Peter Rühmkorf: agar agar – zaurzaurim

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Peter Rühmkorf: agar agar – zaurzaurim

Rühmkorf-agar agar – zaurzaurim

MEINE SEHR GEEHRTEN DAMEN UND HERREN,

Der Reim ist an sich kein Thema. Er ist als poetische Praxis ziemlich aus der Mode geraten und bietet nur wenig Anlaß für gesellschaftskundliche Debatten; er kommt keiner herrschenden Meinung entgegen und tritt auch keiner öffentlichen Ansicht spürbar auf die Füße; eher hat ihn sein zeitlos-zerverlorenes Wesen so weit in ein extraterristisches Abseits entrückt, daß der bloße Gedanke an Wirkungsweise fast schon als Luxusanwandlung erscheint, und wer ihn überhaupt zur Kenntnis nimmt, der tut es gerade noch im Hinblick auf sein hohes Dienstalter und dann auch bloß mit halbem Ohr. Die gar nicht so unerfreuliche Folge ist, daß jemand, der sich über seine Herkunft und seinen kulturellen Werdegang in Kenntnis setzen möchte, in den Staats- und Uni-Bibliotheken offene Kammergräber einrennt: jedes Fachbuch ist auf Anhieb zu haben, jede Inauguraldissertation – und noch die entlegenste – im Handumdrehen heranzuziehen, das sicherste Zeichen, daß wir es mit einem ziemlich esoterischen Außenseiter zu tun bekommen. Man kann sich ja selbst unter Zunftgenossen kaum noch mit Gewinn über dieses jahrtausendalte und vielleicht menschheitsbegleitende Lautphänomen unterhalten, wobei ich gleich vorweg bemerken möchte, daß Zusammenlang und Zusammenhang hier schon in rätselvollen Hin-und-her-Beziehungen leben. Was dagegen gerade noch von einem gewissen – akademischen! – Interesse scheint, ist das ungewisse Wirken und Weben sogenannter „Freier Verse“, daran knüpfen sich dann besorgte Rundfragen wie die hilfesuchenden Preisausschreibung der „Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung“ in Darmstadt; nicht völlig zu Unrecht, wie ich meine, weil das aller sichtbaren Bindungen ledige und oft nur als haltloser Flattersatz in Erscheinung kommende Wortstreuwerk schon einmal der genaueren Hinterspiegelung bedarf.
Glauben Sie nicht, verehrte Freunde der Poesie, liebe junge Kolleginnen und Kollegen, die Sie nachweislich zahlreich unsere Sprach- und Litseminare bevölkern, ich wollte hier innerhalb einer ohnehin für nutzlos angesehenen Gattung noch einmal künstlich Fronten aufführen helfen zwischen „gereimt“ und „ungereimt“, zwischen traditionellen poetischen Bauverfahren und freieren Organisationsweisen. Ich habe mich selbst auf beiden Turnierplätzen mit viel Einsatz und Eifer getummelt; freilich auch nicht übersehen, daß wir es mit gründlich voneinander abgesetzten Schreibarten zu tun haben, kaum noch verwandten Disziplinen, denn wo es in der einen um den unverstellten Niederschlag von fassungslos gewordenen Subjekten zu gehen scheint, sucht die andere ihr Heil nun gerade in der Fassung, in der Bindung, in der Fessel, und lange nicht alles, was der „Freie Vers“ mit Glück zum Ausdruck bringt, macht im gereimten Gedicht noch den nötigen seriösen Eindruck.
Bleibt immerhin die strömungskundlich interessante Beobachtung, daß einer, der sich werbend oder lehrend für den Reimvers stark macht, als der PR-Agent eines rechten Mauerblümchens belächelt wird. Gerade wenn man selbst auf dem randständigen Gebiet mittlerweile in den Genuß eines – sagen wir es ruhig – Weltmonopols geraten ist (etwa mit Spezialisten für Grasmückendialekte oder Hexensalben zu vergleichen), stellt sich immer wieder die einschüchternd bange Frage, ob solche Spezialitäten überhaupt noch auf ein allgemeineres Interesse hoffen dürfen, zumal in den Zusammenhängen eines Poetik-Lehrstuhls, der doch wohl dazu auf der Welt ist, die trennenden Dorngestrüppe zwischen Literatur und Leben, Poesie und Praxis, künstlerischem Ausdrucksverlangen und politischem Tatendrang allgemeinverbindlich zu durchdringen. Die Literatur als Lebenshilfe und die Poesie als ein außerparlamentarisch verankertes Handlungs- und Unterweisungsinstrument, das sind ja durchaus verbreitete Erwartungsschablonen, und ich kenne auch die Kolleginnen/Kollegen sehr gut, die sich in die Rollen der literarischen Barfußheilerin und des lyrischen Alternativsani bestens hineingefunden haben. „Dichter zum Anfassen“, so verheißt es gewiß nicht grundlos jedes zweite Kunstfestival und jeder Literaturtrubel, eine Kommunikationsofferte, die heimlich von einem überall vorhandenen Bedürfnis nach magischer Berührung und direktem Handauflegen zehrt. Trotzdem erscheinen mir solche leichtfertig geschürten Hoffnungen auf einen wirksamen Anfaßzauber irgendwie als unsittliches Angebot, und das gewiß nicht bloß, weil es den Partizipationspoeten in die Nähe von Grabbelkino und Gemeinschaftssauna rückt. Nein: was hier zum Angebot steht, sind doch nichts als Mythen in Tüten, denn entweder gibt es diese proteischen Vortragspersonen doch gar nicht, die sich in hundert oder Hunderte von Privataudienzen hinzuschwenden vermöchten; oder es scheint doch der Dichter zuletzt die Kommunikationskanone, die das Showbiz aus ihm machen möchte. Alles andere als ein locker aus der Tiefe, munter in die Runde plaudernder Conferencier, ist der Poet meist der eher beklommene Mann mit der schleppenden Zunge, mit dem jammervoll vernagelten Mund, dem quälend langsam mahlenden Gedankengang; auch die Dichterin der benommen stammelnden Pythia oder der drucksenden Sibylle von Cumae sehr viel näher als der ihrer Sache und ihrer Bühne sicheren Emanzipationssoubrette; und ich sage Ihnen so offen, wie es diese öffentliche Vorlesung hier verlangt, daß der Eindruck einer gewissen Bühnenwendigkeit, den man selbst an guten Tagen schon einmal erwecken kann, durch unendliches Training und böse Nachtmahre erkauft werden muß…

