Paul Celan: Lichtzwang

Mashup von Juliane Duda zum Buch von Paul Celan: Lichtzwang

Celan-Lichtzwang

WAS ES AN STERNEN BEDARF,
schüttet sich aus,

deiner Hände laubgrüner Schatten
sammelt es ein,

freudig zerbeiß ich
das münzenkernige
Schicksal.

 

 

 

Beiträge zu diesem Buch:

Bernhard Böschenstein: Lesestationen im Spätwerk: Zu zwei Gedichten des Bandes Lichtzwang
Etudes Germaniques: Hommage à Paul Celan. 1970
Auch in: B. B.: Leuchttürme. Frankfurt/M. 1977

Renate Böschenstein-Schäfer: (Zu: Lichtzwang)
Der kleine Bund (Beilage zu Der Bund), 26.7.1970

Christiane Buschter: Vermächtnis der Dunkelheit: Paul Celans letzter Gedichtband Lichtzwang
Nationalzeitung, 9.8.1970

Karl Corino: (Zu: Lichtzwang)
Sendung im Hessischen Rundfunk (Kulturelles Wort), 13.8.1970
Sendung im Österreichischen Rundfunk, 27.2.1971

The end of a private silence
The Times Literary Supplement, 18.9.1970

Jerry Glenn: (Zu: Lichtzwang)
Books Abroad, 45. 1971

Rudolf Hartung: (Tagebuchnotizen)
Neue Rundschau, 81. 1970

Hans-Jürgen Heise: Paul Celans letzte Gedichte
Rheinischer Merkur, 20.11.1970

Curt Hohott: Poesie in Bildgedanken, die die Welt hinter sich gelassen hat: Gedichte aus den letzten drei Lebensjahren von Paul Celan.
Kölnische Rundschau, 10.10.1970

Gottfried Just: Danach gibt es kein Später: Zu Paul Celans letztem Gedichtband
Süddeutsche Zeitung, 1./2.8.1970

Walter Kratzer: Zu: Lichtzwang
Literatur und Kritik, 1971

Simon Kraus: Die letzten Gedichte Paul Celans
Die Presse, 12.8.1970

Karl Krolow: Analysen der Einsamkeit
Darmstädter Echo, 25.7.1970

Karl Krolow: Selbstdarstellung einsamer Existenz
Stuttgarter Zeitung, 11.7.1970

Karl Krolow: Trauerdomäne: Die Lichtzwang-Gedichte Paul Celan
Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 30.8.1970

Karl Krolow: Unendlich geerdete Schwermut
Hannoversche Allgemeine Zeitung, 25.7.1970
Auch in: die horen, 83. 1971
Auch in: die literarische tat, 21.11.1970

Paul Celan, Lichtzwang
Vorwärts, 10.9.1970

Hans Dieter Schäfer: Mystische Rede am Rande des Schweigens: Letzte Gedichte von Paul Celan.
Die Welt, 6.8.1970

Mathias Schreiber: Auf der Jagd in die Dunkelheit: Paul Celans vorletztes Buch Lichtzwang
Kölner Stadtanzeiger, 6.6.1970

Jürgen P. Wallmann: Nachtblind, tagblind, weltblind
Der Tagesspiegel, 15.11.1970

 

Carolin Callies, Ann Cotten, Daniela Danz, Aris Fioretos, Norbert Hummelt und Rainer René Mueller sprechen zu Paul Celans Gedicht „Was es an Sternen bedarf,…“ aus dem Band Lichtzwang.

 

Rainer René Mueller spricht zu Paul Celans Gedicht „Was es an Sternen bedarf,…“ aus dem Band Lichtzwang.

 

Der späte Celan

– Dichtung und Übersetzung. –

Als einer der Veranstalter dieses Symposions mir das Thema des Vortrags vorschlug, sah ich sogleich große Schwierigkeiten vor mir. Seit 1973, als ich in diesem Saal über Celan und Annette von Droste sprach, hat die Forschung deutliche Fortschritte in der Erarbeitung von Celans Verfahrensweise auch in den letzten Gedichtbänden erzielt.1 Zugleich haben die spärlichen Interpretationsversuche zu den spätesten Texten gezeigt, daß solche Gedichte in ihrer „Vielstelligkeit des Ausdrucks“2 durch keine noch so präzise Erläuterung einzuholen sind, es sei denn, deutliche biographische, historische, lokale Handhaben böten eine Sonderhilfe an, wie in den beiden Berlin-Gedichten „Du liegst im großen Gelausche…“ und „Lila Luft mit gelben Fensterflecken“, die P. Szondi3 und A. Kelletat4 erhellt haben. Zwischen den beiden Polen grundsätzlicher und spezifischer Erarbeitung wird dieser Versuch oszillieren müssen, nachdem die erste inzwischen bereits zu bedeutsamer Klärung, die zweite dagegen zu Aporien geführt hat. Aber Celan selber verlangte die nicht nachlassende Anstrengung beim Lesen seiner Gedichte. „Jetzt müssen Sie Celan interpretieren“, sagte er nicht ohne Grausamkeit zu mir. B. Allemann bekennt im „Editorischen Nachwort“ zu seiner 1975 veranstalteten zweibändigen Ausgabe der Gedichte:

Wir stehen vor der gewiß nicht leichten Aufgabe, die Kriterien überhaupt erst zu entwickeln, die eine reflektierte Aufnahme der zweiten und, wenn eine Steigerung möglich war, bedeutenderen Hälfte von Celans lyrischem Lebenswerk erst möglich machen werden.5

Hierzu einen kleinen Beitrag zu leisten, ist das Äußerste, was der heutige Vortrag im günstigsten Fall unternehmen kann.
Ich werde mich am meisten auf die beiden letzten von Celan durchkomponierten, nach seinem Tod erschienenen Bände Lichtzwang und Schneepart beziehen, am Schluß noch auf die spätesten Gedichte Zeitgehöft, denen kein druckfertiges Manuskript mehr zugrunde lag, und auf französische Dichter, die er in den letzten Jahren übersetzt hat, Henri Michaux und André du Bouchet.
Celan war sich seiner poetischen Verfahrensweise wohl bis ins Letzte bewußt. Gelegentlich enthalten seine Gedichte Hinweise darauf, die eine erste Orientierungshilfe darstellen. Im gegenwärtigen Stadium der Celan-Forschung ist es unmöglich, auf diese Hilfen zu verzichten. Ich werde sie im Gegenteil im größtmöglichen Ausmaß beanspruchen. Ich denke da zuerst an ein Gedicht aus Lichtzwang, das B. Allemann schon früh als Programmgedicht erkannt hat:
6

Fahlstimmig, aus
der Tiefe geschunden:
kein Wort, kein Ding,
und beider einziger Name,

fallgerecht in dir,
fluggerecht in dir,

wunder Gewinn
einer Welt
. (L, S. 307)
7

Der hier eröffnete Gegensatz zwischen Wort und Ding einerseits, Namen anderseits darf wohl – ich weiche hier teilweise von Allemann ab – so verstanden werden, daß für Celan das, was einmal Wort hieß, die Fähigkeit besaß, ein Ding zu beschwören, und das, was einst Ding hieß, aus seinem Bezug zum Wort herzuleiten war. Dieser Bezug findet für ihn nicht mehr statt. Somit hört für ihn das Wort auf, eines zu sein; somit hebt sich für ihn die Kategorie des Dings auf. An beider Stelle tritt der Name, der diesen Bezug gerade ausschließt: aus dem Namen läßt sich das Wesen des Benannten gerade nicht herauslesen. Aber die an der Sprache teilhaben, sind an diesen Bezug durchweg gewöhnt. Celans Arbeit richtet sich deshalb darauf, ihn zu annullieren. Er tut es sowohl auf der Ebene des Worts wie auf der Ebene des Dings: er verwandelt beide in Namen.
Ein Wort gesellt sich in seinen Gedichten zu anderen Worten mehr über die sprachliche Struktur als über das Bedeutete hin. Damit wird dem Wort seine Ding konstituierende Leistung aberkannt, zugunsten der Konzeption des Namens, der mit andern Namen eine dinglose Relation unterhält. Entsprechend hört für ihn ein Ding auf, in festen, sprachlich vorgezeichneten Umrissen gegenwärtig zu sein. Es wird entstaltet, zu andern Erscheinungsweisen hin verändert, indem es seine räumliche und zeitliche Identität aufgeben muß, anders zusammengesetzt und in neue raumzeitliche Koordinaten eingespannt wird. Zerlegung und neue Konstitution geschehen außerhalb sprachlich fixierter Vorstellungen. Das neuentstehende Ding erhält einen Namen, der seine Dinglichkeit nicht mehr verbürgt, vielmehr den Riß zwischen Wort und Ding auch auf der Ebene des Dings festschreibt.
Nun kann aber diese Entbindung des Worts von der Dingbezeichnung und des Dings von der wertmäßigen Vorgezeichnetheit nicht anders als mit sprachlichen Mitteln zustande kommen. Mit Hilfe der Wörter werden diese zu Namen, mit Hilfe der Wörter werden auch die Dinge zu Namen. Somit arbeitet das Gedicht mit einem Instrument, das seine eigenen Leistungen nach zwei Richtungen hin aufhebt.
Die Gedichte zumal dieser späten Periode sind sowohl von der Sprache aus wie von der mit dieser Sprache gesetzten ,Welt‘ aus gemäß solcher im Gegensinn arbeitenden Verfahrensweise zu erkunden.
Einerseits läßt sich auf die Veränderung vom Wort zum Namen und vom Ding zum Namen hinweisen; anderseits gilt es, das Neubenannte im Akt des Lesens zu aktualisieren. Wie dies freilich zu geschehen habe, läßt sich nur in individuellen Annäherungsversuchen umreißen, die weit davon entfernt sind, einen Konsens zu erzielen. Dennoch ist ein solcher Versuch nicht sinnlos, da er in einer Kommunikationssituation verankert ist, die Gegen-Versuche hervorrufen kann und überhaupt das vom Gedicht angezettelte Gespräch in Gang setzen sollte.
Das zitierte Gedicht läßt die Namen aus der Tiefe schinden, als wären wir in einem Bergwerk, das Förderschächte in die Erde treibt. In den letzten Gedichten ist das Wort- und Bildfeld des Bergwerks allgegenwärtig. Celan forschte am Ende seines Lebens in mineralogischen Spezialwörterbüchern. Im Schinden ist die Mühsal der Hervorbringung enthalten, auch die Quälerei, der die Sprache ausgesetzt wird, sogar die Häutung, die auf die Verletzung der Sprache durch diese Dichtung anspielt. Der Schluß „wunder Gewinn / einer Welt“ nimmt dies wieder auf. Das Ergebnis solchen Schürfens wird dem Ich gemäß dem Gesetz des Falls wie des Flugs zugeführt. Es sinkt und es steigt, seine Richtung ist eine doppelte, zur Tiefe und zur Höhe hin. Beide Bewegungen verlassen die Erde, nach unten wie nach oben. Die vielen Hinweise auf Grabungsarbeiten und die vielen flugtechnischen Vorstellungen in diesen späten Gedichten stehen in einer Beziehung zu dem hier angegebenen poetologischen Programm. Auch die Gleichzeitigkeit der Exploration des Oben und des Unten und schließlich sogar die Richtungsvertauschung, die das Obere nach unten, das Untere nach oben verlegt, scheinen in diesen Zeilen angedeutet zu sein.
Dieses Programm kann in seinen einzelnen Verwirklichungen aufgesucht werden. Ein Beispiel:

Unter der Flut
fliegen, an
gehöhten schwarzen
Opfersteinen vorbei,

die unendlich geerdete Schwermut
in den
Fahrwerkschächten,

berauschte Flugschreiber im
Sehnsuchtsgehänge,

künftige Fundstücke, silbrig,
im
schädligen Cockpit,

Sichttunnels, in
den Sprachnebel geblasen,

Selbstzündblumen
an allen Kabeln,

im großen, unausgefahrenen
Feigenring deinen
genabten Schatten,
Saturn
.
(L, S. 315)

Eine solche Zusammenstellung verbindet in der Paradoxie ein Unterreich mit einem Flug: was unter der Erde liegt, wird erkundet, als gehörte es dem Bereich über der Erde an. Die Umkehrung der Richtung zum Himmel und zur Tiefe hat die größten Konsequenzen hinsichtlich der Perspektivenverschiebung. Einerseits ist der Flug mit der ekstatischen Bewegung ins Freie hin verbunden, die sonst der Luftraum ermöglicht. Anderseits wird aber eine von düsteren Denkmälern bewohnte Sphäre im Inneren der Erde beflogen. Die Schwermut, die an diese Erde angeschlossen wird, gibt dem Flug ein hinunterziehendes Gewicht, raubt ihm seine Leichtigkeit. Das Flugzeug wird eins mit dem Schreibenden: im Cockpit des Schädels werden einst Worte wie Fundsachen anzutreffen sein: der eine neue Schneise bahnt, einen Tunnel in den Sprachnebel bläst, ist zugleich der Präger neuer Münzen, Wortmünzen, die er in seinem Schädel birgt: aus dem Toten wird postum ein Schatz von Wortgeld, ein Wort-Schatz, ausgegraben werden. Diese Worte sind Selbstzünder, sie explodieren innerhalb der Wortsequenz selber an den Leitungen, die mit der Schwermut festgemacht wurden. Der Raum, der hier im Flug durchmessen wird, ist der Staubring um den Planeten Saturn, eine Nebelmasse, die als Rad mit Felgen und Naben sich um den Planeten dreht. Diese Staub- und Nebelmasse könnte die Sphäre sein, in die die Sichttunnels geblasen werden: eine sonnenlose, formlose, umrißlose Masse, die durch das Flugzeug zerteilt und exploriert wird. Der Flugschreiber registriert alle von der Sehnsucht nach einer unbekannten Welt gesteuerte Erkundung und setzt sie fest als Wort, das der Zukunft zur Verfügung steht. Ein solcher Erkundungsflug in einen lichtlosen Nebel aus elementarer Stoffmasse, weitab von der beleuchteten Erde, ist eine mögliche Selbstdarstellung von Celans Gedicht, dessen Sprachzündungen nicht von außen gesteuert werden.
Die Beförderungsmaschine und die Beförderungsanlagen sowie die Leitungen werden deutlich benannt, die Sphäre, in der die Erkundung stattfindet, erhält dagegen Bestimmungen, die ein Höchstmaß an Undeutlichkeit anzeigen. So wird mit Präzision dem kaum Erfaßbaren begegnet, gibt es Bergwerksingenieursarbeit in Schächten, Gehängen, Nebeln, Schatten.
Daraus lese ich abermals ein poetologisches Programm:
Der von Celans Gedicht zu erkundende Bereich ist nicht schon vorgestaltet, er hat noch keine sprachliche noch auch dingliche Festlegung erfahren, er ist nichtsdestoweniger gegenwärtig, freilich jenseits bewohnter Welt. Todesmale der Vergangenheit – schwarze Opfersteine – und postume Überbleibsel – die Worte, die diese Erkundung festhalten und erst nach dem Tod ihres Finders ausgegraben werden – verbinden Vor- und Nachzeit und lassen die Gegenwart unbezeichnet, unbenannt.
Insofern ist diese Dichtung nicht für den Augenblick bezeichnet, in dem sie entstand: sie rechnet mit größeren Fristen, setzt weit Älteres fort und entwirft sich in eine zeitliche Ferne, die noch lange nicht einholbar ist. Die Ansiedlung des zu explorierenden Raums unter der Erde oder weit von ihr entfernt, im Saturnring, rechnet mit dem Ende der gegenwärtigen taghellen und bewohnten Menschenwelt, mit dem Ende der sprachlich gefaßten Vorstellungen, die innerhalb ihrer entwickelt und festgehalten wurden.
Zweifellos bezeugen viele Gedichte aus den letzten Bänden den Versuch, in solches Programm der Konstitution noch nicht vorhandener Sprach- und Dingvorstellungen radikal durchzuhalten mit Hilfe der Zusammenstellung von Wort- und Dinggruppen, die stets im Gegensinn zu ihren bisherigen Bedeutungszuordnungen eingesetzt werden. Aber inwieweit kann ein Leser auf ein solches Gebilde antworten? Das den Leser aufsuchende, ihn oft eigens ansprechende Gedicht führt ihn weg von sich selbst, weg von einem als hinfällig beurteilten Jetzt und Hier, mit der Perspektive einer strafenden, zugleich reinigenden Auflösung der Gegenwart, die nicht weiterbestehen soll: der auf totale Veränderung zielende Blick aus diesem sich selbst als „Wahngängeraugen“ (L 319) bezeichnenden Standpunkt ist einer durchgängigen utopischen Forderung verpflichtet, deren Unerbittlichkeit den politischen, den gesellschaftskritischen Protest der letzten 15 Jahre weit hinter sich läßt.
Diese Augen bringen die festesten Felsen „zutode“, wenn eine irreale Rettung vor der Sintflut sich daran festklammern möchte. Der sich hier selber apostrophierende und diagnostizierende Kranke hält seinen abweichenden Blick für den wahreren, der voraussieht und die Rettungsaktionen seiner Zeitgenossen als Illusionen durchschaut. Sarkasmus auf den H.P. Bayerdörfer mit vielen einleuchtenden Beispielen hingewiesen hat,
8 bestimmt daher die Tonart vieler dieser späten Texte.
Der Einsatz des Bandes Lichtzwang war die Abwesenheit von sich selber: „du wirst wieder / er.“ (L 233). Celan reflektiert diese Trennung, die ihn von sich selber entfernt, in der Dimension eines allgemeineren Verlusts, der den letzten Rest von heimischer Bindung an Gegebenes aufzehrt.
Gleichfalls setzt das Jahr 1968, das Jahr des Bandes Schneepart (,Parte‘ heißt übrigens auf österreichisch auch Todesanzeige), mit dem Bezug auf den Wahn ein, die christlichen Zeichen von Brot und Wein umkehrend: am 2. Januar 1968 schreibt Celan in Paris:

