wieder mit ihm erlebt über die Jahre, in Bremen, in Hamburg, und wir konnten dann kaum etwas anderes tun, als da sein.
Aber er, dem schon nicht mehr zu helfen war, wie war er hilfsbereit! Jener Oktober bescherte Paris lästig kalte Tage, und meine Freundin erkältete sich dermaßen, dass sie mehrere Tage im Bett bleiben musste. Celan kam in unser dürftiges Hotel und schleppte zusätzliche Decken an, er brachte einen Spirituskocher für die Glühweinkur, die wir mit Erfolg anwandten. Celan besorgte uns Essensmarken für die Mensa der Sorbonne, wo jeden Mittag Jugend aus aller Welt bei babylonischem Geschnatter nach einem für unsere Verhältnisse fürstlichen Essen Schlange stand. Ich ahnte nicht, wo er diese begehrten Marken auftrieb.
Es machte ihm Freude, anderen Freude zu machen, und er war ein Könner darin. Die Pfeife, an der ich kaue, um mich genauer zu erinnern – er hat sie mir damals beim Abschied geschenkt. Er hatte beobachtet, dass ich mehrere drahtumwickelte Stücke benutzte. Aber es ist nicht nur eine gute Pfeife. Sieht man sie genauer an, entdeckt man am Vierkanthals, der, wie üblich, das Markenzeichen trägt, die Schriften „Au Caid, Paris“ und „Saint Michel“, und auf der dritten Fläche hatte Celan eingeritzt „Au revoir“. Die vierte Fläche blieb frei. Ich habe sie später mit der Lupe abgesucht, um zu sehen, ob auch da ein, vielleicht nur mir verständliches, Zeichen zum Vorschein käme. Gewundert hätte es mich nicht.

Rino Sanders, in Paul Celan, hg. von Werner Hamacher und Winfried Menninghaus, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1988

 

Hans Mayer: Erinnerung an Paul Celan, Merkur, Heft 272, Dezember 1970

 

SPÄT FÜR CELAN

NICHTS IST das Insichkreisen Worte Worte
auch du nur auf dem Trocknen wie ein zappelnder Fisch
anstatt übers Wasser zu gehen
und im Netz von Ihm gefangen
getragen wieder nur Melodien
und die Halbheit des Ufers: das Sehn

Griffel gegriffen Staubfäden auf der Haut
vergessen aber der Schmerz die Öffnung ist da
nah und niemals in Namen getränkt

Verkünstelte Eitelkeit Spiegel
Dunkelspiegel lass ihn kommen den Boten
Boten-Selbst hohe Röte Scham der Wangen
die Tore / kaum noch Jerusalem
Zelem in jedem verschüttet
komm dass wir warten

Denk an Mea Shearim und die Steine
weil der Rock zu kurz war / und so
ist nun auch dein Gedicht
Ich aber warte
den verkleideten „Engel“ und lese Johanna
anders / spiel mit der Hure
Literatur verpass ihr den erquickenden Schweif
des Strahlenden / denk an Marie

Ja, anstatt Selbstmord begeh
diese Fremde und warte entführt auf sie

Denn lässt sich das Leben nie mehr um-schreiben
dieser Irrtum im hellsten Schein des Getäuschtseins –
so schreib doch den Rohstoff Poesie… um!

Dieter Schlesak

 

 

Paul Celan: Dichter ist, wer menschlich spricht. Ein Film von Ulrich H. Kasten und Hans-Dieter Schütt mit Eric Celan und Bertrand Badiou.

 

Gerhart Baumann hielt seinen Vortrag Paul Celan: Um-Wege zu sich und die offene Frage des Gedichts auf der Tagung Vom Sinn moderner Lyrik am 23. Januar 1971 im Haus der Katholischen Akademie in Freiburg.

 

 

Niemand zeugt für den Zeugen. 100 Jahre Paul Celan. Literarische Soirée am 30.9.2020 im Haus am Dom Limburg.

 

„wir wissen ja nicht, was gilt“ – Paul Celan zum 100. Geburtstag

 

Ein Abend zu Paul Celan am 18.5.2020 im Literaturhaus Berlin mit Hans-Peter Kunisch und Thomas Sparr. Es moderiert Eveline Goodman-Thau.

 

Paul Celan, Czernowitz & die „Todesfuge“. Helmut Böttiger berichtet.