 

 

 

Im Sommersemester 1980 hatte Peter Rühmkorf

die „Gastdozentur für Poetik“ an der Frankfurter Johann Wolfgang Goethe-Universität inne. Als sein Thema wählte er sich den Reim, genauer die Frage: „Wie kommt der Reim auf die Welt und welche Nachfrage hält ihn trotz der offensichtlichen Berührungsscheu unserer E-Literatur noch am Leben?“ Daß es bei diesen Vorträgen nicht stupide begriffsklappernd zugeht, versteht sich bei diesem Autor von selbst. Und daß die Beschäftigung mit dem Reim nicht ins „extraterrestrische Abseits“ führt und als „Luxusanwandlung“ zu gelten hat, zeigt Rühmkorf bereits mit einem Blick in die Massenmedien. „Tatsächlich durchwest der Reim, und zwar in allen seinen Formen als reicher, rührender, männlicher, weiblicher, klingender Binnen-, End- und Stabreim unseren Konsumentenalltag weit ausgiebiger, als uns gemeinhin bewußt ist, nicht bloß dort, wo uns das letzte literarische Who is Who auf sogenannten Sellertellern seviert wird. (…) Eine einzige Woche ganz gewöhnlicher Fernsehpraxis beschert beispielsweise neben den wieder und wieder stabgehämmerten Tages-Themen auch noch Hier und Heute und den Bericht aus Bonn und das Zeitzeichen und den Sport-Spiegel und die Mainzel-Männchen und den Kultur-Kalender und das Tele-Technikum und den Siebten Sinn und die Ziehung der Lottozahlen, und wo Sie einmal die Bücher-Bar verpaßt haben sollten, können Sie sicher bald auf Titel Thesen Temperamente ausweichen, und wo Ihnen Kennen Sie Kino nicht so sehr behagt, bleiben Ihnen immer noch Filme Fakten Meinungen, es sei denn, daß Sie sich gerade für Sterns Stunde oder Bios Bahnhof entschieden haben, beziehungsweise die Zeugen der Zeit oder den Blauen Bock oder die Montags-Maler in Ihrem Film-, Funk-, Fernsehkalender angestrichen haben. An schließt sich hier zwanglos und will dann schier kein Ende nehmen die höhere Stabreimkultur der Belletristik, und da kommt man zwischen Herr und Hund und Götter, Gräber und Gelehrte und Fünf Finger sind keine Faust aus dem Auflisten gar nicht mehr heraus.“