Das angebrochene Jahr
mit dem modernden Kanten
Wahnbrot.

Trink
aus meinem Mund.
9

Das Jahr, das den Rest des vorjährigen Wahns fortschleppt, fordert der Dichter zum Trunk aus seinem Mund auf: auch dies wird ein Jahr der Passion werden, das das Blut der kommenden Gedichte aus ihm saugen wird. Dies Gedicht erschließt sich erst ganz aus dem Bezug zum vorangehenden, dem dritten der Berlin-Gedichte, das, im Gegensatz zu den beiden andern, bis jetzt wohl noch nicht interpretiert wurde: Dort wird das vergangene Jahr 1967, das der Dichter von Monat zu Monat zurückblättert, am Weihnachtstag10 unter das Zeichen der Kreuzigung gestellt, unter das Zeichen des Bratsche spielenden Todes, unter das Zeichen der Gräber, aus denen wie aus einem Brunnen, und zwar aus dem „Zwölfmund“ der zwölf Monate, das Wasser fließt, das der Dichter trinken soll, eingedenk der Passion, die er selber durchgemacht hat.

BRUNNENGRÄBER IM WIND

es wird einer die Bratsche spielen, tagabwärts, im Krug,
es wird einer kopfstehn im Wort Genug,
es wird einer kreuzbeinig hängen im Tor, bei der Winde.

Dies Jahr
rauscht nicht hinüber,

es stürzt den Dezember zurück, den November,
es gräbt seine Wunden um,
es öffnet sich dir, junger

Gräber-
brunnen,
Zwölfmund.
(S, S. 336)

Der Angeredete wird „Brunnengräber“ genannt, weil er, das Gedenken auf die jüngste Vergangenheit richtend, den Quell der jüngsten Wunden aufbricht. So das Jahr zurückverfolgend, macht er aus ihm den „Gräberbrunnen“: die Umkehrung dieses Kompositums am Ende des Gedichts ist die Folge der Umkehrung des Jahrs, die die Wunden zutage förderte. Ihr entspricht auch der Kopfstand des Gekreuzigten.
Das angebrochene Jahr 1968 nun bietet sich dar „mit dem modernden Kanten / Wahnbrot“ und mit dem Trank. Das Brot muß der Dichter kauen, „mit Schreibzähnen“ (S, S. 358). Der Biß in die Sprache bringt ihr Zerstörung bei und nährt zugleich den, der so in sie eingreift. Die Härte und Zähigkeit der späten Gedichte ist nicht zu trennen von diesem Geschäft. Dieses Brot ist das Brot der Fremde, in dem totalen Sinn einer Expatriierung der Wortbedeutungen aus den Worten. Der diese Expatriierung vollzieht, muß sich von seinem Ich ablösen.

Du, in dein Tiefstes geklemmt,
entsteigst dir
für immer
.
(S, S. 338)

Dieser Austritt aus der eigenen Person ist in Parallele zu setzen zur Absage an den Vertrag, den Wort und Ding miteinander geschlossen hatten. Die neue Sprache, deren er sich bedient, ist die des „seelenbärtigen, hagel / äugigen Weißkies / stotterers“ (S 357). Vereisung des Blicks, Versteinerung des Worts, Diskontinuität in der Wortsequenz erscheinen als Folge davon, daß der Sprechende „zur Nachtordnung übergeritten“ ist. Das Stottern ist ein abermaliger Beweis für die Zerschneidung des Bandes vom Wort zum Ding. Nicht abbildbar, jedoch sich in einer sich selber unterbrechenden Sprache bezeugend, ist die Welt, von der diese Sprache meldet, eine solche, die den Stotterer nur als Gast empfing. Sein Zeugnis läßt sich zusammenfassen im Namen, den er hinterläßt: wie ein Feuer leckt seine Wunde – so spricht es ein anderes Gedicht aus – an der Mauer hoch, von der sein Name schwitzend sich löst: aktive Aufwärtsbewegung der Verwundung, passive Abwärtsbewegung dessen, was von ihr zeugt, Aufwärtslangen des verzehrenden flüssigen Feuers, Abwärtstropfen des herausgepreßten Wassers, in beiden der Schwund der Person, die das Unauflösliche, Unabdingbare des Namens hinterläßt, der wie ein Mal zurückbleibt, Anstoß für eine vielstellige Erinnerungsarbeit, die an die Hinterlassenschaft anknüpft:

Die nachzustotternde Welt,
bei der ich zu Gast
gewesen sein werde, ein Name,
herabgeschwitzt von der Mauer,
an der eine Wunde hochleckt.
(S, S. 349)

Zu solchem Stottern wird die Sprache befähigt, wenn aus ihr „die Wortschatten“ (S, S. 345) herausgehauen werden, d.h. der bedeutungstragende Teil abgetrennt wird von dem, was anderswo der „Zeithof“ (L, S. 297) der Worte genannt wird, „ein Tümpel“, der durchschwommen wird mit den „Schwimmhäuten“, die „zwischen den Worten“ sind: ähnlich ist die Vorstellung eines Kolks, der die „rings um den Krampen“ geklafterten „Wortschatten“ (S, S. 345) aufnimmt. Die Voraussetzung zu dieser Arbeit ist das Wegklopfen der „Lichtkeile“ (L, S. 268) aus dem Wort, die Ablösung des „Leuchtschopfs / Bedeutung“ (L, S. 297) von ihm. Das so entstaltete Wort umfängt eine Dämmerzone, in der es nicht mehr feststeht, sondern schwimmend sich bewegt. Zwischen der Verflüssigung der Sprache und der Versteinerung zum Weißkiesgestotter besteht kein unüberbrückbarer Gegensatz: in beiden Fällen wird die von Bedeutung gesteuerte Folge von Worten unterbrochen: einmal durch die Lücke, das andere Mal durch den Zeithof, die Schwimmhäute. Abweichend vom bedeutungstragenden Element des Worts bringt der Zeithof als Tümpel und Kolk eine lichtlose, ungestalte, schattenerfüllte Zone um das Wort herum zur Geltung, die die erste Abteilung aus dem letzten Band bestimmt, die darum ,Zeitgehöft‘ heißt. Eines der sprechendsten Beispiele aus dieser Abteilung lautet:

Alle die Schlafgestalten, kristallin,
die du annahmst
im Sprachschatten,

ihnen
führ ich mein Blut zu,

die Bildzeilen, sie
soll ich bergen
in den Schlitzvenen
meiner Erkenntnis –,

meine Trauer, ich seh’s.
läuft zu dir über
.
11

Die Venen müssen erst aufgeschlitzt werden, das Ich muß erst verbluten, ehe die „Schlafgestalten“ des Du im „Sprachschatten“ sprechend werden. Welches Ich zu welchem Du überläuft, wird, wie stets bei Celan, offengelassen. Sicher ist nur, daß das festhalten der Gestalten und Bilder gleichzeitig das Opfer eines Lebens verlangt, das Erkenntnis nur um den Preis der wirklich eintretenden Verblutung erlangt. Die mit Blut zu tränkenden Schatten sind auch die Toten von gestern, die nicht ins Wort gehoben werden können, nur in die Dämmerzone, die das Wort. umschwimmt.
Was in all diesen poetologischen Selbsterläuterungen in zugleich verschlüsselter und offenbarer Sageweise greifbar wird, könnte eine Anweisung zu angemessener Lektüre der Gedichte Celans sein, wenn es gelänge, die programmatisch durchdachte Abweichung dieses Sprechens vom bisher geübten an dem Prozeß eines Gedichts darzustellen. Dafür mußte dann freilich das Wort-, Silben-, Buchstabenmaterial bis in die kleinste Zelle in seiner komplexen Verschränkung zu einer Partitur analysiert werden, wozu erst Ansätze bestehen, etwa in Ch. Perels Aufsatz „Erhellende Metathesen“
12 oder in P. Szondis resolut auf die Selbsterzeugung der Gedichtzeit aus ihrem Fortgang pochende Interpretation der Engführung.13
Indes war Paul Celan mit diesen Versuchen nicht allein, kontextlos, wie viele seiner Interpreten anzunehmen scheinen. Die Komponenten seiner Poesie finden sich als Grundzüge der Poesie unseres Jahrhunderts: Kritik am Weltzustand, Sprachkritik, artistische Perfektion in der Ausarbeitung einer poetischen Gegenschöpfung. Einzigartig ist freilich deren kühne Kombination.
Daß Celan sich selber nicht als einzelner verstand, beweist der Zeithof, den er als Übersetzer um sich schuf. In Umrissen soll dieser Kontext nun noch angedeutet werden. In der Zeit, als Celan seine letzten, hier allein berücksichtigten Gedichte schrieb, war er besonders mit dem französischen Dichter André du Bouchet verbunden, der ihn 1968, im Jahr, als er seine Übersetzung von du Bouchets Gedichtband Vakante Glut erscheinen ließ, zur Mitherausgabe der Zeitschrift L’Ephémère gewinnen konnte. Du Bouchets Dichtung geht vom späten Mallarmé aus, setzt Pierre Reverdy fort, steht in einer dauernden engen Beziehung zu Henri Michaux, den Celan von seinen französischen Zeitgenossen am höchsten geschätzt und von dessen deutscher Gesamtausgabe er den ersten Band herausgegeben hat,
14 nahm viele Anstöße von bildenden Künstlern auf, zumal von Alberto Giacometti, und trat in Deutschland mit Celan zusammen öffentlich auf bei der Stuttgarter Tagung zu Hölderlins 200. Geburtstag, am 21. März 1970, einen Monat vor Celans Tod. Der dafür geschriebene Text über das späte, apokryphe Hölderlin-Fragment „In lieblicher Bläue“ ist jetzt, „postum“, Celan gewidmet und vor wenigen Wochen im Band L’Incohérence15 an seiner endgültigen Stelle erschienen. Paul Celan wollte diese Nachbarschaft zu du Bouchet öffentlich dokumentieren. Als der Veranstalter dieser Doppellesung, der letzten öffentlichen von Celan, möchte ich diese Verbindung nachdrücklich in Erinnerung rufen.
Du Bouchet teilt mit Celan als Ausgangslage für das Schreiben die Ablösung vom unvermittelt sich äußernden Ich, das Durchschneiden der Lebensfäden, die sich von ihm zu den Gegenständen spannen. Als Beispiel diene zunächst das kurze Gedicht „Meteor“, in Celans Übersetzung:

Das Fortsein, das mir den Atem ersetzt, fängt wieder an,
auf die Papiere niederzufallen wie Schnee. Die Nacht tritt vor.
Ich schreibe so fern als möglich von mir selbst.
16

Freilich ist du Bouchets Distanz zur Welt nicht gequält, nicht verdunkelt von tödlichen Erfahrungen der Vergangenheit. Mit Celan teilt er durchaus die Abkehr von jeder Versuchung zu abbildlicher Wiedergabe der Wirklichkeit. Das Umpflügen der Erd- und Lufträume, die sich, nach dem Durchgang durch eine innere Erfahrung, in einer zweiten, der Abstraktion abgerungenen Konkretheit darbieten, verlangt dem Leser ähnliche Anstrengungen ab wie Celans Umschichtungen des Raums. So zum Beispiel in diesem Abschnitt aus der Gedichtfolge „Gebirgsboden“:

Luftwand
unter der hochgewühlten Erde

außerhalb der Reichweite der Luft

alles ist zerstört

wie ein wenig Luft
in einer offenen Hand

Berg

fast nichts

Berg
dessen Grünspan-Steigung
wir folgen.
17

Die extremen, die Randzonen zwischen Erde und Himmel werden hier bevorzugt, und wenngleich der Sprecher sich in die Landschaft einfügt, ist er von jeder fühlenden Beteiligung an ihr weit entfernt; ganz der menschenlosen Präsenz unspezifischer Elemente geöffnet, deren Reinheit und Weite aber mit abkürzender, spröder Gegenständlichkeit eingeholt werden: darin liegt eine Paradoxie, nicht gespannt wie bei Celan, aber in lakonischer Reduktionsform bis zur rudimentären Kleinstformel verknappt. Der Akt des Schreibens und sein Innenraum werden in Andeutungen mitgesetzt, aber nie zu eigenständigen Gedichten aus Sprachreflexionslandschaften ausgebaut, wie oft bei Celan, der noch in seinen letzten Texten weit mehr der Durchführung im musikalischen Sinn des Begriffs zuneigt als sein französischer Gefährte. Dessen Ellipsen, dessen Schweigenspartituren, unterstützt von graphisch gestaffelten Leerräumen, setzen die Dissemination voraus, die Mallarmés spätes poetologisches Programm gefordert und zum Teil eingelöst hat.