 

Erreichbar, nah und unverloren. Reisen zu Paul Celan. Teil 1. Gespräch mit Helmut Böttiger.

 

Todesfuge – Biographie eines Gedichts. Alexander Suckel im Gespräch mit Thomas Sparr am 17.4.2020 im Literaturhaus Halle.

 

„Ästhetik und politische Dimension der Dichtung Paul Celans“. Mit Helmut Böttiger, Thomas Sparr und Monika Rinck; Moderation: Dieter Stolz am 23.11.2020 im Literaturforum im Brecht Haus.

 

Paul Celan in Europa – Videogespräch am 22.9.2020 im Rahmen der trilateralen Forschungskonferenzen 2020–2023 in der Villa Vigoni.

 

Paul Celan übersetzen – Gabriel Horatiu Decuble im Gespräch mit Ton Naaijkens und Alexandru Bulucz, Moderation Ernest Wichner am 6.11.2021 im Literaturhaus Halle im Rahmen der Tagung „Was setzt über, wenn Gedichte übersetzt werden“.

 

Clément Fradin, Julia Maas und Michael Woll stellen Paul Celans Bibliothek im Deutschen Literaturarchiv Marbach vor.

 

„Die Todesfuge. Zur Biographie eines Gedichts im Archiv“ – Thomas Sparr im Gespräch mit Jan Bürger, Kai Uwe Peter und Michael Woll

 

Michael Woll stellt Paul Celans Nachlass im Deutschen Literaturarchiv Marbach vor. Im Mittelpunkt stehen dabei die Hölderlin-Bezüge in Celans Texten.

Zwischen „Grabschändern“ und „Linksnibelungen“. Wolfgang Emmerich im Gespräch mit Michael Braun über Paul Celans Verhältnis zu Deutschland und seinen deutschen Kritikern.

Carolin Callies, Ann Cotten, Daniela Danz, Aris Fioretos, Norbert Hummelt und Rainer René Mueller kommentieren Paul Celans Gedicht „Was es an Sternen bedarf“.

 

 

Paul Celan liest Gedichte in Jerusalem am 9.10.1969

Zum 50. Todestag des Autors:

Daniel Jurjew / Klaus Reichert: Paul Celan: Ich sehe seine Hellsichtigkeit, bei anderem denke ich einfach: er übertreibt
Frankfurter Rundschau, 19.4.2020

Gregor Dotzauer: Das Eigene und das Andere
Der Tagesspiegel, 19.4.2020

Susanne Ayoub: Es ist Zeit, dass es Zeit ist
Der Standart, 19.4.2020

Sandro Zanetti: Akute Dichtung: Celans Zumutungen
Geschichte der Gegenwart, 19.4.2020

Friederike Invernizzi: Sprechen zwischen Wunde und Narbe
Forschung & Lehre, 19.4.2020

Frank Trende: Die bewegende Geschichte der Todesfuge
shz.de, 19.4.2020

Dunja Welke: Paul Celan – Ein zerrissener Dichter
RBB, 18.4.2020

Stefan Lüddemann: Paul Celan, Dichter des Holocaust, starb vor 50 Jahren
Neue Osnabrücker Zeitung, 19.4.2020

Shmuel Thomas Huppert: Erinnerungen an Paul Celan
SR 2, 26.2.2020

Christoph Bartmann: Ein Riss, der nicht zu heilen war
Süddeutsche Zeitung, 20.4.2020

Christine Richard: Ein Leben, immer nahe am Untergang
Tages-Anzeiger, 20.4.2020

Anton Thuswaldner: „Die Welt ist gegen mich losgezogen“
Salzburger Nachrichten, 19.4.2020

Klaus Reichert im Gespräch mit Niels Beintker: Erinnerungen an Begegnungen und Gespräche mit Paul Celan
BR24, 20.4.2020

Rüdiger Görner: Asche atmen: Zu Paul Celan
Die Presse, 23.4.2020

Marko Martin: Paul Celan und die „Linksnibelungen“
Welt, 27.4.2020

Evelyne Polt-Heinzl: Paul Celan Ein Migrant in Wien
Die Furche, 8.4.2020

 

 

Zum 100. Geburtstag des Autors:

Andreas Wirthensohn: Todesklage für die Überlebenden
Wiener Zeitung, 21.11.2020

Klaus Demus: „Eine sehr große Freundschaft“
literaturoutdoors.com, 22.11.2020

Claus Löser: Fünf Filme für Paul Celan
Berliner Zeitung, 21.11.2020

Krisha Kops: Paul Celan: Dichter, Überlebender, Heimatloser
Deutsche Welle, 22.11.2020

Ulf Heise: Lyrik als Flaschenpost
Freie Presse, 22.11.2020

Susanne Ayoub: Paul Celan: Verlust der Heimat, Trauer um die Eltern
Der Standart, 22.11.2020

Wolf Scheller: Was nicht gesagt, nur angedeutet werden kann
Der Standart, 23.11.2020

Andreas Montag: Dichter Paul Celan – Der Schleier des Herbstes
Mitteldeutsche Zeitung, 23.11.2020

Andreas Müller: Paul Celan – zum 100. Geburtstag
Wiesbadener Kurier, 23.11.2020

Stefan Kister: Unter die Deutschen gefallen
Stuttgarter Zeitung, 22.11.2020

Paul Jandl: Vielleicht war Paul Celan einmal ganz er selbst. Da spielte er die Dürrenmatts beim Tischtennis in Grund und Boden
Neue Zürcher Zeitung, 23.11.2020

Sabine Glaubitz: Er schrieb das Unsagbare auf: Nachkriegsdichter Paul Celan wäre heute 100 Jahre alt geworden
stern, 23.11.2020

Volker Weidermann: Ein Grab in den Lüften
Der Spiegel, 20.11.2020

Jochen Hieber: Im Höhenrausch mit Ingeborg Bachmann
Der Spiegel, 23.11.2020

Stefan Brams: Interview mit Thomas Sparr – Paul Celan stiftet zur Erinnerung an
Neue Westfälische, 23.11.2020

Helmut Böttiger: Die graue Sprache
Süddeutsche Zeitung, 22.11.2020

Helmut Böttiger: Auf der Suche nach einer graueren Sprache
Jüdische Allgemeine, 21.11.2020

Albrecht Dümling: Die Todesfuge in Tönen
Deutschlandfunk Kultur, 20.11.2020

Nikolaus Halmer im Gespräch mit Barbara Wiedemann: Paul Celan: „Es sind noch Lieder zu singen jenseits der Menschen“
Die Furche, 11.11.2020

Harald Seubert: Lieder jenseits der Menschen und kodierte Zeit: Paul Celan (1920–1970). Zum Gedenken
youtube.com, 15.6.2020

Celebrating Paul Celan: An Evening with Pierre Joris and Paul Auster
youtube.com, 21.11.2020

Stadtführung „Auf den Spuren von Paul Celan“
youtube.com, 10.9.2020

Paul-Celan-Literaturtage 2020. Videopräsentation vom Paul Celan Literaturzentrum Czernowitz

Ausstellung Paul Celan 100 – Unter den Wörtern

 

 

West-östliche Konstellationen. Internationale Tagung als hybride Veranstaltung im Lyrik Kabinett, München, sowie online.
Tagungskonzeption und -organisation: Prof. Markus May und PD Dr. Erik Schilling (Institut für deutsche Philologie der LMU München)
8.–9.10.2020

Eröffnung

 

Ambivalente Topographien. Rilkes Dritte Duineser Elegie und Celans „Walliser Elegie“

 

„West-östliche“ Lesarten im Jahrhundert nach Celan

 

Das Schweigen über Brücken. Orte Celans bei Robert Schindel

 

Abendvortrag: Todesfuge. Biographie eines Gedichts

 

„Wortaufschüttung“. Materialität als Indexikalität bei Paul Celan

 

Betreten. Zum Anfang von Engführung

 

Celans Draußen. Über reale und sprachliche Räume in seiner Dichtung

 

„Stimmen vom Galgenbaum“. Celans west-östliches Rotwelsch

 

Fakten und Vermutungen zum Autor + ÖMIMDbKLG +
PCLZ + PCLZKanal + Archiv 1 & 2 + Internet Archive + Kalliope +
Georg-Büchner-Preis 1 & 2
Porträtgalerie: Keystone-SDA
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Nachrufe auf Paul Celan: Neue Literatur ✝︎ NZN



Paul Celans Todesfuge interpretiert von Diamanda Galas im Teatro Albeniz, Madrid, 15.10.2008.

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