Suhrkamp Verlag, Klappentext, 1985

 

Einfälle und Einzelfälle

− Peter Rühmkorf nahm mit seinen Schriften zur Poetik selbst in die Hand, wozu die akademische Kritik nicht in der Lage schien. −

Im Zweifelsfall wüsste ich nur zwei Autoren zu nennen, die für die Lyrik wie für die Lyriktheorie der Bundesrepublik gleichermaßen bedeutend gewesen sind: Karl Krolow und Peter Rühmkorf. Krolow veröffentlichte 1963 sein Buch „Aspekte zeitgenössischer Lyrik“ und 1973 (erneut 1980), im Rahmen von Kindlers Literaturgeschichte der Gegenwart, seine wegweisende und bis heute nicht erreichte, 200 Seiten starke Darstellung „Die Lyrik in der Bundesrepublik seit 1945“. Besonders pikant und köstlich: die Passagen, die der Literaturgeschichtler Krolow dem Lyriker Krolow widmete, schön distanziert in der Er-Form dargeboten. Peter Rühmkorf dachte seit den 50er Jahren öffentlich über „Methoden und Marotten“ der zeitgenössischen Lyrik nach, schließlich mündeten seine Überlegungen – bahnbrechend – in seine Frankfurter Poetikvorlesungen zur „Naturgeschichte des Reims und der menschlichen Anklangsnerven“ (1981 unter dem Titel agar agar – zaurzaurim). Mit großer Beständigkeit warf er immer neue Schlaglichter auf die Lyrikszene der Bundesrepublik, und es ist auffällig, dass er sich selber immer stärker zum Mittelpunkt seiner Betrachtungen machte, immer nachdrücklicher in der Ich-Form sprach. So auch im vorliegenden Band Schachtelhalme, in dem der Poeta doctus demonstriert, dass sich alles Wesentliche über Dichtung am Beispiel des eigenen Œuvres aufzeigen lässt.
Die Bedeutung der beiden, Rühmkorf wie Krolow, kann für die Lyrik und Lyrikkritik der Bundesrepublik nicht hoch genug eingeschätzt werden. Doch während Krolow mehr die Rolle des verbindlichen, vermittelnden Doyens einnahm, dem eigentlich nur das Nennenswerte und Verbindliche in den Blick kam, Einzelfälle also, aus der eine Literaturgeschichte der Lyrik recht eigentlich erst zu abstrahieren war, bestach Rühmkorf durch seinen scharfen Witz und seine ebenso ins Ästhetische wie ins Politische zielende Polemik, die er schon im Titel seiner Kolumne „Leslie Meiers Lyrik-Schlachthof“ zum Ausdruck brachte. Rühmkorf würdigte, ähnlich wie heute Robert Gernhardt als Lyrik-Wart, auch die Niederungen der Zunft, und man muss konstatieren: Es war eine aufregende Zeit, die diese Standortbestimmungen provoziert hat.
Ist das jetzt zu historisch geraten? Das wäre schade, denn Rühmkorfs Poetik hat überhaupt nichts von ihrer Brisanz und Brillanz verloren. Sie hat ihren früh geäußerten Anspruch auf Artistik gewahrt, und dieser Kunstanspruch beim Reden über Kunst ist es wohl auch, der – neben der zweifellos herausragenden Erkenntnisqualität – diese ‚Gelegenheitsarbeiten‘ zeitunabhängig bedeutend macht. Und lustvoll. Und spannend, lehrreich, anschaulich, beseelt, bewandert, bildhaft, gewitzt, paradigmatisch, vorbildlich, einfach in jeder Hinsicht übertragbar und tragfähig. Diese Essays begründen eine Ästhetik des guten Handwerks, des soliden Könnens, an dem sich der geniale Funke entzündet.
Rühmkorfs großes Vorbild ist zweifellos Benn. Der andere, gleichfalls bewunderte, ist Brecht. Und es dürfte kein Zufall sein, dass die gewaltige Produktivität des 1929 in Dortmund geborenen, bei Stade aufgewachsenen, heute in Hamburg lebenden Poeta doctus anhebt, als diese beiden so gegensätzlichen, präterpropter gleichzeitig sterbenden Antagonisten nicht mehr ‚sind‘. Denn man muss sich ja fragen: Warum überhaupt Theorie bei einem Lyriker, warum kritische Auseinandersetzung mit fremden Federn, weshalb eigene Verfahrenstechniken preisgeben und sich verorten im Chor der anderen? Ein auslösender Grund für Theorie ist sicher, dass etwas zu Ende geht. Mit dem Tode Benns und Brechts beginnt eine neue, zweite Nachkriegsliteratur, und um sich von den übermächtigen Schatten der Altvorderen zu lösen, muss ihr Werk rational bewältigt werden. Deshalb wohl gilt Rühmkorfs Erkenntnisinteresse vor allem den Techniken Benns, die er als „monologische Kunstauffassungen“ gegen Brechts „Lehrlyrik“ kontrastiert.