Sicher neu zu erblühn

wird nichts den Schatten
meines Zimmers
verrücken

mit Eimern Kälte
oben
auf einem eimer-
ähnlichen Luftberg

er zittert
wie eine Lampe

ich erhelle
ich sehe

Buchstaben

auf diesem wilden
Tisch.
18

Die kosmische und die Schreibensebene haben sich dergestalt miteinander eingelassen, daß die Luft und die Schrift gleichermaßen zur Erhellung taugen, die einen freilich schwer umschreibbaren Zustand Jenseits von Leidenschaften und dynamischen Veränderungen schafft. Der Gegensatz zu Celan ist der einer Geschichts-, ja Schicksallosigkeit, wo er als Geschundener stets die Wunde der im Gedicht eingebrachten Welt in der Sprache bezeugt.
Diese Wunde als Ursprung der Produktion teilt Celan mit Henri Michaux, der aber die notierende, aphoristische, tagebuchnahe, epische, wissenschaftlich beobachtende, fabel- und parabelähnliche Äußerung nicht minder häufig kennt als eine gedichtartige repetitive Folge von rhythmisierten Kontraktionen und Reduktionen, die Celan an ihm besonders beachtet hat. Das späte Gedicht „Vers la complétude“ von 1967 hat Celan mir kurz nach seinem Erscheinen als großes Beispiel vorgestellt.
Daraus einige Zeilen, in eigenem, unfertigem Übersetzungsversuch:

Nichts
einzig Nichts
„Nichts“ steht auf aus dem Schiffbruch

Größer als ein Tempel
reiner als ein Gott

„Nichts“ genügt
macht den Rest bedeutungslos
unerhörte, unwahrscheinliche
stillende Unbedeutendheit
Segnung durch das „Nichts“
in Ewigkeit
„Nichts“
das Herz erfreuend
an alle ausgeteilt

Der Tisch lebt von mir
ich lebe von ihm
Ist da ein solcher Unterschied?
Was gibt es, das so
ganz verschieden wäre
Mantel Tisch Gewebe Linde Hügel
Wildschwein verschieden nur
weil ähnlich
19

Dieses Gedicht hielt Celan für unübersetzbar in seiner Verbindung von abstrakten Einzelformeln und stets neu ausholender Bewegung syntaktisch gefügter Litanei. 1968 stand er dieser Dichtung besonders nahe. Vielleicht auch, weil in seinen Augen hier gelang, Poesie aus unpoetischem Material zu fertigen, Gesang aus unbeschönigten Worten, Formeln, Sätzen, Kunst aus radikaler Kunstlosigkeit.
Michaux ist ihm ein Wegweiser mit seinem Blick „durch die lodernden Null-Augen hindurch“.
20 Er lehrte ihn das „entwegte Übermaß“, war von allen von ihm übersetzten Dichtern der radikalste Poetologe der Abweichung, der gleichfalls aus der Dimension der Krankheit schafft.
Nur solche kompromißlose Fremdheit ließ Celan zuletzt gelten. Viele andere Dichterfreundschaften hielten dieser Forderung nicht stand. Michaux schilderte, wie sie im Gespräch sich begegnet sind jenseits der Sprache.
21
Diese wenigen Proben, zu denen sich viele weitere Beispiele finden ließen, mögen Ihnen gezeigt haben, daß es auch zu Celans späten Texten einen zeitgenössischen französischen Kontext gab, aus ähnlichem Stoff wie sie.
22

Bernhard Böschenstein, in Lothar Jordan, Axel Marquardt, Winfried Woesler (Hrsg.): Lyrik – Von allen Seiten. Gedichte und Aufsätze des ersten Lyrikertreffens in Münster, S. Fischer Verlag, 1981

 

Poesie und Engagement – Paul Celan und Erich Fried

In meinem Tübinger Arbeitszimmer sind an der Bücherwand, in einigem Abstand auf den Regalen, zwei kartonierte Blätter mit Gedichtabschriften aufgestellt; mir besonders lieber Gedichte, kalligraphisch angefertigt von meiner Tochter und meinem jüngeren Sohn: das eine vor zwanzig, das andere vor zehn Jahren. Damals haben beide Gedichte zusammengefunden. Seither habe ich mit beiden Gedichten gelebt. Täglich hat sie mein Blick gegrüßt. Sie haben auf mich geblickt. Sie sind mir innerlich nahe geblieben. Natürlich mit der gebotenen ,Schonzeit‘, die man jeglichem, das einem nahesteht und einen stark berührt, einräumen sollte. Eingedenk dieser Klausel, muß ich mich korrigieren: ich bin ihnen näher gekommen. Es sind Gedichte von der Art, für die das Englische die unübertreffliche Wendung bereit hat: they grow on you. Beide sind, mit Harald Bloom zu reden, ,strong poems‘, die man immer wieder lesen kann und muß. Das eine ist von Paul Celan, das andere von Erich Fried. Das von Celan aus dem Gedichtband Lichtzwang (1972) lautet:

ICH KANN DICH NOCH SEHN: ein Echo,
ertastbar mit Fühl-
wörtern, am Abschieds-
grat.

Dein Gesicht scheut leise,
wenn es auf einmal
lampenhaft hell wird
in mir, an der Stelle,
wo man am schmerzlichsten Nie sagt.

Das von Erich Fried aus dem Band Lebensschatten (1981):

BEVOR ICH STERBE
Noch einmal sprechen
von der Wärme des Lebens
damit doch einige wissen:
Es ist nicht warm
aber es könnte warm sein

Bevor ich sterbe
noch einmal sprechen
von Liebe
damit doch einige sagen:
Das gab es
das muß es geben

Noch einmal sprechen
Vom Glück der Hoffnung auf Glück,
damit doch einige fragen:
Was war das,
wann kommt es wieder?

Zwei sehr verschiedene Handschriften. Und unverkennbar in ihrer individuellen Prägung. Celans verfremdete Sprache. Die Verknappungen und Verdichtungen seines reifen und späten Stils. Das einzelne Wort, die einzelnen Silben profiliert, in Enjambement getrennt und konturiert. Die faszinierende Dunkelheit, die sich aufhellt im geduldigen Lesen. „Lesen Sie! Immerzu nur Lesen“, gemäß seiner methodischen Weisung. Das Verstehen komme von selbst. Ein Verstehen, das freilich nie zu Rand kommt. Unauslotbar wie das Leben. Eine Dichtung, die man als unkommunikativ etikettiert hat.
Dagegen die schöne Klarheit von Erich Frieds ebenmäßigen Sätzen, entschieden auf Mitteilung bedacht. Als „Crazie durch Folgerichtigkeit“ hat Peter Rühmkorf Frieds Dichten charakterisiert. Ein Gedicht, faszinierend nicht durch Dunkelheit, sondern durch Helle. In Duktus und Lexik nahe der diskursiven Prosa, doch von ihr kategorial geschieden durch die Kraft der Form. Das Mehr an Aussage der Poesie. Mehrdeutigkeit durch Intensität und Ordnung des Rhythmus, im Gang und Schnitt der Verse, ein Plus über die rhetorische Formung hinaus. Die potenzierte Innenspannung des Textes, in seiner Konstituierung aus dem Unbewußten, in der Austragung widerstrebender Impulse und widersprüchlicher Worte, auf knappem Raum. Die logische Klarheit der Aussage, sich öffnend dem dunklen Grund des Lebens. Sein Unkalkulierbares, Inkommensurables bestimmt wesentlich das dichterische Sprechen, wenn auch in unterschiedlichem Grad. Wesentlich ist die Qualität des Spontanen, Unvorhersehbaren, Überraschenden. Treffend charakterisiert Rühmkorf Frieds poetische Strategie, „die, scheinbar zögernd, rechtens abwägend, dann aber wieder unvorhergesehen zupackend […] Wahrheit vor Augen führt als eine frisch erkannte, neu aus dem Staub gezogene“. Die Aussage, als dramatischer Prozeß ablaufend und erfahrbar. Ein ,Dennoch‘ abgerungen dem Zweifel, der Verzweiflung. Ein ,Noch einmal‘ gegen den Sog der Resignation, gegen die totale Kapitulation vor einem inhumanen Weltzustand. Im achtsamen Lesen fallen die Wörter mit dem ihnen zukommenden Gewicht, erschließt sich das Gedicht in seiner ganzen Intensität und Bedeutsamkeit.
Ich frage nach dem Spezifikum des Poetischen, das sich in den unterschiedlichsten Formen manifestiert. Als wesentliches Ferment in den verschiedenen Legierungen. Ich frage nach seinem Stellenwert im Leben und Wirken von Erich Fried, nach dem Verhältnis von Poesie und Engagement, dem Engagement für eine humane Welt. Poesie ist m.E. ihrer Natur nach eine anthropologische Konstante, ein wesentliches Humanum, das sich unter den verschiedenen Zeitbedingungen, gegen die Folie des Wandels von Sprache und Bewußtseinsstufen, unterschiedlich realisiert. Lyrik impliziert ein besonderes Sensorium für die Sprache und postuliert eine besondere Art des Sprechens, auch und gerade, wenn sie der idiomatischen Sprache sehr nahe kommt, von ihrem Grund und Untergrund immer wieder aufgefrischt und verjüngt. Lyrik impliziert den Blick auf die Wörter selbst, statt nur durch sie hindurch, in ihrer bloßen Verständigungsfunktion. Lyrik intendiert die volle Entfaltung der Sprache. Sie ist, in der schönen Formulierung Sartres, ,Dienst an der Sprache‘. Sie ist aber zugleich, ihrem Wesen nach, Sprache des subjektiven Ausdrucks in ihrer rhythmisch-klanglichen Gestaltung. Das Wesensmerkmal des subjektiven Ausdrucks ist keineswegs auf die Domäne des subjektiven Autonomiebewußtseins beschränkt, das im zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts in einer Revolution der Lyrik zum Durchbruch kam, als Wirkung des emanzipierten Elans der Aufklärung. Auch in ihrer Einbindung in gesellschaftliche und transzendentale Heteronomien hat sich, durch sie bestimmt und in Spannung zu ihnen, Subjektivität bekundet und erweist sich als konstitutiv für den Text. Und anderseits, durch alle Krisen des modernen Bewußteins spricht noch immer ein lyrisches Subjekt als persönliche Stimme.
Es besteht ein innerer Zusammenhang zwischen dem Engagement für die Sprache und dem Engagement für die Sache, die nach Ausdruck verlangt. Sie ist von affektivem Tiefgang und darin eminent persönlich, ist aber nicht auf den konkret persönlichen Motivbereich beschränkt, auch nicht in seiner existentiellen Vertiefung und Ausweitung. Die politischen Gedichte Erich Frieds entstammen demselben, doppelt konstituierten poetischen Impuls wie seine inhaltlich anders motivierten Gedichte. Die Gemeinsamkeit der Genese bezeugt ihre innere Verbundenheit. Der Grad der persönlichen Involviertheit macht die Trennung des Politischen vom Privaten hinfällig. Erich Fried sagte:

Ich muß das schreiben, wovon ich wirklich erfüllt bin. […] Deswegen ist die Frage, ob ich auch politische Gedichte schreibe, gar keine Frage.

Und im selben Interview:

Vietnam war nur ein Ereignis in einer Kette von Ereignissen. […] Ich habe diese Gedichte geschrieben, weil mir diese Vietnam-Dinge ungeheuer zu Herzen gingen.

Zugleich ist Frieds sprachliches Engagement auch immer ein politisches. Der kreativen Lust an der Quellkraft der Sprache verbindet sich, in Spannung zu ihr, der sprachkritische Impetus in aufklärerischer, erzieherischer Intention, den gedankenlosen und betrügerischen Mißbrauch der Sprache bewußt zu machen. Die Verderbnis der Sprache ist Spiegel und Symptom, Ursache und Folge des vergifteten Denkens und wahnwitzigen Handelns. Deshalb ist die Sprache selbst ein Politikum und die Erziehung zum Zweifel an ihrem eingefahrenen Funktionieren die vornehmlichste politische Aufgabe eines Schriftstellers. Niemand ist sich dieser Zusammenhänge so klar bewußt gewesen und hat diese Aufgabe so leidenschaftlich insistent zu seiner Lebensaufgabe gemacht wie Karl Kraus: der scharfsichtige Diagnostiker des Übels am unscheinbaren Symptom, der als unerbittlicher Sprachkritiker auch, für ihn untrennbar, radikaler Zeitkritiker war. Der locus classicus dieser Einsicht findet sich in dem Essay „Die Sprache“. Dort heißt es:

Nichts wäre törichter, als zu vermuten, es sei ein ästhetisches Bedürfnis, das mit der Erstrebung sprachlicher Vollkommenheit geweckt und befriedigt werden will. […] Abgründe dort sehen zu lehren, wo Gemeinplätze sind – das wäre die pädagogische Aufgabe einer in Sünden erwachsenen Nation, wäre Erlösung der Lebensgüter aus den Banden des Journalismus und den Fängen der Politik.
Am Ende seiner schönen „Rede auf Erich Fried“ zitiert Hans Mayer Frieds frühes Sonett, „Für Karl Kraus“ überschrieben. Es schließt mit dem Terzett:

Und rühmend darf man dieses von dir sagen:
An ihren Worten hast du sie erkannt,
Mit ihren Worten hast du sie geschlagen

Erich Fried steht in der Nachfolge von Karl Kraus, nicht der „Worte in Versen“ (an die das jugendliche Sonett erinnern mag). Das Verbindende ist der der Sprache zuerkannte Primat, nicht als mythische Transzendenz und ästhetische Verabsolutierung, sondern in ihrer Schlüsselstellung in der menschlichen Lebenstotalität. Sie erfordert das schriftstellerische Ethos eines Dienstes an der Sprache, der sich der Lebenspraxis nicht versagt, als Poesie den kommunikativen Charakter der Sprache wahrt, und, im Bewußtsein ihrer politischen Implikationen, gegen ihre Verdrehung und Entleerung das rechte und lebendige Wort ins Bewußtsein hebt. Unter diesen Koordinaten wird die Sprache für Fried zum Gegenstand seiner Lyrik.
Sie erfaßt die Welt im Spiegel der Sprache. Wie Kraus kennzeichnet Fried das „ernste Wortspiel“ in reicher Palette, sowie die Technik des wörtlichen Zitierens von Gemeinplätzen im veränderten Kontext. Die Friedsche Lyrik ist ein vielseitiges Befragen der Sprache im Spannungsfeld der möglichen Bedeutungen, im Gegensatz von normativer Fixierung und imaginativem Spiel mit den Wörtern, mit seinen Permutationen und Paradoxien, das den festgefahrenen, unbedachten Sprachgebrauch durchbricht, verfremdet und problematisiert und, gemäß seiner aufklärerischen Intention, seine Schlagkraft zur Überführung eines falschen Bewußtseins erweist. Der gebotene methodische Zweifel an der Sprache betrifft ihren Mißbrauch, richtet sich nicht gegen die Sprache selbst. Das war die Position von Karl Kraus, dessen Kampf gegen die durch Gewohnheit verbrauchte und ideologisch verdorbene Sprache nur die andere Seite seiner hohen Wertung der Sprache ist. Es ist eine von der radikalen Sprachskepsis Fritz Mauthners grundverschiedene Position. „Der Zweifel“ war für Karl Kraus, „die große moralische Gabe, die der Mensch der Sprache verdanken könnte“, „wäre die rettende Hemmung“. In seinem großen Gedicht „Zweifel an der Sprache“ (sein Beitrag zu dem Grazer Colloquium von 1973 unter diesem Motto) behandelt Erich Fried das immer wieder diskutierte Thema modo lyrico und trägt das Für und Wider der Positionen dialektisch aus. Die Berechtigung und Notwendigkeit des Zweifels wird anerkannt, die ihm gezogene Grenze wird empirisch evident, der Zirkel der Sprachgebundenheit aller Sprachskepsis löst sich in einem unabdingbaren Sprachvertrauen:

Wenn der Zweifel zur Sprache kommt
kommt auch die Sprache zum Zweifel.