Ein zweiter Grund für den Metatext dürfte sein, dass die akademische Kritik und die Literaturwissenschaft die zeitgenössische Lyrik für gewöhnlich im Stich lassen. Und was sich heute beobachten lässt, war damals nicht anders – bekanntlich war Brecht viele Jahre in den skandinavischen Ländern erfolgreicher als in der Bundesrepublik und der DDR, bevor er auch bei uns mühsam und gegen den Widerstand der politischen Kaste allmählich kanonisiert werden konnte. Schon von daher braucht jemand wie Rühmkorf die akademische Konkurrenz nicht zu scheuen – sie existiert eigentlich gar nicht. Und wo sie sich doch abmüht, Interesse aufzubringen, da ist es ihm ein Leichtes, der stumpfen „Fronde“ des universitären Milieus, das sich seine Fragen immer schon Jahre vor Eintreffen des „Podiumsartisten“ gebildet hat, die geistige Beweglichkeit dessen vorzuführen, bei dem Theorie und Praxis Hand in Hand gehen.
„Meine Damen und Herren Studierende der Literaturwissenschaft“, hebt 1978 ein „Zeit“-Artikel an, der die These vertritt, dass in den Seminaren die Kunst nicht durchdrungen, sondern vernichtet werde, und eine apokalyptische Vision spricht von den Studierenden der 70er Jahre, aus denen Ordinarien, Literaturkritiker, Lektoren und Kulturvermittler hervorgingen, vielleicht sogar Lyriker, die den kaum noch erkennbaren Austausch zwischen der Produzenten- und der Rezipientenseite endgültig zum Erliegen bringen würden.
Theorie und Metatext sind also notwendig, wo etwas abgeschlossen wird, wo etwas Neues beginnt und wo die Dignität der eigenen Muse erst noch gegen die Gralshüter der Kunst durchgesetzt werden muss. Was eigentlich Aufgabe der Wissenschaft wäre, leistet der Autor daher selbst, und die Schärfe, mit der er dabei der jeweils neuen Generation von „Rohrstockpädagogen“ die Leviten liest, die Wortwahl, mit der der dezidiert politische Provokateur Rühmkorf das Proseminar als Tribunal klassifiziert („solchen Freisleriana“ wolle er keine „Herzensergießungen“ mehr bieten), bezeugt die große Kränkung, die vom akademischen Muff ausgegangen sein muss.
Ein weiterer Aspekt der Rühmkorfschen Literaturtheorie wird offenbar, wenn man sich seine Individuation sowie die überindividuell spürbare kulturelle Neuorientierung der westlichen Welt nach 1945 näher ansieht. Peter Bichsel, Jahrgang 1935, hat mit einem en passant gestifteten Kanon auf den Punkt gebracht, was ich meine: „Janis Joplin, Jimmy Hendrix, Lester Young, Charlie Parker, Billie Holiday, Nicolas de Staël, Dylan Thomas, Brendan Behan, Heinrich von Kleist und weitere Hunderte mit Namen und viele Tausende ohne Namen.“ Zu diesem erweiterten Literaturbegriff könnte sich vermutlich auch ein Peter Rühmkorf bekennen, der in seinen Essays „heilige Namen“ wie Janis Joplin, Leonard Cohen oder Bud Powell aufbietet, und wo solche Heiligen sich ins „Stimmenkonzert“ mischen, da kann auch ein Dichter seine „Erdenschwere“ eine „Weltsekunde“ lang vergessen, da hat der universal interessierte und begabte Zeitkünstler radikal erweiterte Anschluss- und Einfallsmöglichkeiten, denn „Einfälle“ bilden ja die Basis seiner Texte. Rühmkorfs hohe Beweglichkeit beweist sich hier bis heute: Er lässt sich von der poetischen Selbstüberhebung eines Alexander Nitzberg (geboren 1967) weder blenden noch vergrätzen, sondern er prüft lustorientiert und seelenvoll, was er da vor sich hat. Er scheut sich nicht, auch das Großmaul zu loben oder den „Herren Nachfolgern“, sprich Epigonen der Moderne, ihren experimentellen Manierismus vorzuhalten, namentlich sind dies Ulrike Draesner, Durs Grünbein, Thomas Kling und Albert Ostermaier.
Mag man nicht jedes seiner Urteile teilen, möchte man auch nicht jeden Entstehungsmythos aus seiner Theoriegeschichte des Reims für bare Münze nehmen – indem er so schöne Angebote macht, so kluge Lesarten vorgibt, so genau und umständlich uns alles auseinanderlegt, was er für sich erkannt und beobachtet hat, bietet er uns Reibungsflächen, an denen sich zu reiben lohnt. Zu vergessen nicht der vorbildliche Anhang von Hartmut Steinecke, der die wichtigsten Zitate nachweist, zentrale Dokumente in Auszügen erschließt und das unverzichtbare Register beisteuert.

Lutz Hagestedt, Frankfurter Rundschau, 7.2.2002
(Rezension bezieht sich auf: Schachtelhalme. Schriften zur Poetik und Literatur. Werke 3)

Beiträge zu diesem Buch:

Dieter E. Zimmer: Meisterreime vom Reimemeister. Zur Naturgeschichte des Reims und der menschlichen Anklangsnerven
Die Zeit, 24.4.1981

Wolfgang Mistereck: Wie kommt der Reim auf die Welt? Oder die Jagd des Dichters nach dem Urreim
Bergen-Enkheimer Zeitung, 30.4.1981

Dagmar Scherf: Peter Rühmkorf. Großglockner – Wäschetrockner
LIT. Magazin für die Kunden des Buchhandels, April 1981

Gert Ueding: Gegen das modische Geklunker. Peter Rühmkorfs Naturgeschichte des Reims
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2.5.1981
Nachgedruckt in: Ein Büchertagebuch. Buchbesprechungen aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, 1981

Karl Krolow: Kecke Lyrik aus Paradiesflöten. Peter Rühmkorfs „agar agar zaurzaurim“ oder: Reimen sie bald wieder?
Stuttgarter Zeitung, 2.5.1981

Nachgedruckt (z.T. gekürzt) in:
(Der Reim, das unbekannte Wesen.) Mannheimer Morgen, 22.7.1981; (Der Reim, das immer noch unbekannte Wesen.) General-Anzeiger für Bonn und Umgebung, 8.5.1981; (Der Reim, das unbekannte Wesen.) Darmstädter Echo, 30.5.1981; (Schwebstoff feinster Art.) Fränkische Landeszeitung, 23.6.1981

Franz Richter: Ein Wortkünstler
Die Furche, 13.5.1981

Rolf Seeliger: Herz & Schmerz und Lust & Brust. Autor Peter Rühmkorf machte sich seinen Reim auf den Reim
tz, 25.5.1981

Elisabeth Wolffheim: Wie Reime-Schmiede binden und entzweien. Peter Rühmkorf auf der Spur menschlicher Urlaute
Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 31.5.1981

Horst-Dieter Ebert: Salbenspezialist
Lui, Mai 1981

Albert von Schirnding: Not macht erfinderisch. Peter Rühmkorfs Reflexionen über den Reim
Süddeutsche Zeitung, 6./7./8.6.1981

Herbert Glossner: Lyrik wird publik
Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 21.6.1981

Fritz Beuer: Rühmkorf rettet den Reim
Schreiben und Lesen, Juni 1981

Wolf Dieter Bach: Doppeleffekt der Sprache. Anmerkungen und Überlegungen zu Peter Rühmkorfs „Naturgeschichte des Reims und der menschlichen Anklangsnerven“. (Texte und Zeichen.)
NDR 3, 23.7.1981, 19.05-19.50h, MS: 5 S.

Jochen Kelter: Den Reimen auf der Spur
SDR, 24.7.1981

Reimund Kagerer: Von Blabla bis Dada. Peter Rühmkorf zur Naturgeschichte des Reims
Badische Zeitung, 25./26.7.1981

Johannes Poethen: Literaturform – Eine Zeitung zum zuhören
SDR, 29.7.1981, 17.40-18.30h. Darin über „Agar agar“. – MS: 27 S.