Erich Frieds poetischer Impuls verbindet das Private und das Öffentliche, das Persönliche und das Politische aus innerer Notwendigkeit. Ein innerer Nexus macht sein Engagement für die Sprache zu einem politischen, sein politisches zu einem sprachlichen, da er die Sprache als ein Politikum begreift und die politischen Phänomene in ihrer sprachlichen Spiegelung erhellt. Für Erich Fried ist Poesie nicht „die Magd der Politik“. Es sei dagegen ihre „Hauptaufgabe“, „wie aller Kunst“, so bekannte er, „gegen die Entfremdung zu kämpfen – für das wirkliche Hören, Sehen, Fühlen, Denken gegenüber den Schablonen und den denkfeindlichen und sehfeindlichen Mustern unserer Gesellschaft. Dabei ergibt sich natürlich das politische Engagement bis zu einem gewissen Grad von selbst“. Der poetische Impuls Erich Frieds ist ein zutiefst humaner, dem Geist der Aufklärung wesenhaft verbunden. Er sucht den persönlichen Ausdruck überpersönlicher Belange, als sprachliche Individuierung intensiver subjektiver Erfahrung. Durch seine sprachliche Intensität liegt das Gedicht quer zum flüchtigen und anonymen Sprachgebrauch massenkommunikativer Routine. Es sucht den persönlichen Bezug, Die ihm gemäße Rezeption verlangt erhöhte Achtsamkeit.
Aber damit ist natürlich noch nicht alles gesagt. Erich Frieds Engagement ist poetischer Natur. Doch das Poetische geht in dieser Bestimmung nicht auf. Poesie ist ein Sprechen uralter Herkunft, aus magischem und mythischem Erbe. Sie bewahrt „in der fertigen Sprache“ die Qualität eines „ersten Sprechens“ (Max Kommerell). Eingebunden in die Bildung und Schrittmacher eines modernen Bewußtseins, bleibt sie ein widersprüchlicher und anarchischer Faktor. Poesie lebt aus der Öffnung ins Vor- und Unbewußte. Was keineswegs eine ,écriture automatique‘ bedeutet. Das Modell seiner Strukturierung, das T.S. Eliot entwarf, ist einleuchtend. Von den three voices of poetry ist die eine Stimme die des Autors, der zu seinen virtuellen Lesern spricht; eine andere ist das Sprechen in einer angenommenen Rolle; hinzu kommt aber jene Stimme, die unabhängig ist vom bewußten Willen des Autors, die wie von selbst kommt. Diese Stimme äußert sich nach Eliot in der ,Komplexität des Details‘ und in der Besonderheit der ,Wendungen‘ und ,Bilder‘. In der Spannung zur rationalen Struktur des Werks bestimmt sie seine rational nicht faßliche Textur. Als Synthese von ,structure‘ and ,texture‘ begreift Eliot das Gedicht. In der Evidenz der Textur ortet er die Dimension des Poetischen.
Stilistische Symptome des Poetischen sind die Inkonsequenzen in der Realisierung des Entwurfs („an image, which ,came‘, which did not develop simply out of what precedes but which was probably in suspension in the poet’s mind“, heißt es bei Eliot). Es sind das Weglassen und Durchbrechen der Argumentationsschritte, das Andeuten und der raschere Gang, die Gewichtung der Nebenmotive in der Verdeckung und Verschiebung der logischen Sequenz, die überraschenden Volten, die frappierende Plötzlichkeit der Pointe. Das Poetische bei Erich Fried, mit allen Zeichen seiner Herkunft aus dem Unbewußten, treibt das Denken voran und schärft die Ratio als ihr Verbündeter.
Alexander von Bormann hat die rhetorische Strukturierung der Gedichte Erich Frieds in präziser und differenzierter Systematik herausgearbeitet und hiermit ihren Kunstcharakter eindrucksvoll demonstriert. Von Bormann akzentuiert den Begriff der „Wörtlichkeit als zentrales Theorem der Friedschen Lyrik“ (gegenüber dem Primat der Bildlichkeit) und sieht dieses individuelle poetologische Prinzip als überindividuelles zeitgenössisches Phänomen, begründet in der Reaktion der Poeten „auf eine zunehmend sprachlich verfaßte Wirklichkeit“. Sie wird als „Rückwendung der Poesie zur Rhetorik“ diagnostiziert, was einer Tendenz der zeitgenössischen Lyrik entspreche. Selbstverständlich handelt es sich um einen veränderten Rhetorikbegriff. Die bei Fried aufgezeigten „Redefiguren der Wörtlichkeit (Tropen)“, wird betont, „dienen nicht im traditionellen Sinn als Schmuck für die Texte (ornatus), sondern sind strukturbestimmend eingesetzt“. Hier wird kaum jemand widersprechen. Auch nicht bei der Feststellung, daß der herkömmliche „Subjekt-Begriff“ in der modernen Lyrik „entthront“ wurde, mit dem wichtigen Zusatz, daß das Subjekt dennoch nicht „aufgegeben“ sei. Denn ungeachtet aller Problematisierung läßt sich die Grunderfahrung der Subjektivität nicht aus der Welt schaffen. Und durch alle moderne Identitätsverunsicherung hindurch, in Ichspaltung und mannigfacher Transzendenz, Rollenspiel und Maske, bekundet sich in der großen Tradition der modernen Lyrik die kreative Potenz des ,lyrischen Ich‘. Es ist ihm eigen, daß es sich nicht setzt, sondern sucht, daß es erst aus der Bewegung des Textes entsteht, sich in ihr herausbildet. Darin habe ich stets ein Merkmal der modernen Lyrik gesehen. Alexander von Bormann präzisiert den Sachverhalt, wenn er schreibt, „das Konzept ,Wörtlichkeit‘ geht davon aus, daß es diesen vorsprachlich gedachten Sinn gar nicht gibt, […] daß der Leser […] am Sinnbildungsprozeß beteiligt“ ist. Und er führt als Beispiel „die sinnbildende Verwendung der ,Tropen‘“ bei Erich Fried an:

Damit deutet er auf die Macht der Signifikanten, auf Fügungen, die den verfügenden Gestus des Subjekts relativieren.

Das ist es genau. Doch die folgende Aufzählung und Beschreibung der in Frieds Gedichten verwendeten rhetorischen Figuren genügt nicht zur Charakterisierung ihrer „sinnbildenden Verwendung“. Zwar wird überzeugend demonstriert, „wie vielfältig geformt die angeblich formlosen Gedichte Frieds in Wirklichkeit sind“, doch jene „Fügungen, die den verfügenden Gestus des Subjekts relativieren“, sind dadurch noch nicht erfaßt.

Es ist das Spezifikum des Poetischen, um dessen nähere Bestimmung es mir geht. Die Herausarbeitung der rhetorischen Verfahrensweisen ermöglicht die angemessene Analyse von Frieds Lyrikstil. Sie ist wichtig für das Verständnis der Struktur eines Gedichts. Ausgeklammert ist aber noch die ,Textur‘ im Sinne Eliots, darin er die Essenz des Poetischen ortet. Die angewandten Verfahrensweisen an sich ergeben noch keinen Aufschluß über die Art ihrer Anwendung. Diese erschließt sich im Nachvollzug der individuellen Textbewegung in ihrer konkreten Gefügtheit. Aufzuweisen ist das Element des Poetischen als ihr Konstituens (als Faktor, der die Bewegung steuert). Alexander von Bormann sieht die Lyrik Erich Frieds in der Perspektive der „Versöhnung von Rhetorik und Poesie“ (der Untertitel seines Artikels). Versöhnung setzt Streit voraus. Im Verlauf ihrer Geschichte hatte sich die Gattung Lyrik von ihrer traditionellen Verbindung mit der Rhetorik gelöst und der Begriff des ,Lyrischen‘ hatte sich als Antithese formiert. Versöhnung hat eine Veränderung der poetologischen Position zur Bedingung. Ebenso postuliert ihr Begriff die Differenz der Kontrahenten, deren wiedergewonnene Partnerschaft ja nicht als Einebnung der Gegensätze verstanden werden will, vielmehr Widerstreit und Spannung impliziert. Denn die Rhetorik subsumiert keineswegs die Poesie. Sie bewahrt ihren eigenen Status in einem Überschuß über die auktoriale, zielgerichtete Rede. Auch die kühnste rhetorische Figur holt die hier gemeinte Sageweise nicht ein, weil sie einer anderen Intention entspringt. Der statuierte Machtzuwachs der Signifikanten, der „den verfügenden Gestus des Subjekts relativiert“, ist der Bereich der Poesie – und ihre Gefahrenzone. Hierauf verweist die Überschrift des Artikels Alexander von Bormanns „Ein Dichter, den Worte zusammenfügen“, mit Bezug auf das darin zitierte Gedicht Erich Frieds:

FÜGUNGEN

Es heißt
ein Dichter
ist einer
der Worte
zusammenfügt

Das stimmt nicht

Ein Dichter
ist einer
den Worte
noch halbwegs
zusammenfügen

wenn er Glück hat

Wenn er Unglück hat
reißen die Worte
ihn auseinander

Die Worte sind der freien Verfügbarkeit des Autors entzogen: die Wörter mit ihrer eigenen Natur, ihrer eigenen Geschichte, ihrer Eigenmacht. Das ist die fundamentale Erfahrung des genuinen Lyrikers. Die Konfrontation mit dem Wort in seiner Physis und seinen Konnotationen; bezaubernd, treffend und tröstend, dann wieder sich entziehend, erkaltet und entstellt, befremdend und bedrohend. Paul Celan sprach von der „Freude […] über jedes neuerworbene, selbsterfühlte erfüllte Wort, das herbeieilt, den ihm Zugewandten zu stärken“. Aber sein Gedicht ist geängstigt von den „Doggen“ der „Wortnacht“ („die Doggen / schlagen nun an / mitten in dir“). Zwischen „Mein Wort errette mich“, dem noch hoffenden Anruf (und sei es ein ,sperare contra spem‘) im Gestus des Gebets und dem „Ihr Worte, auf, mir nach!“, der resignierenden Absage, ist Ingeborg Bachmanns lyrisches Œuvre gespannt.
Dann wiederum Ilse Aichingers Vis-à-vis mit der Sprache, die Sprache im geheimen Bund mit ihr:

Meine Sprache und ich.

Ich deute auf Züge eines dichterischen Sprachbezugs aus Schicksalsgemeinschaft und Zeitgenossenschaft. Ihre prinzipielle Voraussetzung ist ein Sensorium für das Wesen und Leben der Sprache, das der Begriff des verfügbaren Wortmaterials nicht abdeckt.
Dieselbe Erich Fried gewidmete Nummer von Text + Kritik, in der Alexander von Bormann Frieds rhetorische Strukturen darstellt, enthält Michael Hamburgers Notizen zu Erich Fried unter dem Titel „Schreiben ohne Anker“. Darin wird Frieds Lyrik als „durchaus nicht rhetorisch“ charakterisiert. Zu dieser Beurteilung gelangt Hamburger, weil er nicht die Disziplin der rhetorischen Strukturen, sondern die Freiheit der stupenden Wortassoziationen im Blick hat. Weil Fried, so Hamburger, „seine Sprache treiben ließ, ein Schreiben ohne Anker pflegte, den Wortassoziationen einen ungewöhnlich freien Lauf ließ.“ „Das tat er unter anderem darum“, fährt Hamburger fort, „weil seine Gesellschaftskritik von Anfang an weniger aus der Ideologie als aus der Psychologie hervorgegangen war. Die freien Wortassoziationen öffneten ihm das Unbewußte, und zwar sowohl das eigene wie auch das allgemeine und kollektive.“ Dies bedeutet keinen Widerspruch zum politischen Engagement Erich Frieds und der politischen Intention seines Dichtens. Es verlangt jedoch, daß der Interpret seiner poetischen Texte der hier angesprochenen Dimension Rechnung trage, die sie motiviert hat und ihnen inhärent ist. Hamburger zitiert den Satz von W.B. Yeats, „daß Poesie, im Gegensatz zur Rhetorik, nicht aus dem Streit mit anderen, sondern aus dem Streit mit sich selber entsteht“. Er hebt hervor, daß im Gegensatz zu der in der westdeutschen politischen Lyrik der 60er Jahre vorherrschenden Richtung, Erich Fried „das Persönliche und Subjektive nie ausgeschlossen hat“. Er verweist auf „die Sprachvirtuosität und die Sprachskepsis eines Lyrikers“ in ihrer prinzipiellen Spannung zur Intention des Engagements. Und zum Abschluß seiner Notizen erinnert er an die Situation des Dichters im Exil, der „vor allem durch seine erste Sprache eine Kontinuität errungen und bewahrt hat“. Ich werde auf diesen gewichtigen Aspekt noch zurückkommen.
In Frieds Roman Ein Soldat und ein Mädchen steht der autobiographisch fundierte Satz:

Er hat es [das ernsthafte Wortspiel] anscheinend aus der neueren Literatur seiner zweiten Heimat übernommen.

Sicher hat das „ernsthafte Wortspiel“, eine Prägung Frieds und das zentrale Bauelement seiner Lyrik, aus dem Reich von Alice in Wonderland und James Joyce wesentliche Anregungen erhalten. Aber auch zu einem literarischen Habitus seiner ersten Heimat besteht eine unverkennbare Familienähnlichkeit, um nur nach den Aphorismen von Karl Kraus an die umwerfenden und hintergründigen Wortspiele von Ernst Jandl zu denken.
Der zitierte Satz aus Frieds Roman – sein alter ego hat das ernsthafte Wortspiel „anscheinend aus seiner zweiten Heimat übernommen“ – hat die Fortsetzung:

aber bis an die Grenze des Möglichen weitergeführt.