Holger Schlodder: Auf des Reimes Spuren. Zu zwei neuen Büchern von Peter Rühmkorf
Hamburger Abendblatt. 1.8.1981
Nachgedruckt in: Die Harke, 22.2.1982

Ernst Nef: Der Reim als dialektisches Urphänomen. Peter Rühmkorfs Frankfurter Poetik-Vorlesung
Neue Zürcher Zeitung. Zürich, 4.8.1981

Volker Bohn: Narrenkostüm und Kriegsbemalung. Peter Rühmkorfs Untersuchungen über den Reim
Frankfurter Rundschau, 8.8.1981

Jürgen P. Wallmann: Viele Reime gemacht
Der Tagesspiegel. Berlin, 9.8.1981

Nachgedruckt (mit wenigen Änderungen) in:
(Nun finden sie mal einen Reim.) Schwäbische Zeitung, 15.8.1981; (Unsere Anklangsnerven.) Rheinische Post, 22.8.1981; (Zauber der Verse.) Westfalenspiegel, August 1981, S. 31 (Nun finden sie mal einen Reim.) Schwäbische Zeitung, 25.9.1981

Klaus Stiller: Peter Rühmkorf, „Agar agar – zaurzaurim“
(Ideen-Kontroversen-Kritik)
RIAS, 26.8.1981, 22.00h. MS: 12 Bl.

Josef Schweikhardt: Reimkorf
Wiener Journal, September 1981

Manfred Stuber: Bloß ein „Bauernopfer“? Rühmkorf erzählt seine Entzweiung mit Reich-Ranicki
Mittelbayrische Zeitung, 1./2.2.1997

Thomas Schaefer: Peter Rühmkorf, Ich habe Lust im weiten Feld
Der Rabe. Magazin für jede Art von Literatur. Hrsg. von Heinrich Detering u. Stefan Opitz. Nr. 52, Haffmanns, 1998

Jörg Göbler: Peter Rühmkorfs agar agar zaurzaurim
Compass, Heft 2, 1981

Franz Josef Görtz: Renaissance des Reims? Zu den Frankfurter Poetikvorlesungen Peter Rühmkorfs
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.7.1980

Mathes Rehder: Meine Bücher des Jahres 81: Peter Rühmkorf: agar agar – zaurzaurim
Hamburger Abendblatt, 4.12.1981

Helmut Salzinger: Exkurse in den literarischen Untergrund
Südwestpresse / Schwäbische Donauzeitung, 30.11.1980

 

Nie seriös, immer ernst

Gegen Ende seines autobiographischen Buches Die Jahre, die ihr kennt sprach der Dichter Peter Rühmkorf ein großes Wort gelassen aus: „Hab viele Schlachten, aber nie meine Identität verloren.“ Aber der Frage nach der ihm nie abhanden gekommenen Identität entzog sich Rühmkorf stets mit einer flinken Volte. Offenbar wollte er sich nicht festlegen lassen.
So hatte man immer Kummer mit ihm. Denn er fiel aus dem Rahmen. Auf den vorhandenen Sockeln ließ sich der Ungebärdige nicht unterbringen. Die meisten Vergleiche hinkten, in keines der literarhistorischen Schubfächer wollte er hineinpassen. Natürlich ließ sich über ihn, über seine Lyrik und Prosa viel sagen. Doch bald stellte sich heraus, dass oft das Gegenteil von dem, was man in Sachen Rühmkorf für richtig hielt, ebenfalls nicht falsch schien.

Ästhet, Schöngeist, Ironiker
Er war ein feinsinniger Ästhet, ein raffinierter Schöngeist, ein exquisiter Ironiker. Nur war er zugleich ein plebejischer Poet, ein handfester Spaßmacher, ein Verwalter des literarischen Untergrunds, ein Dichter der Gasse und der Masse, einer, der die Lyrik auf den Markt gebracht hat. Er schämte sich nicht, das Drastische, das Vulgäre zu schätzen. Und er zögerte nicht, das Distinguierte, das Elitäre zu bewundern. In seinen Versen finden Schlager, Gassenhauer und Kinderreime ein unmittelbares Echo, aber auch die Oden Klopstocks und die Lieder von Matthias Claudius, die Hymnen Hölderlins.
Dieser Rühmkorf ist nie ganz seriös – und immer sehr ernst. Wenn seine so unterschiedlichen Bücher ein gemeinsames Fundament haben, dann ist es weder eine Idee noch eine Philosophie, weder eine Doktrin noch eine Ideologie. Vielmehr ist es sein widerspruchsvoll-militantes, sein spannungsvoll-ambivalentes Verhältnis zum Leben. Er ist ein Prediger mit der Schiebermütze, ein Priester mit der Narrenkappe, ein kleiner, munterer Prophet und ein großer, würdiger Schalk, ein Buhrufer und Poet dazu. Rühmkorf hat nichts mit jenen deutschen Autoren gemein, die singen, weil sie nicht denken können, die dichten müssen, weil ihnen das Schreiben unüberwindliche Schwierigkeiten bereitet. Rühmkorf war ein intellektueller Lyriker und ein lyrischer Essayist.

In vielen Kolonnen mitmarschiert
Für unser literarisches Leben zu Rühmkorfs Lebzeiten war oft jener Zorn charakteristisch, der seinen Mann ganz gut ernährte. Wer protestierte, der profitierte, wer rebellierte, der reüssierte. Zeitweise gab es in der bundesdeutschen Literatur mehr Provokateure als Schriftsteller. Selbstverständlich war er ein politisch engagierter Poet. Aber er misstraute dem politischen Engagement der Poesie.
Alle, die ihn für seine Zwecke missbrauchen wollten, erteilte er eine höhnische Abfuhr. In seinem „Mailied“ rief er der jungen Genossin belehrend zu: „Gestern Kommunist – morgen Kommunist, / aber doch nicht jetzt, / beim Dichten?“ Er ist in vielen Kolonnen mitmarschiert, ohne je seine besondere Gangart zu verleugnen. Er blieb immer – um den Titel eines seiner frühen Gedichte zu zitieren – „im Vollbesitz seiner Zweifel“. So war Rühmkorf immer auf der Suche nach einer schönen, einer verlockenden Blume. Ihre Umrisse verschwimmen in weiter Ferne, nicht einmal ihre Farbe lässt sich genau erkennen. Ist sie blau oder rot? Man kann nicht ganz sicher sein. Doch ob blau oder rot – es ist auf jeden Fall die Blume der Romantik.

Marcel Reich-Ranicki, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.6.2008

Felix Philipp Ingold: „Du findest den Sinn. Zur Poetik des Anagram, Merkur, Heft 409, Juli 1982

 

PETER RÜHMKORF

Du lerne vor dem mentalen Streicheln supermarkentoll
dir den Wolf Inputs zu baucheln – bis in die Übervollen.
Ob kaviargestört (ja du!) der illegal Kostbarkeiten zimmerst,
was hast du Neon Zappelfisch am Mordshaken zu Nieten?
Wohl nit Artgerechtigkeit! Nicht Dach dem Haus verbieten!
Müsler stehe als deine Biospäherhorde auf verlorenen Posten!
Scheu weder Pollenflucht noch Vermengungskosten!
Seit Dagistan nagt Buße am arme-Schlucker-Razziom.
Energiesparen, was ist das seit der saloppem Atom.
Selbstentwickelt aller Nutzung bis zur Weltausstellung
Sei wärmedämmend ein Gesamtzustand und Behellung.
Ozonen Löcher Pullovern ins Internet. Du lüstre & tätige Tat!
Vergiß Delikatessen! Freund teilt Zimmer unterm Diktat
der Klimawandlung! Im Zeitalter von Hanf und Phosphat.
Laß ab vom leckren Lieblingshappen, Hochtraktatrappen!
Du tu dir die Pappen Bohnenbissen bisserl bioüberlappen
Suppe dir den Ochsen bis dein Untersein Ochsensuppe haßt
Hier spricht Rühmkorf! Mit Rühmkorf überdauerst du die Mast.

Peter Wawerzinek

 

 

Hans Edwin Friedrich: Phönix voran!.  Ringvorlesung an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Bernd Erhard Fischer: Peter Rühmkorf in Altona

Peter Rühmkorf-Tagung vom 23. bis zum 26.10.2009: Im Vollbesitz meiner Zweifel – Peter Rühmkorf

 

 

Gespräch I – Walter Höllerer spricht mit Peter Rühmkorf über seine Schulzeit

 

Gespräch II – Das Gespräch dreht sich um Rühmkorfs Studienzeit

 

Gespräch III und Lesung I – Peter Rühmkorf spricht über seine Zeit bei der Zeitschrift Konkret und liest Lyrik

 

Gespräch IV und Lesung II – Walter Höllerer spricht mit Rühmkorf über Politik und Rühmkorf liest Lyrik