Die sprachliche Quellkraft der Wortassoziationen ist ein Grundimpuls von Frieds Poesie. Die Lust am Sprachspiel ist elementare Motivation. Hamburgers Wendung „Schreiben ohne Anker“ (als Gesamtformel für Frieds Schreiben sicher nicht adäquat) signalisiert das Manische des Schreibprozesses und deutet auf Hintergründe und Gefahrenzonen. Doch die Tatsache, daß Fried „seinen Wortassoziationen einen ungewöhnlich freien Lauf ließ“, ist auch die Voraussetzung für die besondere Qualität seines Dichtens ,von der Sprache her‘. Bei seinem Spiel mit der Sprache, das natürlich die Freude am Absurden impliziert und etwa seine Affinität zu Hans Arp begründet (wunderbar bezeugt in dem poetischen Postskript „kaspar ist tot“), war von Anfang an die Lust am Spiel mit der Suche nach Erkenntnis innerlich verbunden. Dabei nahm im Verlauf seiner dichterischen Entwicklung das Wortspiel quantitativ ab, ohne an Bedeutung zu verlieren. Es wurde gezielter eingesetzt. Fried ließ seine Sprache ,weniger treiben‘. Das Klangliche verlor seine Bedeutung für die assoziative Verkettung, etwa von der Art wie „Vielleicht ist er nie ein Soldat gewesen. Wie leicht ist er nie ein Soldat gewesen“ (Ein Soldat und ein Mädchen). Statt eines musikalischen, welligen Dahinfließens dient das pragmatisch pointierte Wortspiel struktureller Verfestigung. So kann fast der Eindruck von Reimen entstehen (wie Erich Fried selbst anmerkt); das Wortspiel klingt wie ein Endreim und hat, wie in diesem berühmten Beispiel, dessen strukturierende Funktion:

LOGOS

Das Wort ist mein Schwert
und das Wort beschwert mich

Das Wort ist mein Schild
und das Wort schilt mich

Das Wort ist fest
und das Wort ist lose

Das Wort ist mein Fest
und das Wort ist mein Los

In der zitierten Romanstelle heißt es weiter:

Ich glaube, diese sogenannte Wortspielerei verschafft einem eine Art Gegengewicht, wenn alles rund um einen her einstürzt.

Gisela Lindemann hat die vitale Funktion, welche die „sogenannte Wortspielerei“ für den Spielenden besaß, in den Blick gerückt (in ihrem so manches zurechtrückenden Beitrag zu Frieds 60. Geburtstag). Dort schreibt sie, ihm sei die Wortspielerei

zum Netz im doppelten Sinne geworden: indem sie ihm einerseits atemberaubende Trapezkünste erlaubt, blitzartige Erkenntnisse, Aufschlüsse, Zusammenhänge, und ihm anderseits den Boden vergittert: den Boden der Erinnerung, auf den jede schöpferische Phantasie angewiesen ist. Erich Frieds Weg zum Wortspiel ist ein Fluchtweg. Denn alle seine Versuche, seiner Kindheitserinnerung habhaft zu werden, geraten unabweislich zu Aufzeichnungen von Alpträumen, wie in den Schriften des Soldaten […]. „Da muß man tiefer hinunterfahren, nicht mit dem Aufzug, sondern mit dem Abzug, der einem alle Häute abzieht“, heißt es zu Beginn der kurzen Skizze „Die Hausreise“ in Kinder und Narren, einem Versuch, nichts als die reine Bewegung der Wegsuche in einer Kindheitserinnerung festzuhalten. Sie endet, nach knapp vier Seiten, ebenso überraschend mit einem Wortspiel („Und das ist auch sicher das, was die Großen meinen, wenn sie fragen, ob einem der Knopf aufgeht.“), wie es am Anfang durch ein Wortspiel in Gang gesetzt wurde. Das Sprachgitter verhindert im letzten Augenblick die Selbstaufhebung: das Verstummen des Autors vor dem weißen Papier.

Wir sind dem Faktor des Unbewußten in der Genese und Komposition von Frieds Lyrik auf der Spur. Als Orientierung dient die Einsicht von Helmut Heißenbüttel:

Was Erich Fried wie keinem anderen gelungen ist […], ist die Öffnung des Unbewußten und Unterbewußtseins des Sprachakts selbst. Das Aufscheinenmachen des Untergrunds im Sagen des Offensichtlichen.

Was den Sprechakt unterbewußt motiviert und vorantreibt, wird in der dichterischen Form transparent. Ein Beispiel:

IM FRIEDEN

„Schwere Zeiten“
sagte das Blei zum Studenten

„Wie sich’s trifft“
sagte das Blut zum Stein

„Ohne Sorge“
sagte die Ruhe zur Ordnung

„In Gottes Namen“
sagen die Träger zum Sarg

Vier Zweizeiler ohne syntaktische Verbindung. Keine Linien sind ausgezogen, weder eines narrativen noch eines argumentativen Zusammenhangs. Punkte. Unmittelbar wirksam der Konnex der Form: der gleiche rhythmische Bau (die kurze von der langen Zeile gefolgt, der Satz auf die beiden Hälften verteilt, die zweite anaphorisch anhebend mit dem gleichen Satzprädikat: dreimal „sagte“, das vierte mal „sagen“, der Wechsel vom Präteritum zum Präsens als Indikator eines stattgefundenen Prozesses, eine geringfügige Veränderung im Morphen: hat semantisches Gewicht). Vier abgenutzte Redensarten, syntaktisch isoliert, rhythmisch profiliert, werden durch die ergänzende Aussage verfremdet und mit Bedeutung zu höchster Intensität aufgeladen. Das Überraschungselement jeder Aussage steigert sich von Vers zu Vers und erhält im dritten Verspaar durch die Doppelbedeutung, die der Beschwichtigungsformel „Ohne Sorge“ im Bezug auf den tragischen Tod des Studenten Benno Ohnesorg zuwächst, in einer Volte bitterster Ironie, einen Höhepunkt. (Zur Erinnerung an den geschichtlichen Augenblick, der in die Legende entrückt oder bereits vergessen ist: Am 2. Juni 1967 wurde, nach einer monatelangen antistudentischen Hetze der Springer-Presse, bei einer Demonstration gegen den Besuch des persischen Schah in Berlin der unbewaffnete Student Benno Ohnesorg von dem Polizeimeister Karl-Heinz Kurras erschossen. Aus der Empörung darüber sprang der Funke der Rebellion von Berlin auf die übrigen deutschen Universitäten. Der dem Begräbnis in Hannover folgende Studenten-Kongreß war Ausgangspunkt für die Formierung der Revolte und kritischen Nachdenkens.)
Das zunächst verdeckte Thema der Studentenrevolte und des Polizeiverbrechens tritt blitzartig hervor in geschichtlicher Konkretheit und persönlicher Zuspitzung. Nach den tödlichen Schüssen das Begräbnis, Sarg und Sargträger, und die entleerte Formel frommer Gläubigkeit als ironische Klimax, in der emphatischen Kadenz der Assonanz lyrisch ausschwingend:

sagen die Träger zum Sarg.

Aus der ironisch gebrochenen Aussage ohnmächtiger Resignation spricht aber leidenschaftliche Empörung und Wille zur Veränderung. Die geistige Energie der Form widersetzt sich und widerspricht der Ohnmacht. Zwischen den diskontinuierlichen Punkten scheint im Lesen ein prozessualer Zusammenhang auf, der im Text selber nicht vorgegeben und nachvollziehbar ist. Der in seinen Teilen durchaus diskursive und verständliche Text fügt sich vorerst in keinen diskursiven Zusammenhang (narrativ oder argumentativ), bietet dem Leser auch kein Identifikationsangebot und richtet an ihn keinen Appell, sondern er zieht ihn in die Bewegung mit hinein. Diese Bewegung vollzieht sich überraschend, spontan aus Impulsen der Sprache, aus der Spannung in den offengelegten -Schichten der Sprachstruktur-, der Spannung vordergründiger und hintergründiger Bedeutung zumal im „ernsten Wortspiel“; mitgesteuert aber zugleich von dem seelischen Untergrund des rationalen Arguments. Aus diesen Spannungen konstituiert sich das gelungene Friedsche Gedicht in seiner Intensität und Klarheit.
Das kurze Gedicht „Der Augenblick des Opfers“ in der völlig überraschenden Kehrtwendung seiner Schlußvolte resultiert aus dem Gegensatz der Bedeutungen von ,sacrifice‘ und ,victim‘, die das deutsche Wort bedenkenlos vereint. Das Gedicht:

DER AUGENBLICK DES OPFERS

Er ist opferbereit
er steht
zu seinem Opfer

Er versteht
die Notwendigkeit
seines Opfers

Er entschließt sich
nicht mehr zu warten
mit seinem Opfer

Er überwindet die Schwäche
die ihn abhält
von seinem Opfer

Sein Opfer
reißt sich los
und läuft schreiend davon

Das große poetologische, zyklische Gedicht „Vexierbild“, mit Anklängen an Ezra Pounds „Hugh Selwyn Mauberley“, ist ganz aus der Reibung von „Vexierbild“ und der kindlichen Variante ,Fixierbild‘ entwickelt. Das „Schwächer“ überschriebene Gedicht (aus dein Band Anfechtungen) ist als formklares Frage- und Antwortspiel bewegt von dem Grundimpuls unterschwelliger Angst und gerade wieder von beklemmender Aktualität (als „Diskurse der Angst“ begriff eine jüngere, sensible Tübinger Interpretin Gedichte Frieds im Blick auf ihre Textstruktur).

2
Ich wende mich jetzt Celan zu und möchte uns die Eigenart seines Dichtens in Erinnerung rufen, um sie mit der Eigenart Frieds zu konfrontieren, unter der Perspektive der Dialektik von ,Poesie und Engagement‘ als gemeinsamem Bezugspunkt – um in der Konturierung der individuellen Eigenart beider Dichter zugleich die Koordinaten geistiger und poetischer Gemeinsamkeit herauszustellen, jenseits simplifizierender Antithesen.
Das wichtige Celan-Buch von Marlies Janz (1978) hat unter dem Titel Vom Engagement absoluter Poesie die Dichtung Celans als Synthese der beiden antithetischen Begriffe gedeutet und gegen das schiefe Vorurteil des ,Weltflüchtigen‘ und ,Elitären‘ und ,Leserfeindlichen‘ wirkungsvoll verteidigt. Sehr zu Recht befindet Hans Dieter Schäfer in seiner Bilanz der deutschen Nachkriegslyrik, daß in den fünfziger Jahren die „Wirklichkeits- und Lebensbezüge im wesentlichen von der hermetischen Strömung bewahrt“ wurden. Gemeint ist der Gedichttypus, wie er neben Celan in den Gedichten von Ingeborg Bachmann, Günter Eich, Ilse Aichinger, Johannes Bobrobwski und Erich Arendt, nicht zuletzt im Spätwerk Peter Huchels individuell realisiert worden ist. Gemäß der Technik des Symbolismus ist eine Technik des Andeutens und Aussparens konstitutiv. Zeitgeschichtliche und autobiographische Erfahrungen sind wesentliche Elemente des Gedichts. In den poetischen Andeutungen erscheinen sie aber stiltypisch verborgen und verflüchtigt. Schäfer spricht von einer „Verhauchung des Materiellen“. „Diese radikale, auf das Subjekt konzentrierte Lyrik fragmentierte persönliche Grunderlebnisse und schuf so Leerstellen, mit denen sich der Leser aktiv auseinandersetzen kann.“ Erwartete Zusammenhänge werden angesprochen. Es entsteht eine Löcher-Struktur, die der Leser, dessen Aufmerksamkeit geweckt ist, ausfüllen muß.
Celan selbst mochte das Etikett ,hermetisch‘ nicht. Er dachte dabei an verschlüsselte Botschaft mit dem dazu passenden Schlüssel, den der Leser nur zu finden bräuchte, um ihres Sinnes habhaft zu werden. Er hatte keine Botschaft, die in einer Formel aufginge. Es gab keinen Sinn, der sich aus der Sprache des konkreten Gedichts unbeschadet herauslösen ließe. Interpreten haben im Grundsätzlichen geirrt, wenn sie darangingen, die eminent persönliche Sageweise des Gedichts, die genaueste Achtsamkeit erfordert, auf die paraten Begriffe des allgemeinen Diskurses zu reduzieren. Das Wort, mit dem Celan sein Dichten charakterisiert, ist „Seelenrealismus“. In einem von Hugo Huppert aufgezeichneten Gespräch, das er im Dezember 1966 mit Celan in dessen Pariser Wohnung geführt hat, heißt es:

Auch musiziere ich nicht mehr, wie zur Zeit der vielbeschworenen „Todesfuge“, die nachgerade schon lesebuchreif gedroschen ist […]. Das Zeichnerische liegt mir näher, [und in Bezug auf die graphische Kunst seiner Frau] nur schattiere ich mehr als Gisèle, ich verschatte absichtlich manche Kontur, um der Wahrheit der Nuance willen, getreu meinem Seelenrealismus. Und was meine angebliche Verschlüsselung anlangt, ich würde eher sagen: Mehrdeutigkeit ohne Maske, so entspricht sie exakt meinem Gefühl für Begriffsüberschneidung, Überlappung der Bezüge.

Und weiter in diesem Zusammenhang:

Ich trachte sprachlich wenigstens Ausschnitte aus der Spektralanalyse der Dinge wiederzugeben, sie gleichzeitig in mehreren Aspekten und Durchdringungen zu zeigen: mit nachbarlichen, nächstfolgenden, gegenteiligen. Weil ich leider außerstande bin, die Dinge allseitig zu zeigen. – Ich bleibe in meinen Sachen sinnfällig, sie prätendieren niemals aufs ,Übersinnliche‘, das liegt mir nicht, das wäre Pose. Ich lehne es ab, den Poeten als Propheten hinzustellen. […] Ich versuche, Ihnen zu erklären, weshalb ich meine angebliche Abstraktheit und wirkliche Mehrdeutigkeit für Momente des Realismus halte.

Celan versteht seine dichterische Welterfassung ihrem Wesen nach als Realismus. Die fundamentale Intention seiner Poesie ist es, sich „Wirklichkeit zu entwerfen“: Er habe „Gedichte zu schreiben versucht: um zu sprechen, um mich zu orientieren, um zu erkunden, wo ich mich befand und wohin es mit mir wollte, um mir Wirklichkeit zu entwerfen“. Denn:

Wirklichkeit ist nicht, Wirklichkeit will gesucht und gewonnen sein.

Es ist der Kardinalsatz seiner Poetik. Wirklichkeit als Restitution des gebrochenen Bezugs von Innen und Außen, dem humanen Subjekt und der faktischen Realität. Um aber Wirklichkeit adäquat darzustellen, bedarf es des Perspektivismus mehrerer Aspekte und des ,In-Eins-Sehens‘ im sprachlichen Bemühen um Simultanität, bedarf es der Mehrdeutigkeit. Celans Gedicht hat teil an den Techniken der modernen Poesie, die gekennzeichnet ist (in seinen Worten) durch das „rapidere Gefälle der Syntax“ oder „den wacheren Sinn für die Ellipse“. Seiner Gedichtsprache „geht es, bei aller unabdingbaren Vielstelligkeit des Ausdrucks, um Präzision. Sie verklärt nicht, ,poetisiert‘ nicht, sie nennt und setzt, sie versucht, den Bereich des Gegebenen und Möglichen auszumessen. Freilich ist hier niemals die Sprache selbst, die Sprache schlechthin am Werk, sondern immer nur ein unter dem Neigungswinkel seiner Existenz sprechendes Ich, dem es um Kontur und Orientierung geht“.
Und weil sein Gedicht dieser Wirklichkeit, die „gesucht und gewonnen“ werden muß, gerecht werden will, ist Dunkelheit ein konstitutives Element:

Ich verschatte absichtlich manche Kontur, um der Wahrheit der Nuance willen, getreu meinem Seelenrealismus.