 

Gespräch V und Lesung III – Ein Gespräch über Peter Rühmkorf als Poet und Poetologe. Noch einmal liest Rühmkorf Lyrik

 

Lesung und Gespräch VI – Peter Rühmkorf liest Gedichte aus dem Band Kleine Fleckenkunde, dann beantwortet er Fragen aus dem Publikum

 

Heinz Ludwig Arnold: Meine Gespräche mit Schriftstellern 

 

Zeitzeugen – Thomas Hocke im Gespräch mit Peter Rühmkorf (1993)

 

Zum 70. Geburtstag des Autors:

Hajo Steinert: Ein Leben in doll
Deutschlandfunk, 24.10.1999

Zum 75. Geburtstag des Autors:

Hanjo Kesting: In meinen Kopf passen viele Widersprüche
Sinn und Form, Heft 1, Januar/Februar 2005

Volker Weidermann: Der Eckensteher
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.9.2004

Zum 10. Todestag des Autors:

Ulrike Sárkány: Zum zehnten Todestag des Poeten Peter Rühmkorf
ndr.de, 7.6.2018

Zum 90. Geburtstag des Autors:

Stiftung Historische Museen Hamburg: Laß leuchten!
shmh.de, 20.7.2019

Julika Pohle: „Wer Lyriks schreibt, ist verrückt“
Die Welt, 21.8.2019

Vera Fengler: Peter Rühmkorf: Der Dichter, die die Welt verändern wollte
Hamburger Abendblatt, 21.8.2019

Volker Stahl: Lästerlustiger Wortakrobat
neues deutschland, 22.8.2019

Hubert Spiegel: Der Wortschnuppenfänger
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.8.2019

Anina Pommerenke: „Laß leuchten!“: Rühmkorf Ausstellung in Altona
NDR, 20.8.2019

Maren Schönfeld: Herausragende Ausstellung über den Lyriker Peter Rühmkorf
Die Auswärtige Presse e.V., 21.8.2019

Thomas Schaefer: Nicht bloß im seligen Erinnern
Badische Zeitung, 26.8.2019

Willi Winkler: Der Dichter als Messie
Süddeutsche Zeitung, 28.8.2019

Paul Jandl: Hanf ist dem Dichter ein nützliches Utensil. Peter Rühmkorf rauchte seine Muse herbei
Neue Zürcher Zeitung, 11.9.2019

 

„Laß leuchten!“ Susanne Fischer über die Rühmkorf-Ausstellung im Schiller-Nationalmuseum.

 

„Laß leuchten!“ Friedrich Forssman über die Rühmkorf-Ausstellung im Schiller-Nationalmuseum.

 

„Laß leuchten!“ Jan Philipp Reemtsma über die Rühmkorf-Ausstellung im Schiller-Nationalmuseum.

 

„Laß leuchten!“ Ein Sonntag für Peter Rühmkorf in Marbach. Lesung und Gespräch mit Jan Wagner.

 

„Jazz & Lyrik“ – Ein Fest mit Peter Rühmkorfs Freunden

 

Fakten und Vermutungen zum AutorKLGIMDb +
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Georg-Büchner-Preis 1 & 2Johann-Heinrich-Merck-Preis +
Interview 1, 23
Porträtgalerie: Autorenarchiv Isolde Ohlbaum + Keystone-SDA +
Autorenarchiv Susanne Schleyer + Galerie Foto Gezett +
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shi 詩 yan 言 kou 口
Nachrufe auf Peter Rühmkorf: Spiegel ✝ Die Welt ✝ FAZ 1 + 2 ✝
literaturkritik.de 1 + 2 ✝ Die tageszeitung ✝ Die Zeit ✝
Badische Zeitung ✝ Haus der Literatur  Tagung ✝ Stufe ✝

 

Bild von Juliane Duda mit den Texten von Fritz Schönborn aus seiner Deutschen Dichterflora. Hier „Rühmkorfzahn“.

 

Bild von Juliane Duda mit den Zeichnungen von Klaus Ensikat und den Texten von Fritz J. Raddatz aus seinem Bestiarium der deutschen Literatur. Hier „Rühmkorf, der“.

 

Beitragsbild von Juliane Duda zu Richard Pietraß: Dichterleben – Peter Rühmkorf

 

Film über Peter RühmkorfBleib erschütterbar und widersteh. 1/2

 

Film über Peter RühmkorfBleib erschütterbar und widersteh. 2/2

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