Die Wirklichkeit suchende Dichtung Celans ist „Sprache eines Einzelnen“, der „unter dem Neigungswinkel […] seiner Kreatürlichkeit spricht“. Darum sein Widerwille gegen das bloße „Herumexperimentieren mit dem sogenannten Wortmaterial“. Dichtung ist für Celan Individuation im Medium der Sprache. Die erstrebte Wirklichkeit ist die Wirklichkeit eines Einzelnen. Das Gedicht dessen, der so schreibt, heißt es, „bleibt seiner Daten eingedenk“. Das Gedicht „spricht immer nur in seiner eigensten, allereigensten Sache“. Aber gerade diese Radikalität des persönlichen Ausdrucks in dichterischer Objektivierung sei die Voraussetzung für echte Kommunikation. Denn „gerade auf diese Weise“, so die Hoffnung des Gedichts, vermöchte es „auch […] in eines Anderen Sache zu sprechen“. Die Wirklichkeit suchende Sprache des Gedichts liegt quer zum verkümmerten und pervertierten Sprachgebrauch des massenkommunikativen Konsums. Sie steht gegen die eingängige Glätte der Ideologien. Sie ist „Gegenwort“.
In seiner Opposition zur Faktizität bleibt das Gegenwort dennoch durch sie gezeichnet. Der Sprache, die es spricht, haften Spuren geschichtlicher Versehrtheit an, die nicht getilgt werden können: „Die deutsche Lyrik […], Düsterstes im Gedächtnis, Fragwürdigstes um sich her“, spricht notgedrungen „eine ,grauere‘ Sprache, eine Sprache, die unter anderem auch ihre ,Musikalität‘ an einem Ort angesiedelt wissen will, wo sie nichts mehr mit jenem ,Wohlklang‘ gemein hat, der noch und neben dem Furchtbarsten mehr oder minder unbekümmert einher tönte.“
Celans Gedicht preist, mit dem Hintergrund jüdischer Sprachmystik, das „sternüberflogne“, das „meerübergossne“ Wort in kosmischem Bezug und die Urgewalt einer „Wortaufschüttung, vulkanisch“. Er fand jene Stärkung im Besitz des „Schibboleth“, des Kennworts derer, die dem „Markt“ und der Macht nicht zu willen sind. Er erblickt am Horizont der Zukunft das „Zeltwort“, das in Freiheit und Brüderlichkeit Gemeinschaft zu stiften vermöchte. Aber er erkannte zugleich desto schmerzlicher das ganze Elend der ihm verfügbaren Sprache, freventlich verderbt und entwertet, als der „Giftzahn die Silbe durchstieß“: den „Bettel“ und „Schotter“ der Worte („mein Mund / spie seinen Schotter“). Und:

Die Doggen der Wortnacht, die Doggen
schlagen nun an
mitten in dir

Zwischen dem „sternüberflognen“ Wort und den Schrecken der „Wortnacht“ ist Celans Dichtung gespannt, zwischen dem Wort, das „wollt leuchten“ und: „Asche, Asche“. Celan durchlitt die Spannung in dem erfühlten Potential des Wortes zwischen sinnstiftender Utopie und Verzweiflung. Doch gerade aus dem radikalen Zweifel an der Sprache vermag das tastende und suchende Sprechen seines Gedichts wieder Sprachvertrauen aufzubauen. In seiner Büchnerpreisrede reflektiert Celan die der Kunst immanente Problematik in radikaler Zuspitzung. Es läßt sich nicht, „wie es jetzt vielerorts geschieht, von der Kunst als von einem Vorgegebenen und unbedingt Vorauszusetzenden ausgehen“. Kunst birgt die Gefahr der Verkünstelung, des ,Automatenhaften‘ idealisierender Verfälschung der Wirklichkeit, der Inhumanität dämonischer Obsession der Lebensfeindschaft. Zur Kunst in dialektische Antithese setzt Celan die Dichtung. Dichtung als fundamentale menschliche Fähigkeit, Sprache zu erfahren und zu gebrauchen. Als allgemeines Grundvermögen und Grundbedürfnis des Menschen, das verkümmern kann. Als anthropologische Konstante, die im Laufe der geschichtlichen Entwicklung und im Spektrum der Kulturkreise sich unterschiedlich manifestiert. Ihre Verkörperung für Celan in seiner poetologischen Büchnerpreisrede ist die von ihm gedeutete Gestalt der Lucile aus Dantons Tod. Die „kunstreichen“ Tiraden der zum Tode verurteilten Revolutionäre sind leer in ihrem theatralischen Pathos; nur „,einige‘ – namenlose – ,Stimmen‘ finden, daß das alles ,schon einmal dagewesen und langweilig‘ sei.“ Das pathetische Gerede gleitet an Lucile ab. Sie, die „hört und lauscht und schaut… und dann nicht weiß, wovon die Rede war.“ Sie ist jemand, „der aber den Sprechenden […] ,sprechen sieht‘, der Sprache wahrgenommen hat und Gestalt, und zugleich […] auch Atem, das heißt Richtung und Schicksal.“ Und Lucile, „die Kunstblinde, dieselbe Lucile, für die Sprache etwas Personenhaftes und Wahrnehmbares hat“, bricht dann vor ihrem Tod auf dem Schafott aus in ihr absurdes:

Es lebe der König!

Dazu Celan:

Nach allen auf der Tribüne (es ist das Blutgerüst) gesprochenen Worten – welch ein Wort! Es ist das Gegenwort, das Wort, das den ,Draht‘ [der Theatermaschinerie] zerreißt, […] es ist ein Akt der Freiheit.

Lucile ist selbstverständlich keine Royalistin, die dem ,ancien régime‘ huldigt. „Gehuldigt wird hier“, so Celan, „der für die Gegenwart des Menschlichen zeugenden Majestät des Absurden“.
Das Gegenwort, das für die Gegenwart des Menschlichen zeugt. Das absurde Wort als befreiender Durchbruch durch alle entindividualisierende Denk- und Sprachzwänge. Unverkennbar ist der anarchische Impuls seines Dichtens. Es ist ein Humanum. Der Umgang mit den Bukarester Surrealisten war von Bedeutung. Mit Bedacht flicht Celan an dieser Stelle seiner Rede die Bemerkung ein, daß er mit den Schriften Peter Kropotkins und Gustav Landauers aufgewachsen sei. Dichtung entspringt aus einem zutiefst menschlichen Impuls. Kunst, ihr wesentlich inhärent, kann als sich abspaltendes und sich verabsolutierendes Element sich gegen den Menschen kehren. Darum Celans Polemik gegen das bloße „Herumexperimentieren mit dem sogenannten Wortmaterial“, wo „das ,Machen‘ über die Mache allmählich zur Machenschaft wird“. Darum die Absage an das Ideal der ,poésie pure‘, des ,absoluten Gedichts‘, in dessen Tradition er selbst steht, und die Weigerung, Mallarmé „konsequent zu Ende zu denken“. Er selbst ein Artist von hohen Graden.
Celan sucht die Synthese der von ihm aufgezeigten Antinomien. Der Impuls der Dichtung ist der authentischen Sprechens. Dies bedeutet, in Celans Worten, „aktualisierte Sprache, freigesetzt unter dem Zeichen einer zwar radikalen, aber gleichzeitig auch der ihr von der Sprache gezogenen Grenzen, der ihr von der Sprache erschlossenen Möglichkeiten eingedenk bleibenden Individuation“? Um dieser Individuation willen aber muß die Dichtung die Wege der Kunst gehen. Die intendierte Ursprünglichkeit ist nicht auf direktem Weg zu erreichen. Es bedarf eines hohen Maßes an Kunstsinn. „Das absolute Gedicht – nein, das gibt es gewiß nicht, das kann es nicht geben! Aber es gibt wohl, mit jedem wirklichen Gedicht […] diese unabweisbare Frage, diesen unerhörten Anspruch“. Das Gedicht „als gestaltgewordene Sprache eines Einzelnen“, der „unter dem Neigungswinkel seiner Kreatürlichkeit spricht“, ist immer auch Angebot eines Gesprächs. „Das Gedicht […] zeigt […] eine starke Neigung zum Verstummen“. Aber „das Gedicht spricht“, und „es will zu einem Anderen“, „spricht sich ihm zu“ – und sei es als „ein verzweifeltes Gespräch“.


3
Erich Frieds kontrastierende Position springt in die Augen. Sein Zweifel an der Sprache ist fern von der Radikalität Celans. Der Zweifel hat seine notwendige Funktion im Umgang mit der Sprache. Er führt an die Grenze der Verzweiflung, doch ihr widerstrebt das dialektische Bewußtsein der Sprachbedingtheit jeglicher gedanklichen Position sowie die Sicherheit der Evidenz menschlicher Grunderfahrungen und -haltungen, die jenseits allen Zweifels sind:

Aber wer zweifelt
an einem Hilferuf
an einem Schrei

an Worten wie ,DU‘ und ,DU FEHLST MIR‘?

Wer zweifelt an einer Sprache
die sagen kann
,Ich habe Hunger‘
oder ,Ich habe Angst
vor dem Altwerden‘
oder ,Ich will nicht sterben‘?

Oder wer zweifelt an den Worten
,Militärputsch in Chile‘
und an den Worten ,Verhaftete werden gefoltert‘
und an den Worten ,Erschossene werden verladen
auf Hubschrauber und in den Stillen Ozean geworfen‘?

Es ist die Position Brechts. Und als Statthalter Brechts wurde Fried als politischer Lyriker begrüßt, als er, erst 1966, bereits 45jährig, mit dem bei Klaus Wagenbach erschienen Gedichtband und Vietnam und. Einundvierzig Gedichte. Mit einer Chronik schlagartig eine für einen deutschen Lyriker seltene Breitenwirkung erreichte. Er war, nicht zuletzt, der Sprecher der deutschen akademischen Jugend. Er hat selbstverständlich von Brecht gelernt. Seine Gedichte haben Brechts unmittelbare Einsichtigkeit. Aber sie sind, nicht anders als Brechtsche Gedichte, Produkte anspruchsvoller Kunst. Und sie haben bei aller Klarheit ihre Verschattung, ihre Hintergründigkeit und Mehrschichtigkeit, ihr poetisches Plus über die diskursive Prosa. Darauf wollte ich den Blick lenken.
Was Fried mit Celan verbindet, ist die prinzipielle Intention der Wörtlichkeit ihres Dichtens. ,Wörtlichkeit‘, verstanden als die gegenüber der metaphorischen primäre, das Wort in seiner physischen Präsenz und in seiner virtuellen Bedeutungstotalität, im Aufscheinen seiner Grundbedeutung und des Spektrums der Konnotationen erfassenden Wortbedeutung. Freilich unterscheidet sich die individuelle Realisierung wesentlich. Celan hebt das einzelne Wort ins Bewußtsein jenseits seiner syntaktischen Funktion, so daß es sich in seiner vollen ,semantischen Evokation‘ entfaltet, in seiner ,Mehrstelligkeit‘. Das Aufbrechen der Wörter in die Bauelemente der Silben, ihre Trennung und rhythmisch intensivierte Neuverbindung in der Versfuge, profiliert sie als eigene Bedeutungsträger und verleiht dem Wort neues Gewicht. Isolierung und Abbau der Wörter sind Mittel ihrer Reaktivierung.
Frieds poetische Wörtlichkeit realisiert sich vornehmlich in der Interferenz der unterschiedlichen Wortbedeutungen, wie sie das „ernste Wortspiel“ vielfältig inszeniert. Ganz nahe ist Fried Celan in der Sensitivität für das dichterische Wort, nach dem Vorbild Luciles, die Sprache mit den Sinnen wahrnimmt als „Gestalt“ und „Atem“. Es ist die Voraussetzung für den lyrischen Dichter, dessen unmittelbarer, biotischer Bezug zur Sprache ihm den sorgfältigsten Umgang mit ihr abverlangt, der kein selbstherrliches Verfügen über sie gestattet, wie es anderwärts möglich scheint. Ich zitiere aus dem kurzen Prosatext „Stil und Lebensstil“ in Das Unmaß aller Dinge:

Die Erfahrung etwa, mit der sich der Romanschriftsteller bei gut scheinender Gelegenheit brüstet, seine nicht einmal mehr nur verschämt eingestandene Selbstsicherheit beim Formulieren seiner Sätze, ja bei der Wahl einzelner Worte, hat er sie nicht mit jener Abstumpfung gegen die wirklichen Möglichkeiten eines Wortes oder der Verbindung zweier Worte oder Wortteile bezahlt, die ihm das leichte Hinweggleiten über die Sprache, die er für seinen flüssigen Stil hält, überhaupt erst ermöglicht?

Im Einklang mit Celans Poetik ist es das Postulat des ,Gegenworts‘, das sein dichterisches Werk, wie das Celans, bestimmt. Das Wort, das quer steht zum verkümmerten und pervertierten Sprachgebrauch des massenkommunikativen Konsums. Die unzeitgemäße Art des Sagens impliziert eine unzeitgemäße Art des Denkens. Es sucht entgegen dem Diktat des Marktes und der anonymen Sachzwänge den persönlichen Bezug. Marlies Janz hat für Celans Verbindung von hohem artistischem Anspruch und mitmenschlichem Impuls die Formel „Artistik und Engagement“ geprägt. Auch Fried ist ein hochbegabter Artist, ein stupender Sprachvirtuose. Sein politisches Engagement ist vom persönlichen und sprachlichen nicht zu trennen. Er begriff sich primär als Dichter und sah es als Aufgabe der Dichtung, „gegen die Entfremdung zu kämpfen – für das wirkliche Hören, Sehen, Fühlen“. Sein Gegenwort ist gerichtet gegen die „Schablonen und die denkfeindlichen und sehfeindlichen Muster unserer Gesellschaft. Dabei ergibt sich natürlich das politische Engagement bis zu einem gewissen Grad von selbst“. Wenn Frieds Lyrik nicht auf das politische Engagement beschränkt werden darf (nicht mehr als die Hälfte der Gedichte sind seiner Meinung nach politisch, und viele von ihnen nicht im tagespolitischen Sinn), so ist anderseits das politische Engagement Celans doch nicht zu übersehen. Das Selbstverständnis, das Celan nach der Veröffentlichung seines ersten Gedichtbandes Fried gegenüber artikulierte – „er betrachte […] seine Aufgabe, als die des Aufzeichnens der Konturen dessen, was geschehen ist, vor allem dessen, was erlitten wurde“ – greift angesichts seines Gesamtwerks entschieden zu kurz. In seinem Celan gewidmeten Gedicht „Nachzügler“ thematisiert Fried Celans Fixierungen auf die Vergangenheit. Sie genügt Fried nicht. Doch Celan hat längst sich auch der Gegenwart zugewandt. Spanischer Bürgerkrieg, Kristallnacht, Sechs-Tage-Krieg, Vietnam, Ende des Prager Frühlings sind Themen seiner Gedichte. Sie haben nicht Frieds Explizitheit, aber ihre Haltung ist entschieden, ihr Gegenwort unmißverständlich. Freilich war Celan kein politischer Aktivist wie Fried, der sich aber seinerseits der nur partiellen Kongruenz von politischem Engagement und Poesie bewußt war. Auch Spannung und Widerspruch dokumentiert seine Dichtung:

Die ewigen
Wahrheiten
meiner Gedichte
langweilen mich
Wann
kommen endlich
ihre Irrtümer
Träume
und Lügen

Das Gegenwort beider richtet sich auch gegen die eigene Dichtung, als radikaler Stilwechsel und Abrückung von früheren Positionen im Selbstzitat, als Absage an das „Metapherngestöber“ angesichts der dröhnend hineintretenden Wahrheit und als leidenschaftlicher Widerruf („das hundert- / züngige Mein- / gedicht, das / Genicht“).
Wie Celan, der das Zitat strukturell einsetzt, hat Fried einen überquellenden Vorrat von Leseerfahrungen gespeichert. Er nannte sich einmal einen lebenden Buchmann. Wie die Celans sind seine Gedichte auch Gespräche mit anderen Dichtern, in Zustimmung und Widerspruch. Nicht zuletzt mit Celan.
Wie Celan hatte Fried, bei unverrückbarer sozialistischer Grundposition im Geist von Rosa Luxemburg, einen starken Hang zur Anarchie. Auch er beruft sich auf Landauer, wenn er bedauert, „daß man in Deutschland Anarchismus immer mit […] Terror verwechselt“. Darum hielt er „die Grünen für so wichtig, weil sie ein Element des Anarchismus verkörpern“. Er möchte eine „Synthese zwischen Sozialismus und Dezentralisierung und freiheitlichem Denken, sonst wird auch Sozialismus ein bürokratisches Gebilde“.
Wie die Celans, ist schließlich die Dichtung Frieds entscheidend geprägt durch ein jüdisches Schicksal in jener finsteren Zeit. An seinem Eingang steht als unauslöschliches Datum das Bild des Vaters, der ergraut aus dem Polizeigefängnis kam und auf dem Kanapee starb. Man hatte ihm bei einem Verhör die Magenwand eingetreten. Dem Sohn gelang es nach England zu entkommen, und es begann das Schicksal des Exils. Der jugendliche, mittellose Emigrant hat es geschafft, dreiundsiebzig Schicksalsgefährten das Einreisevisum zu verschaffen – eine unerhörte Leistung, meine ich, und ein höchst beeindruckendes Beispiel für Erich Frieds tatkräftiges, mitmenschliches Engagement. Als Siebzehnjähriger fand er Halt in der Gesinnungsgemeinschaft des österreichischen kommunistischen Jugendbunds. Meinungsverschiedenheiten und Gegensätze waren unvermeidlich trotz fundamentaler politischer Sympathie. Doch Erich Frieds poetische Intention konnte darin nicht aufgehen. Im Grundsätzlichen teilte er Celans Situation des Dichters in fremder Sprachluft. Diese Distanz kann der Kreativität förderlich sein und darum gesucht werden. Für den deutsch-jüdischen Emigranten war es keine Situation seiner Wahl (auch nicht für denjenigen, der bei wiedergeordneten Verhältnissen in Deutschland nicht seine Bleibe fand). Es war eine grundsätzlich höchst ambivalente Situation: Der aus der deutschen Sprachgemeinschaft verstoßene Dichter, der sich dennoch der deutschen Sprache innigst verbunden fühlt. Losgelöst von der Realität des sprachvergifteten deutschen Sprachraums, ist der Bezug zu seiner Muttersprache gesellschaftlich unvermittelt, gewissermaßen sprach unmittelbar. Das Grundgefühl der persönlichen schöpferischen Bindung an die Sprache bestimmt das Selbstverständnis des deutsch-jüdischen Dichters.
„Ich lasse mir doch von Hitler meine Sprache nicht rauben“, rief Erich Fried aus, der wie kaum ein anderer frei war von Ressentiment und nationalem Vorurteil, bereit zu Versöhnung und Neubeginn, der Zukunft zugewandt. Sein Zorn brach hervor, wo er menschliche Grundwerte verletzt oder gefährdet sah. So wurde er zum Ankläger und Warner des Staates Israel, aus dem Leiden an der Tragik, daß die Verfolgten, denen er zugehörig war, zu Verfolgern wurden. Er hat den Widerspruch nie gescheut, war ein wacher Beobachter der politischen Szene, der, dafür sensibilisiert, unbeachtetes und verschwiegenes Unrecht aufdeckte, der im Drang der Polemik den Irrtum in Kauf nahm, den sein poetisches Gegenwort dann unweigerlich korrigierte.
Der Emigrant hing an seiner österreichischen Heimat. Anläßlich seines ersten, noch während des Krieges in London erschienenen Gedichtbandes mit dem Titel Deutschland schrieb Fried 1944:

Ich bin Österreicher, Deutschland habe ich nur auf der Durchreise nach England gesehene.

Er hatte Heimweh nach Österreich. In seinem zweiten Gedichtband, Österreich (1945), stehen die juvenilen Verse:

Nachts träum ich mich los von London im atmenden Raum
Dann bet ich, du mein Berg, du mein Bach, du mein Baum!

Und in dem Interview mit Lutz Liebelt bekannte er 1986:

Ich fühle mich, was Heimat betrifft, als Österreicher; denn dort habe ich die ersten Jahre meines Lebens verbracht; als Wiener und Einwohner eines Landes mit Bergen und Voralpenseen und einem Stückchen vom Ausläufer der großen Ungarischen Tiefebene. Die Landschaften, die ich als Kind gesehen habe und die sich gar nicht so wesentlich verändert haben – das ist meine Heimat.

Diese Heimat habe ihn „wesentlich geprägt“ und er sei „sehr froh, daß er jetzt auch seine österreichische Staatsbürgerschaft habe“. Er freut sich jedesmal, wenn er in Wien ist. Er hat dort Freunde. Und dennoch:

Manchmal fühl ich mich dort wie mein eigenes Gespenst.

Es ist das Los des Emigranten, daß ihm, nach Polgars Wahrwort, „die Fremde nicht zur Heimat, und die Heimat zur Fremde wird“.
Die Dichtung Erich Frieds ist, um nochmals an Celans Poetik zu erinnern, „ihrer Daten eingedenk“. In dem zitierten Gespräch mit Liebelt nennt Fried drei Eckdaten seiner Jugend: den 15. April 1927, den ,Blutigen Freitag‘, an dem in einem Straßenkampf mit der Polizei 86 Arbeiter erschossen wurden und der Justizpalast brannte. Das sechsjährige Kind war mit seiner Mutter durch Zufall in der Nähe und hat die Bahre mit Toten und Verwundeten gesehen. Das entsetzliche Ereignis, das die Republik erschütterte, als Kindheitstrauma. Das zweite Unglücksdatum lebendiger Erinnerung markiert das Ende der Republik: die niedergeschlagene Februar-Revolte vom 11.–16. Februar 1934, die der 12jährige mit vollem Bewußtsein wahrnahm. Das dritte war der 11. März 1938, der Einmarsch der deutschen Truppen, das Ende Österreichs – und die einschneidendste Zäsur in Frieds persönlicher Existenz.
Auch ich wußte damals schlagartig, daß mein bisheriges Leben zu Ende sei. Und auch das vorangehende Datum hatte mich schon wie Fried ans Radio gebannt, erregt und geängstigt. Beim Brand des Justizpalastes war ich nicht in Wien, aber ich sah Tage darauf, auf den Litfaßsäulen, den berühmten Anschlag von Karl Kraus, die Aufforderung zum Rücktritt des Polizeipräsidenten als des für den ,Blutigen Freitag‘ Verantwortlichen. Ich sehe den unglaublichen, den unvergeßlichen Satz vor mir:

Herr Polizeipräsident! Ich fordere Sie auf, abzutreten. Karl Kraus.

Frieds Reaktion scheint mir symbolisch in ihrem Doppelaspekt. Erich Fried in nuce. Das Plakat hatte ihn beeindruckt, weil, wie er sagte, „das ,auf‘ und das ,ab‘ gut angeordnet war“. Und, zweitens, verband sich damit der Entschluß des Grundschülers, bei einer Schulfeier, wozu auch der Polizeipräsident geladen war, die Gelegenheit zu einem öffentlichen Protest zu nutzen. Der Knirps trat vor und sprach:

Meine Damen und Herren! Ich habe gerade gehört, Herr Polizeipräsident Dr. Schober ist da. Ich war am ,Blutigen Freitag‘ in der Kolingasse und habe Bahren mit Toten und Verwundeten gesehen“.

Schober ist aufgesprungen und verschwand mit seinem Gefolge. Dann sagte der Kleine sein Gedicht auf. Es war seine erste politische Aktion.
Als intendierte Synthese von Poesie und Engagement schrieb auch Erich Fried seine Gedichte „unter dem Neigungswinkel seiner Existenz“, im Bann seines Schicksals, „seiner Daten eingedenk“, schrieb sie ,den Anderen zu‘ in einer außergewöhnlichen Fähigkeit zu mitmenschlicher Tat, ,hier‘ und ,heute‘ in den uns „gezogenen Grenzen“ und „erschlossenen Möglichkeiten“ und im offenen Horizont der Utopie:

Meerwind
irgendwo Brandung

Nicht der O-Ton
nicht die Topie
sondern das Nirgendland
U-Ton:
Land! Land! Endlich Land!

Im Unendlichen.
Land von Dauer
Landauerland
[…]
Sacco-Vanzetti-Land
[…]
Paul-Celan-Land
[…]
mühsam
gefundenes Land
an der Küste von Böhmen:
Wohnland

Paul Hoffmann, aus Paul Hoffmann: Das erneute Gedicht, Suhrkamp Verlag, 2001

Bruchstücke einer Erinnerung

Wann sah ich Paul Celan zum ersten Mal? Ich versuche, mich zu erinnern, doch es gelingt mir nicht, das genaue Datum festzulegen. In der Nummer vom 2. Mai 1947 der Zeitschrift Contemporanul erschien die „Todesfuge“ unter dem Titel „Todestango“, von Petre Solomon übersetzt; wir kannten uns demnach schon, denn gewisse Details dieser Begebenheit habe ich nicht vergessen.
Aus der Gruppe meiner Freunde, die in jenen Jahren die Literaturfeste belagerten, gelang es mir als einzigem, einer Redaktion beizutreten. Ich erhielt sogar die beneidenswerte Aufgabe, mich mit dem literarischen Teil der Zeitschrift zu befassen. Meine Freunde und ich hegten darum große Hoffnungen, unser poetisches Schaffen würde endlich einen Weg in die Öffentlichkeit finden, der sich damals für Anfänger sonst nicht leicht öffnete. Wir stießen nur bald auf ein fast unüberwindliches Hindernis. Die Leitung der Zeitschrift lehnte nämlich jeden Vers ab, der auf einer für das Verständnis gewagteren Imagination fußte. Ich erinnere mich an den Skandal, den das lange Poem „Pădurea cu sombre“ („Wald mit Schatten“) von Miron Radu Paraschivescu hervorgerufen hatte, als die Nummer, in der es erschienen war, diskutiert wurde. Die meisten Produktionen meiner Freunde fielen einem stereotypen Einspruch zum Opfer: „Was meint er damit?“ wurde ich gefragt, wenn die einfache diskursive Rede durch eine Metapher ersetzt war. Ich hoffte auf eine Aussprache, irgendwann einmal, mit verantwortlichen Kräften, die mehr Verständnis hatten, doch es kam nie dazu.
Dass Paul Celans Gedicht akzeptiert wurde, bedeutete für unsere kleine Gruppe eine wahre Überraschung, da wir wussten, dass der Autor mit Gherasim Luca und Paul Păun verkehrte und sich nicht scheute, Bilder des Surrealismus zu verwenden. Darum versuchte er auch nicht, in Contemporanul zu publizieren. Die Initiative ergriff Petre Solomon, der die „Todesfuge“ übersetzt hatte. Vielleicht verdankte er seinen Erfolg den direkten Beziehungen zu einer grausamen Realität, die in jenen Jahren sehr lebhaft im öffentlichen Bewusstsein gegenwärtig war. Vielleicht dachte man, der Autor sei ein Ausländer und gehöre zu den wenigen, die den nazistischen Lagern entgangen waren. Wie dem auch sei, ich hörte die gewöhnlichen Obskuritätsbemerkungen nicht. Alle taten so, als hätten sie perfekt verstanden, was die schnell berühmt gewordenen Verse Celans ausdrücken wollen, obwohl sie zahlreiche Schwierigkeiten bei der Interpretation aufwarfen.
Paul gehörte im Veröffentlichungsjahr des Gedichts zu unserem Kreis, das ist nicht anzuzweifeln. Ich glaube aber, dass wir uns schon früher kennengelernt hatten, vielleicht in der Neujahrsnacht des Vorjahres. Wir feierten die Ankunft des Jahres 1946 in einem Zimmer im Untergeschoss eines Hauses in der Poenaru-Bordea-Straße, wenn ich nicht irre. Dort wohnten zwei ungarische Künstler. Er war Maler, sie Karikaturistin. Sie wohnten nicht sehr bequem, hatten es sich aber angenehm eingerichtet. Um die Feuchtigkeit zu verdecken, hatte er die Flecken auf den Wänden in inspirierte und sehr dekorative Wandmalereien verwandelt.
Außer den Gastgebern waren Nina Cassian, Vladimir Colin, ich und ein dunkler junger Mann mit samtenen tiefen Augen anwesend. Er saß auf dem Fußboden, denn es fehlten die Stühle, und uns allen standen nur einige Polster zur Verfügung. Paul, er war nämlich der vierte Gast, hinterließ einen starken Eindruck auf mich, vor allem durch die unvergessliche Art, in der er sich sozusagen „produzierte“. Irgendwann begann er, mit tiefer Stimme zu singen, wobei er versuchte, die tiefste Lage zu erreichen. Anfangs verstand ich die Worte sehr schwer, da sie deutsch waren, dann aber konnte ich sie verstehen:

Flandern in Not…
In Flandern reitet der Tod…

Ich hörte zum ersten Mal dieses alte deutsche – wie ich später erfuhr – sehr volkstümliche Lied. Es handelt vom Tod, der auf einem Pferd reitet und, den Rittern gleich, die Mädchen zum Tanze führt. Das Lied erweckte in mir das Bild einer mittelalterlichen Graphik, die von dem christlichen Sinnspruch „pulvis es“ inspiriert war. Der Tod in den verschiedensten Gestalten fehlt in keiner Darstellung des Menschen, mit seiner unerbittlichen Präsenz die gesamte Existenz überschattend. Paul sang „Flandern in Not…“, wobei er Zeiten beschwor, in denen wahrscheinlich die Pest die Niederlande verödete. Nach jeder Strophe schlug er mit der Faust auf den Fußboden und sprach mit noch tieferer Stimme den Refrain: „Ge-Stor-Ben“. So erscheint Paul in meinen ältesten Erinnerungen als Akteur in der Rolle des „beau ténébreux“. Seine angenehmen Gesichtszüge (er war ein schöner Junge), der geheimnisvolle Nimbus, den er um sich schaffen konnte, der poetische Erfindungsreichtum seiner Gesten trugen dazu bei, zahlreiche und schnelle Eroberungen zu machen. Er besaß unbestreitbar die Gaben eines Charmeurs. Ich hatte Gelegenheit zu beobachten, wie feurig er sie anwandte. Das war ebenfalls bei einer Neujahrsfeier, diesmal im Hause von Petre Solomon, mit zahlreichen Gästen. Unter den Anwesenden war auch eine junge Schauspielerin (C. M.), eher eigentümlich als schön.
Paul bemerkte sie sofort und fiel, wie vom Blitz getroffen, in Trance. Er wich nicht von ihrer Seite. Er hatte sie „meine Königin“ getauft und setzte sich, wo immer sie Platz nahm, zu ihren Füßen. Die Welt um Paul existierte für ihn nicht mehr außer dem Wesen, das er erobern wollte. Er sprach flüsternd mit ihr, ununterbrochen. Dann hörte ich ihn „Flandern in Not“ singen. Es war somit eine seiner unfehlbaren „Nummern“.
Wir freundeten uns an. Wir diskutierten vor allem über Literatur. Ich zählte zu den wenigen, die damals etwas über die Surrealisten wussten. Paul war mit ihnen – wie er sagte – im letzten Jahr vor dem Ausbruch des Krieges in Kontakt gekommen, als er während seines Medizinstudiums in Paris weilte. Er erzählte mir, wie er André Breton zum ersten Mal gesehen hatte. Es war anlässlich des Jahrestags der Kommune beim traditionellen Umzug vor der Mauer der Föderationen. Paul erzählte, wie ihn, als er dem Konvoi nachging, die riesigen schwarzen Fahnen der anarchistischen Organisationen frappiert hatten, die immensen umflorten Falten, die über den Köpfen der Menge schwebten.
Unter den Teilnehmern – erzählte er mir, als würde er mir ein wichtiges Geheimnis mitteilen – schritt Breton, den Blick gesenkt und die Stirn geneigt, von großen Locken weißen Haares wie eine Wolke umgeben. Hatte Paul es gelesen oder tatsächlich gesehen? Sicher ist, dass er sich kurz darauf den letzten Band von Breton, Arcane 17, zulegte. Wie er daran kam, weiß ich nicht, da zu jener Zeit nur sehr wenige Neuerscheinungen der französischen Literatur in den Buchhandlungen erhältlich waren und jede ein kleines Vermögen kostete. Paul besaß jedenfalls das Werk, und darin beschrieb Breton so einen Umzug mit einer ähnlichen Exaltiertheit, wie es Celan in seiner Erzählung getan hatte.
Als er „à l’improviste“ nach Wien fuhr, hatte er keine Zeit mehr, sich von den Freunden zu verabschieden. Unter den wenigen, die er noch sehen konnte, war Petre Solomon. Ihm sagte er, dass er mir Arcane 17 als Erinnerung überlassen wolle, es jedoch jemandem geliehen habe. Es gelang mir nicht, in den Besitz des Buches zu kommen. Der, bei dem es sich befand, hat es behalten, ohne den Wunsch des Eigentümers zu respektieren. Doch die Geste hat mich tief gerührt. Es war eine Art geheime Botschaft mit einer nur von uns beiden gekannten Chiffre. Vielleicht wollte Paul meine Sensibilität ansprechen mit einer verwirrenden Koinzidenz jener Art, wie sie die Surrealisten so lieben, da sie ihnen die tägliche Existenz so wunderbar macht. Wir trafen uns erst nach 20 Jahren in Paris wieder. Wiederum führte der Zufall dazu, dass wir gleichzeitig eine Bildergalerie besuchten, in der Gherasim Luca surrealistische geometrische Körper ausstellte, die er in elektrische Schwingungen versetzte. Keiner von uns war jung geblieben. Gherasim Luca hatte ganz weiße Haare. Paul war ergraut, hielt schon den Körper geneigt wie unter einer erdrückenden Last. Sein Gang war schleichend wie an einer Mauer entlang; beides Zeichen des nahenden Desasters.

Ovid S. Crohmălniceanu, in Zeitschrift für Kulturaustausch 3, 32. Jg., 1982
Aus dem Rumänischen übersetzt von Kurt Andrae

 

Hans Mayer: Erinnerung an Paul Celan, Merkur, Heft 272, Dezember 1970

 

PAUL CELAN NACHGERUFEN

DU
aaaentfernst dich.

„ ––––––––– und die Mutter
Böhmisches bewandernd:
dorther. Dort-

hin…“ Geschichte blättern,
schlagen die Landschaften zu,
Strömungen holen aus,
Flüsse,
aaaaaaaaaFlüsse.
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaDu
fernst Dich ein –––––––––

„Und die Seine fließt in den Prut fließt in die Moldau
in die Themse in die Limmat in die Seine“
Klagenscherze gegen die
gesprungene Hoffnung im Bug,
Wurzelspiele mit Treibendem,
Väterformeln, Gegend für Gegend.

An den Ufern von
saßen
aus der Tiefe

Fingernagel mit Fingernagel
untergrabend, Schritt für Schritt
durchs Ungemach, wandlerisch
vermessen, ausgezählt.       Später

ein ruderndes Sternbild, Quell-
kammern still mit den Sohlen
erspürend.

saßen    rufen

aaaaaaaaaaaaaaaaaaa„Jede Straßenecke
eine Wunde.“    Unvernarbt:
die Augenwinkel eingezogen, der Schmerz
ein Leuchten, singend, zwischen
Aug und Auge, fremd-
wörtlich.    „Was sind denn das für Wesen,
die man von hier wegschrecken muß…?“

Mit Silber
aaaaaaaaaaageschwärzt

Sonst-Wörter.      Das Vor-
läufige anreden,
wie Rettung.      Weil
es wächst.      Bevor
es finster wird.

rufen

Harter Gegenschläfer:      auf dem Weg,
den wir nicht erschlugen,
entfernst Du
                          sich.

Franz Wurm

 

 

Paul Celan: Dichter ist, wer menschlich spricht. Ein Film von Ulrich H. Kasten und Hans-Dieter Schütt mit Eric Celan und Bertrand Badiou.

 

Gerhart Baumann hielt seinen Vortrag Paul Celan: Um-Wege zu sich und die offene Frage des Gedichts auf der Tagung Vom Sinn moderner Lyrik am 23. Januar 1971 im Haus der Katholischen Akademie in Freiburg.

 

 

Niemand zeugt für den Zeugen. 100 Jahre Paul Celan. Literarische Soirée am 30.9.2020 im Haus am Dom Limburg.

 

„wir wissen ja nicht, was gilt“ – Paul Celan zum 100. Geburtstag

 

Ein Abend zu Paul Celan am 18.5.2020 im Literaturhaus Berlin mit Hans-Peter Kunisch und Thomas Sparr. Es moderiert Eveline Goodman-Thau.

 

Paul Celan, Czernowitz & die „Todesfuge“. Helmut Böttiger berichtet.

 

Erreichbar, nah und unverloren. Reisen zu Paul Celan. Teil 1. Gespräch mit Helmut Böttiger.

 

Todesfuge – Biographie eines Gedichts. Alexander Suckel im Gespräch mit Thomas Sparr am 17.4.2020 im Literaturhaus Halle.

 

„Ästhetik und politische Dimension der Dichtung Paul Celans“. Mit Helmut Böttiger, Thomas Sparr und Monika Rinck; Moderation: Dieter Stolz am 23.11.2020 im Literaturforum im Brecht Haus.

 

Paul Celan in Europa – Videogespräch am 22.9.2020 im Rahmen der trilateralen Forschungskonferenzen 2020–2023 in der Villa Vigoni.

 

Paul Celan übersetzen – Gabriel Horatiu Decuble im Gespräch mit Ton Naaijkens und Alexandru Bulucz, Moderation Ernest Wichner am 6.11.2021 im Literaturhaus Halle im Rahmen der Tagung „Was setzt über, wenn Gedichte übersetzt werden“.

 

Clément Fradin, Julia Maas und Michael Woll stellen Paul Celans Bibliothek im Deutschen Literaturarchiv Marbach vor.

 

„Die Todesfuge. Zur Biographie eines Gedichts im Archiv“ – Thomas Sparr im Gespräch mit Jan Bürger, Kai Uwe Peter und Michael Woll

 

Michael Woll stellt Paul Celans Nachlass im Deutschen Literaturarchiv Marbach vor. Im Mittelpunkt stehen dabei die Hölderlin-Bezüge in Celans Texten.

Zwischen „Grabschändern“ und „Linksnibelungen“. Wolfgang Emmerich im Gespräch mit Michael Braun über Paul Celans Verhältnis zu Deutschland und seinen deutschen Kritikern.

Carolin Callies, Ann Cotten, Daniela Danz, Aris Fioretos, Norbert Hummelt und Rainer René Mueller kommentieren Paul Celans Gedicht „Was es an Sternen bedarf“.

 

 

Paul Celan liest Gedichte in Jerusalem am 9.10.1969

Zum 50. Todestag des Autors:

Daniel Jurjew / Klaus Reichert: Paul Celan: Ich sehe seine Hellsichtigkeit, bei anderem denke ich einfach: er übertreibt
Frankfurter Rundschau, 19.4.2020

Gregor Dotzauer: Das Eigene und das Andere
Der Tagesspiegel, 19.4.2020

Susanne Ayoub: Es ist Zeit, dass es Zeit ist
Der Standart, 19.4.2020

Sandro Zanetti: Akute Dichtung: Celans Zumutungen
Geschichte der Gegenwart, 19.4.2020

Friederike Invernizzi: Sprechen zwischen Wunde und Narbe
Forschung & Lehre, 19.4.2020

Frank Trende: Die bewegende Geschichte der Todesfuge
shz.de, 19.4.2020

Dunja Welke: Paul Celan – Ein zerrissener Dichter
RBB, 18.4.2020

Stefan Lüddemann: Paul Celan, Dichter des Holocaust, starb vor 50 Jahren
Neue Osnabrücker Zeitung, 19.4.2020

Shmuel Thomas Huppert: Erinnerungen an Paul Celan
SR 2, 26.2.2020

Christoph Bartmann: Ein Riss, der nicht zu heilen war
Süddeutsche Zeitung, 20.4.2020

Christine Richard: Ein Leben, immer nahe am Untergang
Tages-Anzeiger, 20.4.2020

Anton Thuswaldner: „Die Welt ist gegen mich losgezogen“
Salzburger Nachrichten, 19.4.2020

Klaus Reichert im Gespräch mit Niels Beintker: Erinnerungen an Begegnungen und Gespräche mit Paul Celan
BR24, 20.4.2020

Rüdiger Görner: Asche atmen: Zu Paul Celan
Die Presse, 23.4.2020

Marko Martin: Paul Celan und die „Linksnibelungen“
Welt, 27.4.2020

Evelyne Polt-Heinzl: Paul Celan Ein Migrant in Wien
Die Furche, 8.4.2020

 

 

Zum 100. Geburtstag des Autors:

Andreas Wirthensohn: Todesklage für die Überlebenden
Wiener Zeitung, 21.11.2020

Klaus Demus: „Eine sehr große Freundschaft“
literaturoutdoors.com, 22.11.2020

Claus Löser: Fünf Filme für Paul Celan
Berliner Zeitung, 21.11.2020

Krisha Kops: Paul Celan: Dichter, Überlebender, Heimatloser
Deutsche Welle, 22.11.2020

Ulf Heise: Lyrik als Flaschenpost
Freie Presse, 22.11.2020

Susanne Ayoub: Paul Celan: Verlust der Heimat, Trauer um die Eltern
Der Standart, 22.11.2020

Wolf Scheller: Was nicht gesagt, nur angedeutet werden kann
Der Standart, 23.11.2020

Andreas Montag: Dichter Paul Celan – Der Schleier des Herbstes
Mitteldeutsche Zeitung, 23.11.2020

Andreas Müller: Paul Celan – zum 100. Geburtstag
Wiesbadener Kurier, 23.11.2020

Stefan Kister: Unter die Deutschen gefallen
Stuttgarter Zeitung, 22.11.2020

Paul Jandl: Vielleicht war Paul Celan einmal ganz er selbst. Da spielte er die Dürrenmatts beim Tischtennis in Grund und Boden
Neue Zürcher Zeitung, 23.11.2020

Sabine Glaubitz: Er schrieb das Unsagbare auf: Nachkriegsdichter Paul Celan wäre heute 100 Jahre alt geworden
stern, 23.11.2020

Volker Weidermann: Ein Grab in den Lüften
Der Spiegel, 20.11.2020

Jochen Hieber: Im Höhenrausch mit Ingeborg Bachmann
Der Spiegel, 23.11.2020

Stefan Brams: Interview mit Thomas Sparr – Paul Celan stiftet zur Erinnerung an
Neue Westfälische, 23.11.2020

Helmut Böttiger: Die graue Sprache
Süddeutsche Zeitung, 22.11.2020

Helmut Böttiger: Auf der Suche nach einer graueren Sprache
Jüdische Allgemeine, 21.11.2020

Albrecht Dümling: Die Todesfuge in Tönen
Deutschlandfunk Kultur, 20.11.2020

Nikolaus Halmer im Gespräch mit Barbara Wiedemann: Paul Celan: „Es sind noch Lieder zu singen jenseits der Menschen“
Die Furche, 11.11.2020

Harald Seubert: Lieder jenseits der Menschen und kodierte Zeit: Paul Celan (1920–1970). Zum Gedenken
youtube.com, 15.6.2020

Celebrating Paul Celan: An Evening with Pierre Joris and Paul Auster
youtube.com, 21.11.2020

Stadtführung „Auf den Spuren von Paul Celan“
youtube.com, 10.9.2020

Paul-Celan-Literaturtage 2020. Videopräsentation vom Paul Celan Literaturzentrum Czernowitz

Ausstellung Paul Celan 100 – Unter den Wörtern

 

 

West-östliche Konstellationen. Internationale Tagung als hybride Veranstaltung im Lyrik Kabinett, München, sowie online.
Tagungskonzeption und -organisation: Prof. Markus May und PD Dr. Erik Schilling (Institut für deutsche Philologie der LMU München)
8.–9.10.2020

Eröffnung

 

Ambivalente Topographien. Rilkes Dritte Duineser Elegie und Celans „Walliser Elegie“

 

„West-östliche“ Lesarten im Jahrhundert nach Celan

 

Das Schweigen über Brücken. Orte Celans bei Robert Schindel

 

Abendvortrag: Todesfuge. Biographie eines Gedichts

 

„Wortaufschüttung“. Materialität als Indexikalität bei Paul Celan

 

Betreten. Zum Anfang von Engführung

 

Celans Draußen. Über reale und sprachliche Räume in seiner Dichtung

 

„Stimmen vom Galgenbaum“. Celans west-östliches Rotwelsch

 

Fakten und Vermutungen zum Autor + ÖMIMDbKLG +
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Georg-Büchner-Preis 1 & 2
Porträtgalerie: Keystone-SDA
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Nachrufe auf Paul Celan: Neue Literatur ✝︎ NZN



Paul Celans Todesfuge interpretiert von Diamanda Galas im Teatro Albeniz, Madrid, 15.10.2008.

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